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Frau, Kind, Karriere – Hartmut hat alles erreicht, was er immer wollte. Glücklich ist er dennoch nicht. Und als plötzlich eine Entscheidung ansteht, von der er meinte, sie sei längst getroffen, bricht er auf zu einer alles entscheidenden Reise. Hartmut Hainbach ist Ende fünfzig und hat alles erreicht, was er sich gewünscht hat: Er ist Professor für Philosophie und hat seine Traumfrau geheiratet, die er nach zwanzig Jahren Ehe immer noch liebt. Dennoch ist Hartmut nicht glücklich. Seine Frau ist nach Berlin gezogen, sodass aus der Ehe eine Wochenendbeziehung geworden ist, die gemeinsame Tochter…mehr

Produktbeschreibung
Frau, Kind, Karriere – Hartmut hat alles erreicht, was er immer wollte. Glücklich ist er dennoch nicht. Und als plötzlich eine Entscheidung ansteht, von der er meinte, sie sei längst getroffen, bricht er auf zu einer alles entscheidenden Reise. Hartmut Hainbach ist Ende fünfzig und hat alles erreicht, was er sich gewünscht hat: Er ist Professor für Philosophie und hat seine Traumfrau geheiratet, die er nach zwanzig Jahren Ehe immer noch liebt. Dennoch ist Hartmut nicht glücklich. Seine Frau ist nach Berlin gezogen, sodass aus der Ehe eine Wochenendbeziehung geworden ist, die gemeinsame Tochter hält die Eltern auf Distanz, der Reformfuror an den Universitäten nimmt Hartmut die Lust an der Arbeit. Als ihm überraschend das Angebot zu einem Berufswechsel gemacht wird, will er endlich Klarheit: über das Verhältnis zu seiner Tochter, über seine Ehe, über ein Leben, von dem er dachte, dass die wichtigen Entscheidungen längst getroffen sind.

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Autorenporträt
Stephan Thome wurde am 23. Juli 1972 in Biedenkopf, Hessen geboren. Nach dem Zivildienst in einer sozialpsychiatrischen Einrichtung in Marburg studierte er Philosophie, Religionswissenschaft und Sinologie in Berlin, Nanking, Taipeh und Tokio. 2005 erschien unter dem Titel Die Herausforderung des Fremden: Interkulturelle Hermeneutik und konfuzianisches Denken seine Dissertationsschrift. Zur selben Zeit begann er als DFG-Stipendiat am Institut für Chinesische Literatur und Philosophie der Academia Sinica zu arbeiten, wo er über konfuzianische Philosophie des 20. Jahrhunderts forschte. Bis 2011 betätigte er sich als wissenschaftlicher Mitarbeiter an verschiedenen Forschungseinrichtungen in Taipeh und übersetzte unter anderem Chun-chieh Huangs Werk Konfuzianismus: Kontinuität und Entwicklung ins Deutsche. Sein Roman Grenzgang gewann 2009 den aspekte-Literaturpreis für das beste Debüt des Jahres und stand – wie auch sein zweiter Roman Fliehkräfte – auf der Shortlist zum Deutschen Buchpreis. 2014 wurde Thome von der Akademie der Künste Berlin mit dem Kunstpreis Literatur ausgezeichnet. Im gleichen Jahr erhielt die Verfilmung des Romans Grenzgang den Grimme-Preis. Seit 2011 lebt und arbeitet Stephan Thome als freier Schriftsteller; derzeit lebt er in Taipeh.

Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.10.2012

Erinnerung, Sehnsucht
Eröffnung von "Open Books" im Schauspiel Frankfurt

Mit der Buchmesse sei es eine bisweilen paradoxe Sache, sagte Frankfurts Kulturdezernent Felix Semmelroth zur Begrüßung. Zwar breche nun endlich wieder der Höhepunkt des literarischen Jahres an und animiere mehr denn je zum Lesen neuer Werke. Doch müsse man sich als Literaturbegeisterter bis zum Ende der Buchmesse gedulden, erst dann bleibe, das liege in der Natur der Sache, genügend Zeit für die Lektüre.

