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»Als wir uns auf den Weg zur Einheit machten, war es wie vor der Durchquerung eines Hochmoors: Wir standen knietief im Wasser, Nebel behinderte die Sicht, und wir wussten nur, dass es irgendwo einen festen Pfad geben musste. Schritt für Schritt tasteten wir uns vor und kamen schließlich wohlbehalten auf der anderen Seite an. Ohne Gottes Hilfe hätten wir es wohl nicht geschafft.« Helmut Kohl Es war eine Zeitenwende, wie sie die Welt noch nicht gesehen hatte: Mit dem Fall der Mauer brach zugleich die Nachkriegsordnung zusammen, und etwas Neues trat hervor. Aber wie dieses Neue gestalten, wenn…mehr

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Produktbeschreibung
»Als wir uns auf den Weg zur Einheit machten, war es wie vor der Durchquerung eines Hochmoors: Wir standen knietief im Wasser, Nebel behinderte die Sicht, und wir wussten nur, dass es irgendwo einen festen Pfad geben musste. Schritt für Schritt tasteten wir uns vor und kamen schließlich wohlbehalten auf der anderen Seite an. Ohne Gottes Hilfe hätten wir es wohl nicht geschafft.« Helmut Kohl Es war eine Zeitenwende, wie sie die Welt noch nicht gesehen hatte: Mit dem Fall der Mauer brach zugleich die Nachkriegsordnung zusammen, und etwas Neues trat hervor. Aber wie dieses Neue gestalten, wenn die Koordinaten der nationalen wie der internationalen Politik fortwährend neu bestimmt werden mussten? Zeitweise gewannen die Ereignisse eine solche Dynamik, dass sie kaum zu steuern waren: Immer deutlicher zeichnete sich die desolate wirtschaftliche Lage der DDR ab; jeden Tag machten sich Tausende auf den Weg nach Westen, in die Bundesrepublik. Starke Beharrungskräfte widersetzten sich in der Sowjetunion Gorbatschows Reformpolitik; wie gefährdet seine Position war, erwies sich in dem Putschversuch vom August 1991, als die Welt für einige Tage den Atem anhielt. Mit den ethnischen Konflikten im auseinanderbrechenden Jugoslawien kehrte nach über fünfundvierzig Jahren der Krieg nach Europa zurück - auf einen Kontinent, den die Erfahrung zweier Weltkriege so sehr gezeichnet hat, dass Deutschlands unmittelbare Nachbarn in Ost und West, Polen und Frankreich, einem erstarkenden wiedervereinigten Deutschland mit nur schwer auszuräumendem Misstrauen begegneten. Aber nicht nur international gab es zum Teil massive Vorbehalte, mitunter setzten sogar deutsche Politiker alles daran, den Weg zur Einheit zu blockieren. Heftig umstritten war insbesondere die Einbindung Gesamtdeutschlands in die Nato, mit der die Einheit abgesichert werden sollte. In den Jahren nach 1990 kam es darauf an, die innere Einheit Deutschlands voranzutreiben. Im Mittelpunkt standen dabei das Finanzierungsprogramm Aufbau Ost und der Solidarpakt. Zugleich ging es darum, die Europäische Einigung zu vertiefen. Dazu gehörten die Vollendung des Europäischen Binnenmarktes und die Vorbereitung der Wirtschafts- und Währungsunion, die im Vertrag von Maastricht beschlossen wurde. In den Erinnerungen 1990 - 1994 über das Herzstück seiner Regierungszeit, erzählt Helmut Kohl von den Jahren des Umbruchs, in denen sich das Schicksal Deutschlands und Europas entschied. Gerade in den Erschütterungen dieser Zeit erweist es sich, welche Bedeutung der Persönlichkeit in der Politik zukommt: Nur dank eigener Überzeugungskraft und Glaubwürdigkeit, dank des in vielen Jahren erworbenen Vertrauens und intensiv gepflegter Kontakte war es ihm immer wieder möglich, kritische Situationen zu meistern und das Projekt der deutschen Einheit sicher zu vollenden.

