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Hure, Heilige, Idol?
Eine Frau, die noch faszinierender war als ihr Mythos
Evita, die idealisierte Gestalt des großen Musicals, Heilige der besitzlosen Massen, skrupellose Intrigantin für ihre Gegner: Wer war diese Frau wirklich, die aus ärmlichsten Verhältnissen stammte und bei ihrem Tod mit ganzen 33 Jahren als eigentliche Herrscherin Argentiniens gelten konnte? Beharrliche Recherche und sensible Annäherung verbinden sich in dieser definitiven Biographie zum Bild einer Frau, die faszinierender war als ihr eigener Mythos.
»Diese Biographie ist kein sprödes Geschichtsbuch, ein
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Produktbeschreibung
Hure, Heilige, Idol?

Eine Frau, die noch faszinierender war als ihr Mythos

Evita, die idealisierte Gestalt des großen Musicals, Heilige der besitzlosen Massen, skrupellose Intrigantin für ihre Gegner: Wer war diese Frau wirklich, die aus ärmlichsten Verhältnissen stammte und bei ihrem Tod mit ganzen 33 Jahren als eigentliche Herrscherin Argentiniens gelten konnte? Beharrliche Recherche und sensible Annäherung verbinden sich in dieser definitiven Biographie zum Bild einer Frau, die faszinierender war als ihr eigener Mythos.

»Diese Biographie ist kein sprödes Geschichtsbuch, ein Roman könnte kaum fesselnder sein.« Süddeutsche Zeitung

»Eine historisch fundierte Biographie; Dujovne Ortiz gibt einen Einblick in den kuriosen Prozess der Legendenbildung.« Frankfurter Rundschau

Autorenporträt
Alicia Dujovne Ortíz, geboren in Buenos Aires, lebt seit 1978 in Frankreich. Ihre Buchveröffentlichungen umfassen Gedichtbände, erzählende Prosa und Biographien. Sie schrieb regelmäßig Beiträge für das Feuilleton großer südamerika nischer und europäischer Zeitungen, besonders für »Le Monde«.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.02.1997

Heldin der Hemdlosen
Das Leben der Eva Perón · Von Walter Haubrich

"Hure oder Heilige" - zu Eva Duarte de Perón paßt keines dieser so gern gebrauchten Klischees. Als Hure wurde die zweite Frau des dreimaligen Präsidenten Argentiniens, General Juan Perón, von den Angehörigen der argentinischen Oberschicht beschimpft. Den reichen und feinen Leuten in Buenos Aires hatte Eva Perón einen Teil ihrer vielen Privilegien genommen; für die Verdammung ihrer politischen Feindin genügte es ihnen, daß Eva als junge, vom Land gekommene Schauspielerin sich in ihrer Karriere auch zu den damals üblichen sexuellen Gefälligkeiten gezwungen sah. Von der armen Bevölkerung, der ausgebeuteten Arbeiterschaft Argentiniens wurde Evita als Heilige verehrt. Die war sie gewiß auch nicht.

Die außereheliche Tochter des Grundbesitzers Duarte und einer in Armut lebenden Mutter aus der argentinischen Provinz war eine Vollblutpolitikerin, eine begnadete Rednerin und in ihrer Ausstrahlung auf die Massen allen anderen Volkstribunen, nicht nur Südamerikas, überlegen. Sie verfolgte manchmal bedenkenlos und immer gradlinig ihr politisches Hauptziel, und das war kein anderes, als den Armen ihres Landes zu einem menschenwürdigen Leben zu verhelfen. Dafür tat sie alles, um ihre eigene Macht und die ihres Mannes, des Präsidenten, zu erhalten, und war dabei nicht wählerisch in ihren Mitteln. Eva Duarte hat nur um zwei Dinge mit unermüdlichem Engagement und vollem Einsatz gekämpft: Als junges Mädchen wollte sie eine berühmte Schauspielerin werden, als Politikerin den Armen, den descamisados, mehr soziale Sicherheit geben.

Diese "Hemdlosen", wie man die Arbeiter Argentiniens nannte, waren vor allem wegen Eva Duarte zu Peronisten geworden. Der frühe Tod Evas - sie starb im Juli 1952, nur 33 Jahre alt, an Krebs - läutete das Ende der ersten peronistischen Dekade ein. Juan Perón hatte zwar immer die Grundlinien der Politik und ihre populäre antiamerikanische Ausrichtung bestimmt, die peronistische Staatstheorie ist sein Werk; doch erklärt, für Millionen Menschen verständlich gemacht, wurde diese Politik von seiner Frau, die wie niemand sonst mit dem damals einflußreichsten Medium, dem Radio, umzugehen verstand. Zum Ideal der Massen, zur Heiligen der Hemdlosen, wurde Evita, wenn sie ein Mikrofon in die Hand nahm. Nach ihrem Tod wurde sie immer mehr zur Symbolfigur der peronistischen Diktatur. Die später zur terroristischen Organisation entartete Guerrillabewegung der Montoneros machte sie zur Standarte in ihrem Kampf gegen Rechtsperonismus, Oligarchie und Militärdiktatur. "Si Evita viviría, sería montonera", hieß einer der Slogans der Montoneros. Wenn Evita 1973, als Perón seine dritte Präsidentschaft antrat, noch am Leben gewesen wäre, wäre sie vielleicht Montonera geworden, hätte mitgekämpft gegen Korruption und Totschlägerei im rechten peronistischen Lager. Doch damals war Eva Perón nur noch eine - allerdings wichtige - einbalsamierte Leiche, die von Feinden und Freunden auf einen langen Irrweg durch die Welt gezwungen wurde, bevor sie auf dem Recoleta-Friedhof in Buenos Aires ihre letzte Ruhe fand.