Bis es so weit ist, finden in der ganzen Stadt die Veranstaltungen des Lesefests "Open Books" statt, das am Dienstagabend zusammen mit der Buchmesse eröffnet wurde. Rund 160 Autoren stellen noch bis einschließlich Samstag in Kultureinrichtungen der Stadt unentgeltlich ihre Werke vor und lesen aus ihnen. Fünf Schriftsteller, unter ihnen Ursula Krechel, die am Tag zuvor gekürte Trägerin des Deutschen Buchpreises, nahmen bei der Eröffnungsveranstaltung im Chagallsaal des Schauspiels Frankfurt für kurze Gespräche auf dem "Blauen Sofa" Platz, dessen Team auf dem Messegelände bis Sonntag 72 Autoren zu Gast hat und das seit vorigem Jahr auch zum Beginn von "Open Books" gehört.

Im vollbesetzten Chagallsaal beschrieb Krechel, die vor "Landgericht", ihrem dreiundzwanzigsten Buch, mehrere Gedichtbände vorgelegt hatte, ihre lange Annäherung an die Rückkehr deutscher Emigranten nach dem Zweiten Weltkrieg und ihren Zugang zur literarischen Figur des jüdischen Richters Richard Kornitzer. Die Grausamkeit vieler Details, auf die sie während der Recherche in den Archiven gestoßen sei, hätten es ihr schwergemacht, mit der kühlen Objektivität einer Anwältin zu schreiben. Jedoch habe die Härte mancher Einzelheiten in der Personalakte der realen Person, an die Kornitzer angelehnt ist, ihr verdeutlicht, dass ein reiner Erzählduktus dem Thema ebenfalls nicht gerecht werde. Sie habe es als erleichternd empfunden, die der Lyrik eigenen "Rhythmisierungen" in die Sprache des Romans übernehmen zu können, so Krechel.

Auf Jenny Erpenbeck, die in ihrem kürzlich erschienenen und auf der Longlist des Buchpreises gelandeten Roman "Aller Tage Abend" ihre Hauptfigur innerhalb eines Lebens fünfmal den Tod finden lässt, folgte Bodo Kirchhoff, der es ebenfalls auf die Longlist der Auszeichnung geschafft hatte. Der gebürtige Hamburger, dem Frankfurt seit Studienzeiten vertraut ist, lässt seinen Roman "Die Liebe in groben Zügen" auch im Stadtteil Sachsenhausen spielen und dort den Zahn der Zeit an der Liebe eines Ehepaares in bestem Umfeld und in den besten Jahren nagen, was für beide unterschiedliche existentielle Fragen aufwirft.

Wo sich denn die groben Züge des fast 700 Seiten starken Werks versteckten, sollte der Autor beantworten, worauf Kirchhoff mit Realismus reagierte: Die Liebe selbst sei rücksichtslos, stur, grob eben, und dabei nicht halb so schön wie gemeinhin besungen. Im Tempus der Gegenwart sei ihre Existenz mithin fraglich: "Liebe ist doch im Grunde die Erinnerung an vergangene und die Sehnsucht nach neuer Liebe in der Zukunft." Danach dauerte es nicht lange bis zum nächsten Gespräch, das sich der Sehnsucht nach der Rückkehr geordneter finanzieller Verhältnisse widmete. Susanne Schmidt stellte ihr Sachbuch "Das Gesetz der Krise" vor, das ihr eine Nominierung für den diesjährigen Deutschen Wirtschaftsbuchpreis eingetragen hat. Die Krise, sagte sie vor der Kulisse der durch die Glasfront des Schauspiels sichtbaren Europäischen Zentralbank, entstehe nicht zuletzt aus der Politisierung der ihrem Wesen nach eigentlich apolitischen Banken.

