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Unsere Demokratie wird von außen und innen erschüttert: Der Weckruf des Altbundespräsidenten
Der russische Überfall auf die Ukraine bedroht unsere liberale Demokratie in einem Moment, in dem sie zugleich auch von innen unter Druck steht. Wie ist es dazu gekommen? Der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck geht gemeinsam mit seiner Co-Autorin Helga Hirsch der Frage nach, weshalb das Vertrauen vieler Bürger in unsere liberale Demokratie erschüttert ist. Was bedroht unsere Demokratie von innen heraus? Welche Rolle spielen autoritäre und libertäre Dispositionen in Krisenzeiten? Wie viel…mehr

Produktbeschreibung
Unsere Demokratie wird von außen und innen erschüttert: Der Weckruf des Altbundespräsidenten

Der russische Überfall auf die Ukraine bedroht unsere liberale Demokratie in einem Moment, in dem sie zugleich auch von innen unter Druck steht. Wie ist es dazu gekommen? Der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck geht gemeinsam mit seiner Co-Autorin Helga Hirsch der Frage nach, weshalb das Vertrauen vieler Bürger in unsere liberale Demokratie erschüttert ist. Was bedroht unsere Demokratie von innen heraus? Welche Rolle spielen autoritäre und libertäre Dispositionen in Krisenzeiten? Wie viel Einwanderung verträgt eine Demokratie?

Zugleich lotet er aus, warum wir heute vor den Scherben einer Ostpolitik stehen, die im Verhältnis zu Russland allzu lange nur auf die Prinzipien »Frieden vor Freiheit« und »Wandel durch Handel« gesetzt hat. Sehr eindrücklich und zum Teil auf persönliche Weise zeigt Joachim Gauck, wie in den letzten Jahren so manche Gewissheit über die Stabilität unserer Demokratie verloren ging – und wie es uns gelingen kann, auch in Zukunft unsere liberalen Freiheiten zu verteidigen und tatsächlich eine wehrhafte Demokratie zu werden.

Autorenporträt
Joachim Gauck, geboren 1940 in Rostock, arbeitete dort bis 1989 als Pastor. Er war Mitinitiator des kirchlichen und öffentlichen Widerstandes gegen die SED-Diktatur, politisch aktiv als Sprecher des Neuen Forums in seiner Heimatstadt und sodann als Abgeordneter der ersten freien Volkskammer. Von 1990 bis 2000 war er Bundesbeauftragter für die Stasiunterlagen, von 2012 bis 2017 elfter Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland. Er erhielt zahlreiche Ehrungen und Auszeichnungen, u.a. den Hannah-Arendt-Preis, den Geschwister-Scholl-Preis, den Europäischen Menschenrechtspreis und den Ludwig-Börne-Preis. Seine Autobiographie 'Winter im Sommer - Frühling im Herbst' erschien zuerst 2009 im Siedler Verlag. Zuletzt veröffentlichte er gemeinsam mit Helga Hirsch den Bestseller 'Erschütterungen. Was unsere Demokratie von außen und innen bedroht' (Siedler, 2023).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Rezensent Josef Joffe schläft nicht ein mit diesem Buch, das Joachim Gauck mit Hilfe der Journalistin Helga Hirsch verfasst hat und das insofern schon mal anders ist als Politiker-Memoiren, wie Joffe zufrieden feststellt. Wie Gauck hier mit der Ostpolitik von Brandt und Merkel ins Gericht geht, "gemessenen Wortes", gefällt Joffe außerdem. Ob Nato und EU nun tatsächlich Russland "eingekreist" haben, möchte Joffe dennoch dahingestellt lassen. Pflichtlektüre für die Akademie Auswärtiger Dienst, meint er. Gauck beherrscht Materie und Ton, so der Rezensent.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.05.2023