Über die mächtigste Frau der argentinischen Geschichte ist nach ihrem Tod viel geschrieben worden, längst bevor ein Musical und der jetzt angelaufene Film Alan Parkers mit Madonna und Antonio Banderas das Interesse an Eva Perón in Europa und in den Vereinigten Staaten wieder wach werden ließen. Madonnas "Evita" - der amerikanische Film stützt sich auf das Libretto des Musicals - begnügt sich mit einer Operettenfigur, die wenig mit der Politikerin, der historischen Eva Perón zu tun hat. In Argentinien wurde in aller Eile ein Evita-Film gedreht, der sich mehr um historische Treue bemüht und in Ester Goris eine bemerkenswerte Hauptdarstellerin gefunden hat. Die Argentinier schätzen den "einheimischen" Evita-Film höher ein als die amerikanische Superproduktion.

In Deutschland sind jetzt zwei Romanbiographien und eine dokumentarisch belegte Lebensgeschichte erschienen. Die Biographie schrieb die in Frankreich lebende Journalistin und Lyrikerin Alicia Dujovne Ortíz, Tochter eines ehemaligen argentinischen Kommunistenführers, der ein erbitterter politischer Gegner des Ehepaars Perón war. Doch bemüht sich die Autorin durchaus um Objektivität, mehr als viele der früher erschienenen Biographien, unter denen es so unseriöse Pamphlete gibt wie "Die Frau mit der Peitsche", geschrieben von einer gewissen Mary Main, das zur wichtigsten Quelle für die Autoren des Musicals wurde. Alicia Dujovne hat viel gelesen - die lange Bibliographie fehlt leider in der deutschen Ausgabe - und mit vielen Menschen, die Evita gut kannten, gesprochen. Sie hat in Eva Duartes Geburtsort Junín recherchiert, ist der jungen Radiosprecherin durch die kleinen Theater, die Cafés, in denen sich die jungen Schauspielerinnen mit älteren, wohlhabenden Herren zu treffen pflegten, und die armseligen Pensionen gefolgt. Sie hat sich mit den Ideen der Politikerin Eva Perón auseinandergesetzt. Aus einer so gründlichen Recherche hätte eigentlich ein besseres Buch werden können.

Die Autorin hätte das Material straffen, unwichtige Details weglassen und auf ihre politischen Diskurse verzichten sollen, zumal wenn diese sich, wie bei Peróns Beziehungen zu den nach Argentinien geflüchteten deutschen Nazis, vor allem auf nicht gerade zuverlässige Zeitungsberichte stützen. Der Leser muß, um über Evitas Lebenslauf Neues zu erfahren, zuviel politische Meinung der Autorin schlucken. Lob verdient Alicia Dujovne dafür, daß sie über nicht sicher belegte Ereignisse im Leben Evitas die verschiedenen Versionen mitteilt und sich für eine bestimmte Version nur entscheidet, wenn eigene Nachforschungen ihr einen hohen Wahrscheinlichkeitsgrad geben. Das Buch, nicht gerade in einem brillanten Spanisch geschrieben, hat in der offensichtlich schnell angefertigten Übersetzung sprachlich noch verloren. Es ist keine unterhaltsame Lektüre, doch wohl auf deutsch - da Marysa Navarros Biographie nicht übersetzt ist - die beste Quelle, um sich über das Leben der Frau, die viele Argentinier für die geistige Führerin ihrer Nation hielten, zu informieren.

Die beiden übersetzten Evita-Romane stammen von zwei in Argentinien sehr bekannten Schriftstellern. Abel Posse schrieb "Evita, der Roman ihres Lebens" (im Original "La pasión según Eva"), Tomás Eloy Martínez "Santa Evita". Posse hat als Diplomat in zahlreichen Ländern mit viel Eifer für sein literarisches Werk geworben, das allerdings noch immer sehr umstritten ist. Daß ihm der angesehene und hochdotierte Rómulo-Gallegos-Preis in Venezuela verliehen wurde, gilt vielen als die Fehlentscheidung in der imposanten Liste der Preisträger. Seine Romane über die Entdeckung und Eroberung Amerikas erregten vor allem Aufsehen wegen ihrer absurden, oft populistischen Thesen. Vorwiegend demagogisch waren seine pompösen Äußerungen im Jubiläumsjahr 1992. Als Botschafter hatte er der Militärdiktatur wie der heutigen Demokratie gedient. Opportun, zur rechten Zeit, kam auch sein Roman über Eva Perón auf den Markt.

