Reno - deren Spitzname auf ihren Geburtsort in Nevada zurückgeht - liebt die Geschwindigkeit ebenso wie ein ungebundenes Leben. Leichtfertig nimmt die Hobby-Motorradrennfahrerin an einem Landgeschwindigkeits-Rekordversuch auf den großen Salzseen teil: "Geschwindigkeit war ein Fahrdamm zwischen Leben
und Tod, und man konnte nur hoffen, auf der Seite des Lebens herauszukommen." (S. 25) Ein Jahr…mehrReno - deren Spitzname auf ihren Geburtsort in Nevada zurückgeht - liebt die Geschwindigkeit ebenso wie ein ungebundenes Leben. Leichtfertig nimmt die Hobby-Motorradrennfahrerin an einem Landgeschwindigkeits-Rekordversuch auf den großen Salzseen teil: "Geschwindigkeit war ein Fahrdamm zwischen Leben und Tod, und man konnte nur hoffen, auf der Seite des Lebens herauszukommen." (S. 25) Ein Jahr zuvor war sie spontan von Reno nach New York gezogen, um ihren künstlerischen Neigungen folgend kurze Amateurfilme über die pulsierende Metropole zu drehen. Sie findet im legendären Künstlerviertel SoHo eine Bleibe und lernt zufällig den als Konzeptkünstler aktiven Sandro Valera kennen, der sich als reicher Erbe einer italienischen Firmendynastie (Reifen und Motorräder) um seine Zukunft nicht sorgen muss. Zusammen mit Sandro besucht sie dessen Familie in der Sommerresidenz am Lago di Como und gerät mitten in die römischen Unruhen des Jahres 1977 ...
Die Geschichte von Reno wird von einigen Rückblenden in der Familiengeschichte der Valeras unterbrochen, deren Bedeutung für die Handlung erst in der Gesamtsicht deutlich wird. Sandros Vater - das wird erst spät klar - war während des Ersten Weltkriegs ein Arditi, wie die italienischen Sturmtruppen genannt wurden, die auch mit Flammenwerfern kämpften: "Die Flammenwerfer hätten aus einem anderen Jahrhundert stammen können, sie waren brutal und altertümlich, zugleich aber schrecklich modern. ... Der Flammenwerfer diente nie der Verteidigung, niemals. Er war eine reine Offensivwaffe, etwas zum Überrennen der feindlichen Linien." (S. 508)
Rachel Kushner (*1968) begibt sich in ihrem zweiten Roman auf einen spannenden zeitgeschichtlichen Diskurs in die 1970-er Jahre, deren Proteste noch elementare Hintergründe hatten und die insbesondere in der zweiten Hälfte in offene Gewalttätigkeit mündeten. Noch vor dem "Deutschen Herbst" mit Schleyer-Entführung und Mogadischu eskalierte in Italien der Terror der Roten Brigaden. Reno, die eben noch die sorglose Dekadenz der Fabrikantenfamilie Valera erlebt hatte, gerät nun eher zufällig in Streiks und Straßenkämpfe im vom Klassenkampf brodelnden Rom. Ebenso anschaulich wird die vor Kreativität sprühende New Yorker Künstlerszene samt einer historisch verbürgten Anarcho-Protestgruppe und deren Aktionen dargestellt. Der Roman zieht den Leser unweigerlich in seinen Bann, fordert ihm insbesondere bei den sprachlich geschliffenen Beschreibungen jedoch eine hohe Konzentration ab. In einem kurzen Nachwort benennt die Autorin nochmals die eingeflossenen authentischen Ereignisse und berichtet auch über die Rolle der vereinzelt eingestreuten Fotos für ihre Inspiration beim Schreiben.
THE FLAMETHROWERS erschien bereits im April 2013 in den USA und wurde zu einer literarischen Sensation. Der ROWOHLT VERLAG legt unter dem Titel FLAMMENWERFER nun die deutsche Ausgabe in einer sprachlich hervorragenden Übersetzung von Bettina Abarbanell vor. Das Cover-Motiv wurde von der Originalausgabe übernommen und zeigt jenes Foto, das die Autorin zur Inspiration zuerst an ihre Wand pinnte.
Ein erregender und spannender Roman, der vor allem für zeitgeschichtlich interessierte Leser empfehlenswert ist!