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In Syrien sind innerhalb eines Jahres 34 Journalisten getötet worden. Solche Gefährdung hat Rupert Neudeck nicht davon abgehalten, sich mit seinen "Grünhelmen" in diesem Land, das in einen gnadenlosen Bürgerkrieg versunken ist, zu engagieren. In seinem Tagebuch ("Es gibt ein Leben nach Assad". Verlag C. H. Beck, München 2013. 192 S., Abb., geb., 14,95 [Euro]) schildert er nicht nur die schwierigen Umstände, unter denen sich seine Hilfsorganisation im Norden Syriens, in Azaz und Tal Rifaat, in den Provinzen Aleppo und Idlib nahe der türkischen Grenze, betätigte, sondern auch die Eskalation der Kämpfe, die das Land nun seit zweieinhalb Jahren heimsuchen.
Neudeck, Gründer der Hilfsorganisation "Komitee Cap Anamur" und auf vielerlei Krisenschauplätzen - Afghanistan eingeschlossen - präsent, deckt mit seinem syrischen Tagebuch ungefähr ein Jahr ab, vom Juli 2012 bis zum Sommer dieses Jahres. Damals reisten seine Mitarbeiter über die Türkei nach Nordsyrien ein - in befreites Gebiet. Die Rebellen begannen mit dem Aufbau einer notdürftigen Verwaltung und Infrastruktur. Auch in Deutschland hofften die Helfer und der Tagebuchschreiber, das Assad-Regime stehe kurz vor dem Zusammenbruch. Doch als drei Mitarbeiter entführt wurden (zwei kamen wieder frei), war selbst für Neudeck der Boden zu heiß geworden.
Sein Tagebuch beschreibt auch, wie aus friedlichen Protesten von Teilen der Bevölkerung ein Aufstand wurde, der schließlich seine eigenen Gesetze entwickelte. Ein Bürgerkrieg entlang der Grenzen der Konfessionen (Sunniten gegen Alawiten) wurde entfacht, in dem auch mehr und mehr geostrategische Erwägungen eine Rolle spielten - jedenfalls bei all jenen Mächten, die ihre eigenen Interessen in Syrien durchsetzen wollen. Dies, unter anderem, ist nach Neudeck ein gravierender Unterschied zur Erhebung gegen den libyschen Obersten Gaddafi, für dessen politisches Schicksal sich - anders als im Falle des Baschar al Assad - niemand mehr interessierte. Die syrische Armee bombardiert ohne jegliche Skrupel Wohngebiete, und Dschihadisten aus nahöstlichen Ländern (einige auch aus Deutschland) entführen Ausländer.
Besonders bedrückend ist, dass sich ein Phänomen wiederholt, das auch im libanesischen Bürgerkrieg auftrat: dass schlicht kriminelle Elemente aus der Unterwelt zerstören, rauben und morden oder Lösegeld erpressen. In einem Nachwort zweifelt Neudeck daran, dass die Politik des Westens, die zu einer Polarisierung zwischen Russland und Iran einerseits, Saudi-Arabien und Qatar andererseits führte, klug war. Doch wie ein Leben nach Assad, der augenblicklich militärisch und politisch sogar manche Erfolge einheimst, aussehen könnte, weiß auch er nicht zu sagen.
WOLFGANG GÜNTER LERCH
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
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