Als ein biographisches Chorwerk und als Gruppenbiographie bezeichnet Posse im Vorwort sein Buch. Den Chor soll das argentinische Volk bilden. Posse reiht Impressionen aus dem Leben in Buenos Aires jener Jahre, von Evitas Träumen, Tun und Sterben aneinander und läßt Menschen aus ihrer Umgebung reden. Herausgekommen ist ein geschickt konstruierter Roman, der zwar keine Langeweile aufkommen läßt, aber weder Interessantes noch Wichtiges über Eva Perón und ihre Zeit mitzuteilen hat. Gewiß schreibt Posse besser, als es die Übersetzung vermuten läßt, doch es gibt keinen literarischen Grund, um diesen schnell und lieblos verfertigten Beitrag zum Evita-Boom zu lesen.

Auch der Roman "Santa Evita" von Tomás Eloy Martínez wurde in Argentinien nicht aus vorwiegend literarischen Gründen zu einem Bestseller. Martínez, ein dreiundsechzigjähriger, an einer nordamerikanischen Hochschule lehrender Argentinier, ist einer der interessanteren Autoren der derzeit nicht gerade aufregenden Literaturszene seines Landes. Im literarischen Betrieb ganz Lateinamerikas gut bekannt, konnte Martínez seinem Verlag eher nichtssagende, doch sein Buch eifrig lobende Äußerungen von drei Großen der hispanoamerikanischen Literatur - García Márquez, Fuentes und Vargas Llosa - für die Werbung schicken. Mit "La novela de Perón", einem biographischen Roman über den Präsidenten und Ehemann Evitas, hatte Martínez schon vor zehn Jahren im Land der Peronisten einen beachtenswerten Erfolg. "Santa Evita" macht ihn jetzt in der übrigen Welt bekannt.

Martínez war früher ein vielgelesener Journalist, der Mut vor Diktatoren bewies. "Santa Evita" verdankt der journalistischen Recherche viel, wenn sich in dem Roman dann auch Tatsachen und Fiktion ständig mischen, Wahrheit und Erfindungen geschickt miteinander verknüpft werden. Der Autor gibt kleine, nicht gleich erkennbare Hinweise für den Leser, durch die dieser erfährt, wo die Phantasie sich von den historisch belegten Ereignissen löst. Die Hauptfiguren des Romans sind historische Personen: neben Eva, dem General und dem Geheimdienstoberst Moori Koenig treten Pedro Ara, der spanische Meister in der Kunst des Einbalsamierens, und der Autor Martínez selbst auf. Die Handlung wird häufig an überraschende Schauplätze wie Sankt Pauli, Bad Godesberg oder das bayerische Altmühltal verlegt. Evitas einbalsamierter Leichnam - oder dessen Imitation - verhext Oberst Koenig und treibt ihn auf rastlose Irrwege über deutsche Landstraßen.

Tomás Eloy Martínez hat einen ambitionierten Roman geschrieben. Er läßt den Leser an der Entstehungsgeschichte seines Buches teilnehmen, macht sein literarisches Instrumentarium, zu dem Borges und García Marquez manches beigesteuert haben, hin und wieder sichtbar, um es dann wieder zu verbergen. Seine literarische Bildung will Martínez - das ist übrigens sein Familienname, nicht Eloy, wie manche angeblichen Experten für hispanoamerikanische Literatur in Deutschland meinen - nicht verleugnen. Die ausführlichen Berichte über die Mühen des Autors bei seinen jahrelangen Recherchen haben zwar die Funktion von Bindegliedern in der Struktur des fast mathematisch konstruierten Romans; der Verzicht auf diese anstrengenden Selbstreflexionen hätte allerdings den von Peter Schwaar glänzend übersetzten Text gestrafft und die Lektüre etwas weniger ermüdend gemacht.

Alicia Dujovne Ortíz: Evita Perón". Die Biographie. Aus dem Spanischen übersetzt von Petra Strien-Bourmer. Aufbau-Verlag, Berlin 1996. 433 S., geb., 49,90 DM.

Abel Posse: "Evita". Der Roman ihres Lebens. Aus dem Spanischen übersetzt von Susanne Lange. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 1996. 408 S., geb., 39,80 DM.

Tomás Eloy Martínez: "Santa Evita". Roman. Aus dem Spanischen übersetzt von Peter Schwaar. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1997. 430 S., geb., 48,- DM.

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