Ebenfalls einer kriselnden Ehe widmet sich Stephan Thome. In seinem zweiten, wie sein Debüt auf die Buchpreis-Shortlist gelangten Roman beschreibt er die "Fliehkräfte", die an der bürgerlichen Existenz seines Protagonisten zerren. Er scheine angekommen im Lebensentwurf von "Frau, Kindern und frei stehendem Haus", sagt Thome, der mit komischer Note von den Lebensfragen erzählt, denen sein Philosophieprofessor sich fortan ausgesetzt sieht. Doch die Zeit auf dem "Blauen Sofa" ist knapp. Oder frei philosophisch: "Der Rest ist Lesen."

CONSTANZE EHRHARDT

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Rainer Moritz zeigt sich von einigen Szenen in diesem voluminösen Roman von Stephan Thome berührt, hat sich aber schon gefragt, warum er sich durch diese Masse Text kämpfen und einem Sprachphilosophen bei der midlife crisis zuschauen soll. Die Antwort hat Moritz dann schnell bei der Hand: die epische Breite in diesem Buch ist kunstvoll gefüllt, schon durch die Wahl eines mittelmäßigen Helden, einer biederen Existenz, aber auch mittels feinfühliger Figurenzeichnung, psychologischer Seelenforschung, und das alles denkbar unangestrengt und unaufgeregt, wie Moritz versichert. Dass das Subjekt tot sei, so Moritz begeistert, möchte dieser Autor nicht wahrhaben. Sprachlich überzeugt ihn Thome durch "ungewöhnliche Bilder". Was an "Wolkentupfern über Berlin" wie eine "Armada wartender Luftschiffe" originell sein soll, muss Moritz uns aber unbedingt erklären.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.09.2012

