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Steven Uhlys neuester Streich ist ein Thriller
"Meine Romane sind wie U-Boote, die sich ihren Weg suchen, oder wie Labyrinthe, in denen der Ich-Erzähler stets Gefahr läuft, dass er sich darin verläuft - auch der Autor", hat der heute 56 Jahre alte Schriftsteller Steven Uhly gesagt. Nun hat er seinen siebten Roman vorgelegt, und wieder erfüllt der Autor die Erwartungen seiner Leserschaft. Auch in diesem Buch geht es grell und schrill zu, die Handlungsstränge verwirren sich labyrinthisch. Wer nicht höllisch aufpasst, kommt schnell vom (rechten?) Weg ab und verliert sich im Gestrüpp der Fabulierkunst Uhlys. Dessen Werke sind immer eine Berg-und-Tal-Fahrt durch tiefe Schluchten und luftige Höhen.
Schon der Titel, "Finsternis", kündigt diesmal an: Es wird nicht lustig oder burlesk oder gar eine Slapstick-Komödie wie in früheren Werken - diesmal wird es düster und beklemmend. Familiengeschichten bilden bei Uhly fast immer den Kern des Geschehens. Aber Vorsicht: In diesen Geschichten geht es nicht gemütlich zu, vielmehr führt der Wahnsinn Regie. Dabei ist die Phantasie des Autors grenzenlos. Er kramt nicht in seinen persönlichen Familiengeschichten, sondern er konstruiert die irrsinnigsten Verwicklungen, in denen die Skala von Vergewaltigung bis Mord reicht.
In "Finsternis" stehen drei Personen im Zentrum: Abid Malik, ein junger Kriminalbeamter, der aus Kaschmir kommt, sein deutscher Kripo-Kollege Jan West, ein erfahrener Beamter, und die Polizeitherapeutin Ruth. Uhly liebt Gedankenspiele, er liebt aber auch Formspiele. Für diesen Roman hat er sich entschieden, die Gesprächsform zu wählen. In zwölf Gesprächen fragt die Therapeutin Malik aus, was zwischen ihm und Jan West bei der Aufklärung eines Mordfalls vorgefallen sei. Beim ersten Gespräch ist Malik noch in Freiheit, die Therapeutin noch im Polizeidienst. Beim zwölften Gespräch hat sich die Welt gedreht.
Ausgangspunkt für die Gespräche ist der Mord an einer Frau, die fast nackt in einer Berliner Parkanlage gefunden wird. Bald stellt sich heraus, dass die Tote zu einer aktiven sadomasochistischen Szene gehörte, ein Video der Toten taucht auf, in dem sie dazu auffordert, sie möchte so brutal penetriert und gefoltert werden, dass sie daran zugrunde gehe. Und nun legt Steven Uhly ungehemmt los. Die beiden Kripobeamten ermitteln heimlich die Identität der Toten: Es ist die Mutter von West. Der wurde von einer Schwester der Toten großgezogen, im Glauben, diese sei seine echte Mutter. Es gibt noch eine weitere Schwester, gemeinsam flohen sie aus der DDR. Je tiefer man in diese Familie blickt, desto finsterer wird es.
Uhly spart nicht mit zahlreichen Seitenthemen, um sein Labyrinth möglichst undurchdringlich zu gestalten. Die Gespräche mit der Therapeutin geben die Struktur dafür vor, wie sich langsam das Mordgeschehen aufhellt. Malik bekräftigt seine Aussagen unaufhörlich mit dem Wort "korrekt", die Therapeutin liebt das Wort "okay". Das nervt, zumal bei einem Autor, der so gewandt und elegant mit der Sprache umzugehen versteht.
Gegen Ende des Gesprächsromans lichten sich die dunklen Stellen. Jan West steht hoffentlich vor seinem richtigen Vater, der auch aktiv praktizierender Sadist ist, Malik ist dabei, um West zu schützen. Da passiert es (Uhly schreckt vor nichts zurück): Malik zieht seinen Polizeirevolver und erschießt den angeblichen Vater, um seinen Freund vor dem Vorwurf eines Vatermords zu bewahren. Bisschen dicke, dieser ganze Plot. Malik geht ins Gefängnis, West verschwindet aus dem Geschehen. Uhly, sonst um keine Girlande verlegen, scheint nichts mehr einzufallen, wo sein ödipaler Polizist nun abbleiben soll. Malik hat Zeit zum Nachdenken: Er brütet und brütet über den Fall, und plötzlich dreht er alles auf den Kopf. Es war ganz anders. Sicher ist nur, dass er einen Menschen erschossen hat und nach unseren moralischen Gesetzen zu Recht im Gefängnis sitzt, dabei ist er unter dem Personal des Romans die Figur, die moralisch am integersten ist. Das ist wiederum ein wenig schlicht. Vielleicht wäre der Psychothriller überzeugender gelungen, wenn der Autor seine Phantasie ein wenig gezügelt hätte. Weniger kann besser sein.
LERKE VON SAALFELD
Steven Uhly: "Finsternis". Roman.
Secession Verlag, Berlin 2020. 208 S., geb., 20,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
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