Fast siebzig Jahre nach dem Untergang des Dritten Reiches stehen die Jahre der totalitären Diktatur noch immer im Zentrum des zeithistorischen Interesses. Die in den 1990ern ausgetragene Debatte um die Errichtung des Holocaust-Mahnmals in Berlin sowie die mediale Präsenz der Thematik zeugen von einem regelrechten Gedächtnis-Boom an der Schwelle des 21. Jahrhunderts. Das allmähliche Wegfallen der Zeitzeugen-Generation kann als einer der Hauptfaktoren für die Brisanz des gegenwärtigen Erinnerungsdiskurses betrachtet werden. Wir befinden uns unmittelbar vor einem Generationswechsel, der uns vor eine Reihe von Herausforderungen stellt: Die wichtigste aber auch heikelste Herausforderung besteht darin, trotz des fehlenden direkten Bezuges, die erfolgreiche Übermittlung der Erfahrungen der nationalsozialistischen Vergangenheit an die zukünftigen Generationen zu garantieren. Die Walser-Bubis-Debatte Ende der 1990er Jahre hat gezeigt, dass es im Erinnerungsdiskurs des ausgehenden 20. Jahrhunderts, neben der Frage nach der Zukunft des Erinnerungsdiskurses, vor allem um die Diskussion über eine verantwortungsbewusste Erinnerungsform gegenüber den verschiedenen Opfergruppen geht. In dieser Untersuchung soll nun folgenden Fragestellungen nachgegangen werden: In welchem Maß wurde die Literatur der verschiedenen Nachkriegsgenerationen dieser Forderung gerecht? Welchen Entwicklungsprozess hat der Erinnerungsdiskurs über die Generationen hinweg durchgemacht? Welche Rolle kann oder muss die Literatur in dieser Problematik übernehmen? Und welchen Beitrag kann sie für eine adäquate Erinnerungsübermittlung an die kommenden Generationen leisten?