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Subtilität ist hier nicht zu erwarten: Sven Reckers Fake-News-Roman ist Fake-Literatur
Wer die Binsenweisheit einer Antinomie von Wahrheit und Krieg auf 130 Seiten streckt, zeigt vor allem, dass die Subtilität das erste Opfer des interessengeleiteten Romans ist. Warum das geschieht, ist indes nicht zu erkennen. Sven Recker, ein ehemaliger Sportjournalist, der heute in Krisenregionen Journalisten schult und sich nebenbei als Autor versucht (vor drei Jahren fiel er mit Karacho beim Bachmannwettbewerb durch), springt mit seiner so schütteren wie saftigen Fake-News-Novelle lediglich auf den Richtung Abgrund rasenden Zug der totalen Medienkritik auf.
Dass dabei die Geschichte eines abgehalfterten, versoffenen Pseudo-Journalisten erzählt wird - nach einem Aufenthalt im Libanon, wo er zum Hochstapler wurde, fälscht Peter Larsen im Berliner Umland audiovisuelle Berichte über den Krieg in Syrien -, ist nicht das Problem. Das gibt es ja tatsächlich, wie zuletzt der Fall des angeblichen Kriegsfotografen Eduardo Martin gezeigt hat. Reckers Protagonist steht überdies in einer langen Reihe von literarischen Dekadenzfiguren. An einer solchen Gestalt ließen sich trefflich Überlegungen zum Verhältnis von Dichtung, Wahrheit und Stil anstellen, man denke nur an Tom Kummer, der nach erfundenen Interviews den einen als Fälscher galt, den anderen als "Borderline-Journalist". Und für begründete Medienkritik gibt es wahrlich Anlass genug.
Das Problem besteht darin, in welch klischeehafter Weise hier auf allen Ebenen vorgegangen wird. Peter Larsen, die "Mediennutte", soll uns als extremer, aber eben doch typischer, sogar in gewisser Weise ehrlicherer Vertreter seiner Zunft erscheinen, weil er innerhalb eines bis ins Mark zynischen, verlogenen, kaputten Systems nur eine Nachfrage bedient, ohne sich selbst dabei für einen Helden der Aufklärung zu halten. Lange kommt der Protagonist, dem der Exil-Syrer Ahmad zuarbeitet, damit durch, bis er tatsächlich in Syrien landet und die Gegenseite ihn mit der Drohung, den Betrug auffliegen zu lassen, zu ihrer eigenen Waffe umpolt. Lange ziert sich der Deutsche nicht. Wieder hagelt es Likes, Follower und Anerkennung, und wir sollen wohl sehen, wie wenig vertrauenswürdig all das ist, was da durch die Medien zu uns gelangt, ganz egal ob über Facebook, Verschwörungs-Blogs oder etablierte Nachrichtenportale. Das vorhersehbare Finale scheint zwar für ein wenig Ausgleich zu sorgen, aber da wissen wir längst, dass die Entlarvung der Lüge noch nicht Wahrheit ist.
Wie steht es bei solch inhaltlicher Banalität um den literarischen Wert des Buches? Nicht besser, muss man sagen. Die Figuren sind allesamt eindimensional und dazu noch küchenpsychologisch übererklärt: "Larsen glaubt, er wär Pazifist, in Wahrheit hat er nur Angst vor dem Hass tief in sich drin." Der lakonische Ton und die ultrapersonale Perspektive sind in einer Art Selbstinfektion an die emotional-reißerische Weise angelehnt, in der Larsen angeblich seine Augenzeugen-Berichte anfertigt. Das ist (leider ohne sich als Ironie zu erkennen zu geben) der billige, distanzlose, affektgesteuerte Stakkato-Stil aus hingerotzten Hauptsätzen, wie er heute, an Journalistenschulen als "lebendig" und "realitätsnah" gelehrt, unzählige Reportagen verunziert: "Larsen macht Lärm, das kann er ganz gut. Im Vergessen ist er sogar noch besser, die Demut, die Erinnerung an den Keller ist weg. Es wird Frühling in Damaskus, Larsen hat, was er will. Jeden Tag 100 neue Follower auf Twitter, Applaus von allen Seiten, nur die Opposition beschimpft ihn wie wild." Im Vergessen ist zum Glück auch der literarische Betrieb ganz gut. Von diesem Schnellschuss wird nichts bleiben.
OLIVER JUNGEN.
Sven Recker: "Fake Metal Jacket". Roman.
Edition Nautilus, Hamburg 2018. 128 S., geb., 18,- [Euro].
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