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Autorenporträt
Dr. Helmut Kohl, geboren am 3. April 1930 und verstorben am 16. Juni 2017 in Ludwigshafen am Rhein. Seit 1947 Mitglied der CDU. Von 1959 bis 1976 Mitglied des Landtags von Rheinland-Pfalz. Von 1969 bis 1976 Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz. Von 1973 bis 1998 Bundesvorsitzender der CDU. Von 1976 bis 2002 Mitglied des Deutschen Bundestages. Vom 1. Oktober 1982 bis 27. Oktober 1998 Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Helmut Kohl ist mit 16 Jahren Regierungszeit bis heute der am längsten amtierende deutsche Bundeskanzler. Er war der sechste Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland und der erste Bundeskanzler des wiedervereinten Deutschland. Im Dezember 1998 wurde er zum Ehrenbürger Europas ernannt. Helmut Kohl lebte bis zu seinem Tod mit seiner Frau Dr. Maike Kohl-Richter in seiner Heimatstadt Ludwigshafen.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

"Das Relevante ins Kröpfchen, das Redundante ins Töpfchen", empfiehlt Rezensent Gunter Hofmann als Lektüremotto für Band drei der Helmut-Kohl-Memoiren. Denn aus seiner Sicht wird Kohl offensichtlich mit etwas nicht fertig, und so schreibe und schreibe er immerfort. Eben nicht nur Relevantes, doch davon dann immer doch noch genug, dass der Rezensent die Erinnerungen an die Jahre 1990 bis 1994 letztlich mit Gewinn gelesen hat. Besonders die Passagen, die im Vorfeld des Zusammenbruchs der Sowjetunion spielen und das dünner werdende Eis für den damaligen Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow beschreiben. Zwar misstraut der Rezensent immer wieder der Sicherheit, mit der Helmut Kohl selbstgewiss auf der Welle der Einheit surft, Kritiker niederbügelt und Dinge diskret zu seinen Gunsten schönt. Besonders der Rund-um-die-Uhr-Betrieb des Kohl'schen Telefons scheint ihm ein völlig neues Licht auf die Bedeutung dieses Instruments für die Weltpolitik zu werfen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.12.2007

Der Unbeirrbare vertraute auf Gottes Hilfe
Helmut Kohls dritter Memoirenband über die Jahre 1990 bis 1994 erhellt viele Facetten seines Innenlebens

"Wenn man den politischen Charakter Kohls in einem Wort zusammenfassen müsste, würde man ihn den Unbeirrbaren nennen." So hat der SPD-Politiker Peter Glotz im September 1993 den damaligen Bundeskanzler charakterisiert. Unnötig zu sagen, dass er alsdann über dieses dicke Lob mit großem Schöpflöffel jede Menge Spott und Kritik drübergoss. Schließlich stand die Bundestagswahl 1994 bevor, und die Zustimmung zu Kohl sank wieder einmal in den Keller. Aber das Stichwort "der Unbeirrbare" erfasste doch einen Wesenskern. Und die Charakteristik trifft auch auf den Memoirenschreiber Helmut Kohl zu, der jetzt seine Erinnerungen an die Jahre 1990 bis 1994 vorlegt. Man mag zu ihm stehen, wie man will. Dass er in den drei Jahren von 2004 bis 2007 drei mächtige Memoirenbände veröffentlicht hat, ist eine Parforcetour, die ihm so schnell keiner nachmacht. Wir wissen nun, wie "der Unbeirrbare" seinen eigenen Lebensbogen von 1930 bis 1994 sieht und verstanden sehen möchte.

Ein gutes Drittel der "Erinnerungen 1990-1994" behandelt das Jahr 1990, genauer gesagt: die Monate zwischen der ersten freien Wahl vom 18. März in der DDR bis zur Bundestagswahl vom 2. Dezember. Kohl hat die außenpolitischen Verhandlungen schon häufig geschildert. Die Darstellung im vorliegenden Band stützt sich auf die 1998 von ihm freigegebene Sonderedition aus den Akten des Bundeskanzleramtes 1989/90 mit an die 450 Schlüsseldokumenten. Das und jenes hat er auch aus früheren Berichten übernommen. Vergleichsweise viel Gewicht legt er hier auf die Schilderung der innerdeutschen Beziehungen jener Monate: Gründung der Allianz für Deutschland, Beziehung zu dem für Kohl sogar im Nachhinein schwer zu enträtselnden DDR-Ministerpräsidenten Lothar de Maizière, Ingangsetzung der Wirtschafts- und Währungsunion - das alles im Zeichen des Vorwahlkampfs mit der Lafontaine-SPD. Dass Lafontaine und Gerhard Schröder bis zur Wiedervereinigung im Herbst 1990 bekennende Zweistaatler waren, ist hinlänglich bekannt. Doch man kann es Kohl kaum verdenken, wenn er wieder einmal daran erinnert, wie eiskalt Lafontaine, der heute den Barmherzigkeitsapostel mit dem blutenden Herzen spielt, sich damals den Deutschen in der DDR gegenüber verhielt.

