Shumona Sinha schreibt über die Emigranten aus Indien. Aus Indien ist auch sie geflüchtet und hat in Frankreich Aufnahme gefunden, Frankreich gewählt der Sprache wegen, wie sie sagt. Im Zuge der aktuellen Völkerwanderung ein eher seltenes Motiv ̶ eine Syrerin oder ein Syrer, die nach Deutschland
wegen der deutschen Sprache kommen? Wäre zu schön, um wahr zu sein.
In Frankreich dolmetscht…mehrShumona Sinha schreibt über die Emigranten aus Indien. Aus Indien ist auch sie geflüchtet und hat in Frankreich Aufnahme gefunden, Frankreich gewählt der Sprache wegen, wie sie sagt. Im Zuge der aktuellen Völkerwanderung ein eher seltenes Motiv ̶ eine Syrerin oder ein Syrer, die nach Deutschland wegen der deutschen Sprache kommen? Wäre zu schön, um wahr zu sein.
In Frankreich dolmetscht Shumona für ihre Landsleute, muß notgedrungen die Sprache sprechen, die sie nicht mehr sprechen will, damit die französische Verwaltung über Asyl oder Abschiebung entscheiden kann. Inzwischen ist sie als Schriftstellerin eben dort zu Ruhm und Ansehen gekommen.
Der Titel des Buchs läßt Giftiges ahnen, und in der Tat: dies schmale Buch ist eine gereizte, wütende und zugleich traurige Abrechnung mit ihrem Heimatland, deren Männern, deren Flüchtenden, ihrer eigenen Familie auf der einen Seite und der französischen Verwaltung auf der anderen. Sie schreibt auf, was sich angesichts der in Deutschland verordneten Willkommenskultur niemand zu trauen schreiben würde. Worum es in diesem Buch nicht geht: objektiv Stellung zu nehmen, das Für und Wider der Flüchtlingsbewegung abzuwägen, Argumente zu liefern, um des Lesers schwankende Position zu dem Problem zu festigen. Im Gegenteil. Das Buch ist ein Buch über Sinhas persönliche Probleme, im Angesicht der Asylanten: über ihren Haß auf die Flüchtlinge und über ihr Mitleid mit denselben. Über ihre Aggressionen, wenn sie das Elend dieser Leute aus nächster Nähe erfährt und ihren Abscheu vor den Lügen ̶ den Lügen und Ausflüchten der Armen aus den abgeschriebenen Ländern und den Lügen und der Selbstgerechtigkeit der Entscheider aus der westlichen Welt. Und vor allem: um die Schwierigkeiten mit sich selbst.
Der Aufmacher des Buchs: sie schlägt einem Asylanten eine Flasche über den Kopf, als Folge ihrer Überreiztheit, eine Kumulation der Ereignisse, die zu einer Grenzüberschreitung führt. Auch wenn die Autorin immer wieder auf dieses Ereignis rekurriert, erzeugt das bei mir wenig Spannung, man würde sagen es war eine Handlung aus dem Affekt, einer Laune, ohne allzu große Konsequenzen.…
Das Buch überzeugt mich durch die Mächtigkeit seiner Sprache, weniger durch seinen Inhalt. Wer erfindungsreiche Verknüpfungen liebt und sich von dem Dämon ihrer Wörter mitreißen läßt, fährt mit diesem Büchlein genau richtig. Wer einen vernünftigen Beitrag zur Flüchtlingsproblematik erwartet, sollte die Hände davon lassen. Er könnte auf die (teuflische) Idee kommen, die Flüchtlinge zwar nicht zu erschlagen, aber samt und sonders in ihre Heimat zurück zu schicken.