Studienarbeit aus dem Jahr 2001 im Fachbereich Germanistik - Linguistik, Note: 1,7, Ruhr-Universität Bochum (Germanistisches Institut), Veranstaltung: Hauptseminar Redewiedergabe im Deutschen, Sprache: Deutsch, Abstract: Als Thema meiner Hausarbeit habe ich eine Untersuchung der Rede Dr. Philipp Jenningers vom 10. November 1988 anläßlich der Reichspogromnacht vor fünfzig Jahren gewählt. Die erste Begegnung mit (einem Exzerpt) der Rede machte ich im Rahmen des Hauptseminars ,,Redewiedergabe im Deutschen". Der Textausschnitt lag als Lektüretext vor, bei dem das Augenmerk auf die Anwendung des Stilmittels ,,Erlebte Rede" gelenkt wurde, das in diesem Kontext und in der auftretenden Intensität für die Rezeption des Textes verwirrend wirkte. Doch auch das mehrmalige Durchlesen dieser Passage erklärte noch nicht den Empörung hervorrufenden Effekt der Rede damals und die Konsequenz, nämlich Jenningers Rücktritt vom Amt des Bundestagspräsidenten. Die Wirkung der Rede konnte ich erst verstehen, nachdem ich die Rede auf Video sah und nicht Leser eines Textes sondern Zuschauer und -hörer war. Mein erstes Empfinden war Mitleid mit dem Redner, der offensichtlich die falsche Rede zu falschem Anlaß hielt. Zweifellos brachte er einen historisch-detaillierten Abriß der Geschehnisse des dritten Reiches, doch wirkten z.B. Worte, die ausschließlich Wortschöpfungen dieser Periode sind, wie arisch, Rassenschande, Ungeziefer, Verwesung oder Ausmerzung (die in der schriftlichen Fassung zwar durch Anführungszeichen gekennzeichnet sind, bei der vorgetragenen Rede aber wie ein gebrochenes Tabu wirken ) in einer Gedenkrede unpassend und unangebracht. Weitere Punkte, die immer wieder im Allgemeinen kritisiert worden sind, waren seine ,,nüchterne" Vortragsweise, die durch eine sehr sachlich-objektive Darstellung sowie durch die monotone Stimmlage, die jegliche Gefühlsäußerungen unterband, geprägt war, und das vordergründige Hineinversetzen in die Köpfe der Täter und das Untersuchen der Motive für die Passivität derselben anstatt das Gedenken der Opfer in das Zentrum der Rede zu stellen. Nicht außer Acht lassen sollte man bei einer Betrachtung Jenningers Rede auch die Medien. Besonders die übertragende Fernsehanstalt, so kann man behaupten, hat die negative Wirkung der Rede forciert, indem sie ständig die ,wie erst später klar wurde, völlig erschöpfte, ermüdete Ida Ehre einblendete, die während des gesamten Redevortrags ihr Gesicht mit den Händen bedeckte. Zu einem späteren Zeitpunkt erklärte sie, sie sei nach der Rezitation von Celans Todesfuge so ergriffen gewesen, daß sie nichts von Jenningers Rede mitbekommen habe.
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