Doch Kohls Polemik hält sich hier in Grenzen. Inzwischen hat der "Kanzler der Einheit" erkannt, dass die Leser seines Erinnerungswerkes erfahren möchten, wie er aus der Rückschau jene Fehler und Versäumnisse erklärt, die ihm seit langem schon vorgehalten werden. Dieser Memoirenband ist denn auch geboten nachdenklich und selbstkritisch. Bezüglich der schon 1990 leidenschaftlich diskutierten Frage der Umtauschrelation 1:1 von Löhnen, Gehältern und Renten erinnert Kohl beispielsweise daran, dass diese seinerzeit im Vergleich zum Westen nur ein Drittel ausmachten. Der höhere Umstellungskurs 1:2 beim Betriebsvermögen habe zwar mit zum Zusammenbruch der DDR-Industrie beigetragen, aber deren Produktivität sei eben 1990 generell überschätzt worden. Doch selbst wenn das im Frühjahr 1990 alles bekannt gewesen wäre, hätte er rückblickend nicht anders gehandelt. Eine Verzögerung der Einheit wäre nicht zu verantworten gewesen - weder mit Blick auf die labile Lage in Moskau noch auf die Flutwelle der Übersiedler. Diese lag allein im Februar 1990 bei 64 000.

Dass bei der fast lückenlos übertragenen und ohne längere Übergangsfristen erfolgten Sozialunion "gravierende Fehler" gemacht wurden, räumt Kohl nunmehr ziemlich unumwunden ein. Doch nur so habe einer Verarmung der ostdeutschen Bevölkerung entgegengewirkt und die neue Ordnung gesichert werden können. Einige Schuld für fatale Übertreibungen schiebt er dabei Bundesarbeitsminister Norbert Blüm zu. Vor allem sei die Bundesregierung durch die hemmungslose Agitation großer Teile der SPD unter Zugzwang geraten. Lafontaine und seine Genossen bestärkten die DDR-Verhandler um die Sozialdemokratin Regine Hildebrandt in ihren hochgezogenen Forderungen. Das rasche Ja der Volkskammer zum Einigungsvertrag war nur um den Preis sozialpolitischer Übertreibungen zu erreichen. Kohl sagt es zwar nicht ganz so unumwunden, allerdings ist seine Darstellung ziemlich eindeutig: Der "Kanzler der Einheit" war in jener Zeit Treiber und Getriebener zugleich.

Selbstkritik übt er auch in Sachen "versäumte Reformen" des deutschen Sozialstaats. Die entsprechende Reformdiskussion, die vor 1989 begonnen habe, sei durch die Verwirklichung der Sozialunion von der politischen Agenda verdrängt worden. 1990 und 1991 musste alles holterdipolter gehen. Durchgerechnete Konzepte zu Strukturveränderungen der sozialen Sicherungssysteme lagen 1990 nicht vor. Hätte es sie gegeben, wäre es dennoch unmöglich gewesen, sie gewissermaßen im Schweinsgalopp hin zur Wiedervereinigung zu realisieren.

Keinerlei Selbstkritik findet sich bezüglich Einführung der Pflegeversicherung nach dem Blüm'schen Umlagemodell, das 1993 inmitten der großen Rezession und der finanziellen Neu-Last durch die Wiedervereinigung gegen wohlbegründeten Widerstand aus Wissenschaft, Wirtschaft und seitens der FDP durchgesetzt wurde. Doch gewinnt der Leser generell den Eindruck, dass sich Kohl nach den ernüchternden Erfahrungen mit Blüm während des späteren Parteispendenskandals nachträglich selbst die Frage stellt, weshalb er diesen fatalen Minister 16 Jahre lang schalten und walten ließ. Insgesamt fällt Kohls Rückblick auf das unglaubliche Jahr 1990 nicht triumphalisch, sondern eher nachdenklich aus, auch dankbar. Memoiren von Staatsmännern des 20. Jahrhunderts sind selten, in denen sich der Satz findet: "Ohne Gottes Hilfe hätten wir es wohl nicht geschafft."

Von besonderem Interesse ist der umfangreichere Teil dieses Erinnerungsbandes zur dritten Regierung Kohl von 1990 bis zur Bundestagswahl vom Oktober 1994. Hier betritt der Verfasser biographisches Neuland und verfolgt dabei einen plausiblen darstellerischen Ansatz. Die Autoren der bereits recht ausgedehnten publizistischen Biographik zu Kohl suchen sich der Politik dieser Jahre häufig mit zwei Fragen zu nähern: Wie hat dieser Kanzler, großer Patron des "Systems Kohl", seine Macht über 16 Jahre hinweg prolongiert? Und warum hat der finanzielle und psychologische Wiedervereinigungs-Blues die Wiedervereinigungseuphorie des Jahres 1990 so abrupt beendet?

