Es war eine Fernsehsensation des Jahres 1955 und ist unter Landrover-Enthusiasten immer noch Legende: Die große Oxford-Cambridge-Expedition nach Singapur. Auch heute wäre eine solche Reise noch sensationell. Tim Slessor und seine fünf Mitstreiter wussten zu Beginn nicht, ob ihr Plan von Erfolg
gekrönt sein würde. Der Zweite Weltkrieg war seit 10 Jahren vorüber und die alten Armeestraßen hatte sich…mehrEs war eine Fernsehsensation des Jahres 1955 und ist unter Landrover-Enthusiasten immer noch Legende: Die große Oxford-Cambridge-Expedition nach Singapur. Auch heute wäre eine solche Reise noch sensationell. Tim Slessor und seine fünf Mitstreiter wussten zu Beginn nicht, ob ihr Plan von Erfolg gekrönt sein würde. Der Zweite Weltkrieg war seit 10 Jahren vorüber und die alten Armeestraßen hatte sich der Dschungel längst zurückgeholt, zumindest wusste niemand, in welchem Zustand sie sich wirklich befanden. Es war also ein gewaltiges Risiko, das die sechs Jungs eingingen.
Kein Risiko gingen sie allerdings bei der generalstabsmäßigen Planung ein. Die Geländewagen waren genauso gesponsert (und bei Landrover expeditionstauglich umgerüstet worden) wie das Benzin, das Schreibpapier, die Kidneybohnen, die Reifen, die Zigaretten, der Pulverkaffee, die Film- und Fotokameras und die Reiseapotheke. Die Sponsorenliste füllt drei Seiten. Es ist ein frühes Beispiel für unverkrampftes Product Placement, denn den Spendern war völlig klar, dass das Unternehmen Aufsehen erregen würde. Die BBC hatte die Übertragungsrechte gekauft. David Attenborough war der Programmleiter.
Ihr Ruf eilte der Expedition stets voraus. Wo sie ankamen, wurden die Jungs hofiert wie Charles Lindbergh bei seinem Atlantikflug. Sie bekamen Einladungen, wurden unter Honoratioren herumgereicht und das Backoffice in Großbritannien sorgte im Hintergrund für einen reibungslosen Ablauf bei der Visabeschaffung, den Medien- und Sponsorenkontakten. „First Overland“ war kein Studentenulk, der sich verselbständigt hatte, sondern eine professionell durchgeplante Expedition mit einem klaren Ziel: Singapur. Und möglichst kein eigenes Geld investieren.
Was den Bericht aus heutiger Sicht bemerkenswert macht, ist der reibungslose Ablauf, das friedliche Miteinander zwischen Reisenden und Bevölkerung und während der freiberufliche Woke-Beauftragte ganz sicher den kolonialen Aspekt verdammen wird, so ist es gerade das britische Know-how, das die Infrastruktur dieser Route überhaupt erst geschaffen hatte. Heute sind die Strecken in einheimischer Hand, da werden Woke-Aktivisten zwar jubeln, aber die Straßen und Grenzübergänge sind an entscheidenden Stellen unpassierbar, viele Regionen befinden sich im blutigen Bürgerkrieg, Christen werden gnadenlos verfolgt und ein westlicher Reisender würde nicht mehr lebend ans Ziel kommen. Die ungezwungene Entdeckerfreude von Tim Slessor und seinen Mitstreitern ist heute ideologisch vergiftet und erlaubt keinen neutralen Blick mehr auf deren bemerkenswerte Leistung und den Zustand dieses Weltteils im Jahr 1955 im Vergleich zur Gegenwart. Sechs Monate hat die Reise gedauert, es gab unzählige Begegnungen und einen mehrwöchigen Forschungsaufenthalt in Persien. Die zwei Fahrzeuge nahmen teilweise sogar getrennte Routen, um noch mehr zu erleben und dem britischen Fernsehpublikum zu zeigen. Natürlich kam es zu gefährlichen Situationen, die aber fast nie von Menschen, sondern von Straßenverhältnissen und den Unbilden der Natur ausgingen. Tim Slessor und seine Mitstreiter, von denen übrigens vier noch leben, erzählen spannend und sehr authentisch, was Leser, die nicht in der Lage sind, einen historischen Bericht aus dem Blickwinkel seiner Zeit zu lesen, sicher stören wird. Aus allen Teilnehmer ist „was geworden“. Wenn man sich die perfekte Organisation und den weitgehend reibungslosen Ablauf dieser bemerkenswerten Expedition ansieht, wundert das wirklich nicht.
Bei Youtube kann man übrigens einige originale BBC Filme finden. Lohnt sich.
(Dieses Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)