Systemfeinde
im Blick
Das Buch von Altbundespräsident
Joachim Gauck ist eine Kaskade
von Weckrufen an die Politik
Der Altbundespräsident fühlt sich zum Weckruf verpflichtet. Darum hat Joachim Gauck eben seine Sicht der „Erschütterungen“, die die Demokratie bedrohen, in Buchform vorgelegt. Genauer gesagt handelt sich um eine Kaskade dramatischer Weckrufe. Unterstützt von der Publizistin und Journalistin Helga Hirsch, kann Joachim Gauck seine immense, differenzierte Erfahrung zur Geltung bringen. Er arbeitete ja viele Jahre in der damaligen DDR als Pastor. Er war aktiv im öffentlichen Widerstand gegen die SED-Diktatur, dann Abgeordneter in der freien Volkskammer, von 1990 bis 2000 Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen und schließlich elfter Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland. Dieser sensibel geschulte Blick auf die Demokratie wird in dem Buch nicht umgesetzt in freundliches, positives Pathos – was man sonst von einem ehemaligen Präsidenten so erwarten würde –, sondern in die höchst dramatische Warnung vor der Gefährdung der Demokratie.
Viele Fragen treiben Gauck um: Zweifel an der Bereitschaft zur Verteidigung der Demokratie, Zweifel an den Werten der westlichen Demokratie, das Gefühl der Bedrohung durch die aktuellen Krisen. Gauck ist erschrocken über die vielen Gewaltausbrüche , über die reaktionären, verfassungsfeindlichen Aktivitäten. Und er bedauert, wie endlich unsere Möglichkeiten sind, die Vitalität der Demokratie zu sichern.
Das Buch ist anregend. Es liest sich feinsinnig, gut und angenehm, ohne die üblichen Kopfschmerzen durch komplizierte Formulierungen. Gauck nimmt uns locker mit auf die Pfade der Problemerkenntnis. Er nennt in seinem Buch einen Zweifel nach dem anderen im Blick auf die Stabilität der Demokratie: Ist unsere Gesellschaft überhaupt bereit, die Demokratie entschlossen zu verteidigen? Warum fehlt uns das Bewusstsein von der Kraft unserer Werte? Warum entwerfen Politiker und Intellektuelle geschönte Wirklichkeiten? Dann gesteht Gauck ein: „Wir beginnen zu begreifen – spät, aber immerhin.“ Große Teile der Beispiele entnimmt Gauck der Ostpolitik. Er wirft den Deutschen Realitätsblindheit vor und kann dafür sofort die Wahrnehmungslücken benennen.
Vor diesem Hintergrund beschreibt Gauck, wie er am 27. Februar 2022 auf der Besuchertribüne des Deutschen Bundestages saß und die große Ankündigung des Bundeskanzlers von der „Zeitenwende“ vernahm. Dass dabei aber das „Wohin?“ fehlte, sei ihm auch erst recht spät aufgegangen. So beschreibt er dann die Demokratie als ein „System der ungesicherten Gewissheiten“. Wörtlich formuliert er: „Ich sehe mit Erschrecken, dass hier eine Querfront entsteht, die die ‚Misstrauensgemeinschaft‘ unzufriedener Bürger zum Reservoir einer systemfeindlichen Politik machen könnte.“
Wenn künftige Historiker nach erklärenden Überschriften für die aktuelle Ära suchen, dann werden sie sie wohl – auch nach der Lektüre des Gauck-Buches – als „Epoche der Konfusion“ bezeichnen. Sehnsucht nach Orientierung bietet die kulturelle Grundierung für jene Ratlosigkeiten, Irritationen und fehlenden strategischen Perspektiven. Man könnte ja auch von geistiger Not sprechen.
Da ging es früheren Epochen viel besser – auch im Pro und Contra. Die Ära Adenauer war mit Wiederaufbau und Westbindung voll beschäftigt, die Ära Brandt mit Demokratisierung und Ost-West-Entspannung, die Ära Kohl mit Europa und deutscher Einheit, die Ära Merkel mit permanentem Krisenmanagement. Und jetzt? Da werden „Machtworte“ gesprochen – man weiß aber nicht genau, „wozu“.
Mit einigen freundlichen Zurufen wird wohl niemand aus dieser politisch-kulturellen Not befreit. In dieser Stimmungslage ist auch Joachim Gauck nicht anzutreffen. Er ruft auf zu einem starken Engagement für die Freiheit in der Demokratie, für das Vertrauen in die Träger der politischen Verantwortung, für die Zustimmung zur demokratischen Pluralität. Und er verbirgt auch nicht seine Sehnsucht nach charismatischen Führungspersönlichkeiten.
Gauck appelliert aber auch, die Kraft der Zuversicht nicht zu vernachlässigen. Wie sollen nun aber die einzelnen strategischen Schritte, die notwendig sind, konkret aussehen? Gauck selbst teilt mit, es gehe nicht nur darum, von solch positiven Perspektiven zu träumen. Aber dann lässt er uns doch allein bei der Suche nach der konkreten Verwirklichung. Man ist als Leser geneigt, Gauck zuzurufen: Vielen Dank für die Schärfung des Problemhorizonts. Aber bei der Suche nach der dringenden, konkreten Strategie zur Problemlösung dürfen Sie uns nun nicht alleinlassen.
WERNER WEIDENFELD
Werner Weidenfeld ist Direktor des Centrums für angewandte Politikforschung der Universität München.
Joachim Gauck,
Helga Hirsch:
Erschütterungen.
Was unsere Demokratie von außen und innen bedroht. Siedler-Verlag,
München 2023.
240 Seiten, 24 Euro.
E-Book: 20,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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»Das neue Buch von Altbundespräsident Joachim Gauck ist eine Kaskade von Weckrufen an die Politik. Die Krise der Demokratie wird scharf und schmerzhaft analysiert.« Süddeutsche Zeitung, Werner Weidenfeld