Mit dem Begriff Festbeschreibung wird ein breites Spektrum von Phänotypen zusammengefasst (Neue Zeitung, lateinisches Epos, Pritschmeisterdichtung, Anthologie diverser Textsorten, illustriertes Diarium), deren gemeinsame Funktion die Vermittlung des höfischen Festes unter zeremoniellen Gesichtspunkten ist. Die Studie zeigt, dass die Topik der Festbeschreibung - im Gegensatz zur Überwältigung der Sinne im Fest - auf eine deutliche Reduktion der sinnlichen Komplexität zielt und allein zeremoniell bedeutsame Zeichen, Handlungen und Namen in den Blick nimmt. Die Funktion der Festbeschreibung wird im Kontext der Wirkungsästhetik des Zeremoniells bestimmt, die sich anhand der Zeremoniellwissenschaft des frühen 18. Jahrhunderts rekonstruieren lässt. Die Untersuchung der Paratexte fokussiert das aporetische rhetorische Selbstverständnis der Textsorte zwischen den Stilansprüchen von Casualrhetorik und Historiographie.
Nach einer überblicksartigen Darstellung von Topik und Disposition der Festbeschreibung, die neben dem Text auch Typographie und Illustrationen berücksichtigt, konzentriert sich die Studie auf die Konstituierungsphase der Textsorte im 16. Jahrhundert und ihre topische Revision im späten 18. Jahrhundert: Am Beispiel der Münchener Fürstenhochzeit von 1568 und der Berliner Doppelhochzeit von 1793 werden exemplarisch vier Beschreibungen analysiert, die auf unterschiedliche Weisen das Fest als Utopie entwerfen. Das umfangreiche, kommentierte Verzeichnis der Hochzeitsbeschreibungen im Anhang erschließt detailliert auch die Ausstattung der Drucke.
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Thomas Rahn feiert die höfischen Feste, wie sie fallen
Nicht aus jedem Sommermärchen wird auch in der Nacherzählung ein zweites Mal ein Erlebnis. Wer Feiern medial konservieren will, muss die Affekte seiner Betrachter und das gewählte Medium gut einschätzen können, um Rhetorik und Bildsprache wirksam einzusetzen. Oft genug schlägt es fehl; Langeweile und Ernüchterung drohen beim Wiederaufblättern der Erinnerungen. Repräsentationen und Reinszenierungen sind heikel, aber das Vergessen wäre aus mancherlei Gründen noch fataler. Wo heute Vergangenes unter wirtschaftlichen Prämissen aufgewärmt wird, fand die Fest-Memoria in der Frühen Neuzeit vor allem aus politischen und dynastischen Motiven statt: Man stand in einem permanenten Repräsentationswettstreit. Der Berliner Germanist Thomas Rahn hat ein kluges Buch über gedruckte Festbeschreibungen geschrieben und analysiert auf ungewöhnliche Weise die damaligen Medienstrategien.
Rahns Anliegen ist, eine bestimmte Gattung höfischer Feste in ihrer Überführung in das dauerhafte Medium des frühneuzeitlichen Buchdrucks zu beobachten. Welche Normen und Verfahren gab es? Man kann die Dichte und Originalität dieser mediengeschichtlichen Arbeit kaum hoch genug einschätzen. Die Gattungen, denen sich Rahn widmet, sind wohlvertraut und werden von Historikern vielfach benutzt, aber Rahn entdeckt an Krönungsdiarien, Funeralwerken, Hochzeitsbeschreibungen und Beschreibungen religiöser Feste vielfach neue Seiten. Zieht man Fußnoten, Bibliografie und Bilder vom Buch ab, bleibt ein glänzend formulierter Essay von rund hundert Seiten. In diesem argumentiert Rahn anhand des Beispiels der höfischen Hochzeiten und nimmt die Absicht der Produzenten ernst, restlos alles aus dem Textmodell herauszuholen, was den Leser beeindrucken könnte.
Wie es gehen könnte, erfährt der Leser nicht als Entwicklungsgeschichte, sondern topisch geordnet, aber in geradezu essayistischem Ton. Rahn analysiert philosophische, politische und ästhetische Zugänge seiner Akteure. Ihre Aufgabe war, visuelle, akustische und bisweilen auch olfaktorische Reize des Ereignisses, die sich zudem in dessen Verlauf ständig wandelten, in die Statik eines Buches zu übertragen. Pracht wurde beschworen und bilanziert, die Phantasie der Leser angesprochen und durch Bild und Wort gelenkt; die Braut gerät zu einer "Erdbeere", das fürstliche Gehäuse der Macht wird zu einem "Zuckerschloss", um dem Leser die Festbeschreibung zu versüßen. Die Vielzahl der Deutungsmöglichkeiten zeremonieller Zeichen, so Rahn, musste aber reduziert werden, sollte die Überwältigungsstrategie medialen Erfolg bei den Adressaten haben. Denn der Beobachter kann auch durch ein Überangebot korrumpiert werden, die Klarheit der Codes droht zu verwässern.
Dafür wurde viel Aufwand getrieben, in Buchformaten ausgedrückt, könnte man sagen: Großfolio durfte es gerne sein. Die Beschreibungen verbanden protokollarische Exaktheit, die leicht langweilig werden konnte, mit sprachlichen und visuellen Abstraktionen. Wo medial das Ereignis nicht einzuholen war, wurde doppelbödig an das Vorstellungsvermögen der Leser appelliert. Auf keinen Fall durfte der Eindruck der Kläglichkeit entstehen, und wenn doch, dann war diese dem Medium oder dem Rezipienten zuzuweisen, niemals aber dem fürstlichen Ereignis anzulasten. Denn dessen Glanz legitimierte sich theologisch und politisch. Jedes Fehlschlagen, jede Relativierung von Repräsentation war nicht nur poetisches Versagen, sondern Bedrohung einer Ordnung, in der die herrscherliche potestas mit jener von Gott und Natur konkurrierte.
Selten reflektierten jene Praktiker, die die Festbeschreibungen verfassten, selbst über ihre Strategien; meist waren es andere, die sich an einer Theorie der Festbeschreibung versuchten. Rahn montiert und komponiert seine Analyse aus verschiedenen Gattungen, zitiert mal Aufklärungsphilosophie, mal barocke Zivilitätsliteratur, dann wieder Kameralwissenschaftler und Hofjuristen. Alles fügt sich zusammen zu einer medienkritischen Analyse von prachtverherrlichenden Darstellungen mit einer affirmativen Topik. Wer es bei Rahn liest und sich dessen eigenem rauschenden Glissando hingibt, vergisst gar für einen Moment, wie schrecklich dröge und ungelenk die meisten seiner Quellen einen heutigen Leser anmuten.
MILOS VEC.
Thomas Rahn: "Festbeschreibung". Funktion und Topik einer Textsorte am Beispiel der Beschreibung höfischer Hochzeiten (1568-1794). Max Niemeyer Verlag, Tübingen 2006. 310 S., 25 Abb. auf Tafeln, geb., 78,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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Jill Bepler in: Zeitschrift für Historische Forschung, 3/2008
"...it is certainly a work that all researchers into court culture in the German-speaking world will have to read."
Helen Watanabe-O`Kelly in: Arbitrium, 1/2008