Freiheit und Fallen der Wochenendehe
„Erst waren wir naiv, dann entweder verbittert oder selbstgerecht. Jetzt sind wir gleichgültig“ – Stephan Thomes
Roman „Fliehkräfte“ ist ein nostalgischer Abgesang auf die Vorzüge der bürgerlichen Lebensform
VON MEIKE FESSMANN
Man nennt es etwas abfällig Versorgerehe, jenes Ehe- und Familienmodell, das in der alten Bundesrepublik an der Tagesordnung war und mittlerweile als überholt gilt. Eine solche Ehe, wie sie auch in Hans-Christian Schmids Film „Was bleibt“ im Zentrum steht, kommt in Stephan Thomes neuem Roman auf den Prüfstand, und zwar in ihrer heikelsten Phase. Philippa, die einzige Tochter von Hartmut und Maria Hainbach, ist aus dem Haus. Und auch ihre aus Portugal stammende Mutter, die einst zum Studium nach West-Berlin gezogen war, hält nichts mehr im Bonner Eigenheim. Ihr Mann, zehn Jahre älter als sie, auf die sechzig zusteuernd und seit fünfzehn Jahren Philosophieprofessor in Bonn, fiel aus allen Wolken, als sie ihm eröffnete, dass sie, nachdem aus seiner lange angestrebten Professur in der Hauptstadt nichts mehr werden wird, alleine nach Berlin zieht. Dort geht sie als Mädchen für alles einem Theaterregisseur zur Hand, mit dem sie bereits zu Mauerzeiten zusammenarbeitete und der damals ihr Geliebter war.
  Nach zwanzig Jahren Ehe sieht Maria eine Wochenendbeziehung als „Bereicherung“ an. Hartmut aber kann der Sache nichts abgewinnen. Wie früher seiner Frau fällt nun ihm die Decke auf den Kopf, wenn er abends nach Hause kommt. Telefon, E-Mail, Skype, „die Technik fürs virtuelle Familienleben“, trösten ihn nicht wirklich. Zwei Jahre geht das so. Dann steht er vor einer Entscheidung: Soll er seine Professur an den Nagel hängen, um als Programmleiter in einem Berliner Verlag den Neustart zu wagen? Das Risiko ist beträchtlich, seine Angst entsprechend groß. Und also begibt er sich auf eine Reise, von der Maria, die auf einem Gastspiel in Kopenhagen weilt, lange nichts weiß.
  Wie Stephan Thomes Debütroman „Grenzgang“ 2009, steht nun auch „Fliehkräfte“ auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises. Wieder erzählt er in großen Zeitsprüngen. Was in „Grenzgang“ das alle sieben Jahre wiederkehrende Stadtfest war, ist hier die Reise, die Hartmut Hainbach über Frankreich und Spanien bis nach Portugal führt. Sie bildet den roten Faden, der die kunstvoll gegen die Chronologie geschnittenen, bis ins Jahr 1973 reichenden Rückblenden zusammenhält und neue Ereignisse einbindet. Hainbach hat über Sprechakttheorie promoviert, die „Philosophie der normalen Sprache“, wie er Maria erklärte, als sie sich 1985 in West-Berlin zum ersten Mal begegneten. Dem folgt auch die Poetologie des Romans. Der größte Teil der Handlung vollzieht sich in ebenso präzisen wie natürlich wirkenden Dialogen. Etwa wenn Hartmut in Paris die wunderbar widerborstige Sandrine besucht, seine erste große Liebe, die er als Doktorand in Minneapolis kennenlernte. Auch während der Ehe haben sie ein paar Mal miteinander geschlafen, aus „alter Liebe“, wie sie betont, nicht aus „bloßer Geilheit“. Als er sieben Jahre nach der letzten Begegnung mit einem Blumenstrauß vor der Tür steht, um sich seine Sorgen von der Seele zu reden, ist sie hell empört. Das nächste Mal komme er wohl mit Pralinen!
  Ein weiteres Mal zeigt sich der 1972 im hessischen Biedenkopf geborene Stephan Thome, der zehn Jahre lang in Ostasien gelebt hat, als sprachgewandter Autor, der Beziehungsprobleme souverän zum Gesellschaftspanorama auszuweiten versteht. Mark Twain und William Faulkner, Max Frisch und die Filme Ingmar Bergmans sind die großen Referenzen, vor denen er sich verneigt, während er seinen zuweilen auch an Martin Walser erinnernden Eheroman zu einem Sittengemälde der Bundesrepublik ausgestaltet, die im Zusammenspiel von politischer Wende und elektronischer Revolution unter Formatierungsstress geriet, wie das Peter Sloterdijk nennen würde.
  Der Roman lebt von der Stärke seiner Figuren, die auch dort individuelle Charaktere sind, wo sie in typische Lebenssituationen geraten. Wie Sandrine voller Scham von einem Schlaganfall erzählt und vom Ekel, ihr Leben von gesundheitlichen Rücksichten bestimmen zu lassen, ist so eindrucksvoll wie ihr Plädoyer für die Vorzüge der heutigen Jugend, deren Mischung aus Optimismus und Nachdenklichkeit sie für weit klüger hält als das Verhalten ihrer eigenen Generation: „Erst waren wir naiv, dann entweder verbittert oder selbstgerecht. Jetzt sind wir gleichgültig.“
