Dass das historische Exil der Jahre 1933 bis 1945 einen zentralen Platz im kulturellen Gedächtnis beanspruchen sollte, ist seit den späten 1960er Jahren ein zentrales Anliegen der deutschen Exil(literatur)forschung. Am Beginn des 21. Jahrhunderts, an dem es kaum noch Zeitzeugen des Nationalsozialismus und des durch ihn erzwungenen Exils gibt, stellt sich die Frage nach den Foren und Formen eines solchen Erinnerns mit neuer Dringlichkeit. Sollen die in Archiven gesammelten historischen Dokumente und Zeugnisse zum Sprechen gebracht werden, müssen sie immer auch mit aktuellen Debatten und Kontexten vermittelt werden. Auf diese Weise erhalten auch Texte der 'klassischen' Exilliteratur einen Platz in den Lebens- und Lesewelten einer jüngeren Generation. Dieser Band versammelt Beiträge zu unterschiedlichen Aspekten des Verhältnisses von Exil und Literatur, die im Rahmen eines Studientags der Walter A. Berendsohn Forschungsstelle für deutsche Exilliteratur an der Universität Hamburg vorgestellt wurden. Neben der Beschäftigung mit Texten von Lion Feuchtwanger, Nelly Sachs, Oskar Maria Graf, Hilde Domin, Mascha Kaléko und Jenny Aloni, die alle als Zeitzeuginnen und -zeugen des Exils 1933–1945 gelten können, ist eine Ausweitung des Gegenstandsbereichs für den Band programmatisch, indem zum Beispiel die Dichtung Heinrich Heines ausdrücklich als Exilliteratur behandelt wird. Darüber hinaus werden Bezüge zu theoretischen Texten, etwa in Beiträgen über die Figur des Flüchtlings bei Hannah Arendt und Giorgio Agamben sowie über Walter Benjamins Begriff der Übersetzung, aufgeworfen und diskutiert.