Wie alle Welt kennt auch Kohl diese Erkenntnisperspektiven auf die Jahre 1990 bis 1994. Er weicht ihnen nicht ganz aus, hält aber eine Blickerweiterung für dringend geboten. Tatsächlich gelingt es ihm, in 58 interessanten Kapiteln seine eigene Sicht der Vorgänge zu verdeutlichen, indem er das Bild eines in vielen Dimensionen rastlosen, antreibenden, überlegenen, aber auch getriebenen Kanzlers vermittelt. Anschaulich behandelt er die großen Politikfelder nicht für sich, sondern mischt alles so kunterbunt, wie das Woche für Woche auf einen Bundeskanzler eindringt: Europapolitik und globale Rezession, das Verhältnis zu Russland, die in vielen Sachfragen ausschlaggebende Rolle der Vereinigten Staaten, Golfkrieg und Kriege im zerfallenen Jugoslawien, Kabinettsbildungen, Kabinettskräche, Ministerrücktritte, kontroverse Gesetzgebungsverfahren, Haushaltskrisen, Parteitage, Parteiprogrammatik und Landtagswahlkämpfe, eine Fülle von Ehrungen, Intrigen um die Nachfolge Bundespräsident von Weizsäckers, privateste Aufregungen, Staatsreisen über Staatsreisen, Beerdigungen, Sommerurlaube in St. Gilgen am Wolfgangsee, der RAF-Terrorismus, verbunden mit beispielloser Medienhysterie ("Bad Kleinen"), zahllose Gespräche mit ausländischen Staatsmännern wie Clinton, Jelzin, Havel, Walesa, Mitterrand, Li Peng, Lubbers und vielen weiteren.

Eingestreut in diese Schnappschüsse aus einem ruhelosen Politikerleben finden sich immer wieder knapp oder breit ausgeführte Persönlichkeitsskizzen verstorbener oder aus dem Kabinett geschiedener Gefährten, parteipolitischer Gegner, enger Mitarbeiter oder internationaler Partner: Wörner, Stoltenberg, Teltschik, Juliane Weber, Clinton, Thatcher, Gorbatschow, Jelzin, Brandt oder Lafontaine. Manche dieser Porträts sind anerkennend, andere gehörig vergiftet, einige schlechthin meisterlich wie das über Hans-Dietrich Genscher. Wer studieren möchte, was für eine große Rolle persönliche Sympathie und Antipathie im Leben von Spitzenpolitikern spielt, wird hier fündig. Kohl gleicht auch darin einem großen Elefanten, dass er ein langes Gedächtnis für menschliche Zuwendung, aber ebenso für Enttäuschungen und Unfairness hat. Und wie ein Cantus firmus durchzieht die Trauer um die verstorbene Ehefrau Hannelore dieses sehr persönliche Buch.

Lesenswert sind die Reflexionen, in die Kohl fast jedes Kapitel einmünden lässt. Sie erhellen viele Facetten des Innenlebens dieses seelisch komplizierten Kanzlers, der je nach Laune und Lage differenzierte Nachdenklichkeit hinter massiger Jovialität oder autoritativer Suada verbirgt. Ungekünstelte Prosa nimmt man dabei gern in Kauf. Wer so wie Kohl ein halbes Jahrhundert Tag für Tag rastlos im Geschäft ist, andere zu überzeugen, der entgeht auch beim Memoirenschreiben nicht einem gewissen Overkill bei der Formulierung politischer Glaubensbekenntnisse.

Helmut Kohl versteht sich auf die Kunst, sein Buch mit einem appetitanregenden "Fortsetzung folgt" enden zu lassen. Die Schlusssätze lauten: "Längst hatte ich für mich beschlossen, in der Mitte der Legislaturperiode einen Stabwechsel im Bundeskanzleramt vorzunehmen. Nur ein einziger Kandidat stand für mich zur Diskussion: Wolfgang Schäuble. Ihm traute ich am ehesten zu, für unser Land, für unsere Partei ein erfolgreicher Nachfolger zu sein."

HANS-PETER SCHWARZ

Helmut Kohl: Erinnerungen 1990-1994. Droemer Verlag, München 2007. 784 S., 29,90 [Euro].

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