  Vor allem die Frauenfiguren verleihen dem Roman Leben und Farbe: Sandrine und die ihr in mancherlei Hinsicht ähnelnde Maria, die Tochter Philippa und Hartmuts Schwester Ruth, aber auch Marsha, die Frau seines amerikanischen Doktorvaters, Katharina, eine Verwaltungsangestellte der Bonner Universität, und eine holländische Tramperin. Wenn sich Hartmut in Frankreich mit einem ehemaligen Kollegen trifft, der seine Juniorprofessur für ein Weinlokal aufgegeben hat, dann klingen die Dialoge, als müssten sie Diskursschnipsel zur Bologna-Reform referieren, den harten Weg von der Promotion zur Professur illustrieren oder die Fallen des Aussteigerdaseins. Doch das ist die Ausnahme.
  Der größte Coup des Romans ist die Wandlung des Helden auf seiner 3000 Kilometer langen Reise in den Süden. Seine Selbstreflexion vollzieht sich im Spiegel weiblicher Biografien. Während er noch einmal seine Frauengeschichten durchlebt, von der Affäre mit Anne, der Frau eines Therapeuten, die ihm später als Dekanin seine Professur in Berlin vermasselte, bis zu Tereza, die nach dreijähriger Beziehung just in dem Moment von ihm schwanger wurde, als er sich Maria zuwandte, entwickelt er ein Gespür für weibliche Lebensläufe, die sich trotz aller Emanzipation von männlichen Biografien unterscheiden. Am Ende versteht er nicht nur, warum seine Frau nach Berlin gezogen ist, sondern auch, dass sie all die Jahre an seiner Seite tatsächlich gelitten hat, ohne es ihm jemals begreiflich machen zu können.
  Wenn er Maria schließlich in Lissabon vom Flughafen abholt, sieht es so aus, als könne alles gut werden. Das Gastspiel in Kopenhagen war ein Debakel, ihre Rolle als „Puffer“ zwischen Ensemble und Regisseur geht ihr auf die Nerven. Sie kann sich sogar vorstellen, wieder nach Bonn zu ziehen. Nun aber beharrt er darauf, sie sollten nicht schon wieder den nächsten Ausweg nehmen. Ein Leben lang hat er, der aus einer Handwerkerfamilie kommt, um den gesellschaftlichen Aufstieg gekämpft. Trotz des Reformstresses an der Uni war er froh, es zum Professor auf Lebenszeit gebracht zu haben. Als er am Ende des Romans ins offene Meer hinausschwimmt, fühlt er sich zum ersten Mal seit langer Zeit getragen, „ohne Ziel und ohne Angst. (. . .) Die Fliehkräfte ruhen“.
  Der überlastete Mann gehört wie die spätestens mit dem Erwachsenwerden der Kinder gelangweilte Frau zur Versorgerehe. Mit Recht wirft Hartmut Maria in einer Berliner Kneipe vor, ihre kleine Wohnung in Pankow werde nicht von ihrer Theaterarbeit, sondern von seiner Professur finanziert. Dass die Frauen des Romans lebensklüger und eigensinniger wirken als die meisten Männer – eine Ausnahme bildet Marias Bruder, der als Zahnarzt auch Patienten behandelt, die kein Geld haben und auf herrlich verspielte Weise sein Leben genießt –, hat auch mit dem Schutzraum zu tun, den die männliche Versorgungsleistung gewährt.
  Wie Uwe Tellkamps „Der Turm“ vom Dresdner Bürgertum erzählt, das im Schatten des Sozialismus überwinterte, ist auch Stephan Thomes „Fliehkräfte“ ein nostalgischer Abgesang auf die Vorzüge der bürgerlichen Lebensform. Was den 68ern nicht gelungen ist, erledigen nun die ökonomischen Zwänge: Ehe und Familie so weit zu nivellieren, dass sie sich von weniger verbindlichen Lebensformen kaum noch unterscheiden. Das beeinflusst auch den einst bürgerlich genannten Roman, erst recht in seiner modernen, die Bereitschaft zu Kontemplation und Reflexion voraussetzenden Ausprägung.
  Von der Unterhaltungsliteratur auf der einen Seite und den elektronischen Medien auf der anderen in die Zange genommen, schrumpft der Raum, in dem er seine Pracht entfalten kann. In Stephan Thomes „Fliehkräfte“ ist sie zu bewundern, groß und selbstverständlich, sprungbereit und von epischem Atem beseelt.
Der Eheroman wird zum
Sittengemälde der Republik
Kaum ist die Tochter aus dem Haus, hält nichts mehr die Gattin im Bonner Eigenheim. Kurz entschlossen verkündet sie ihrem Mann, einem zehn Jahre älteren Philosophieprofessor, dass sie nun nach Berlin ziehen werde.
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Stephan Thome: Fliehkräfte. Roman. Suhrkamp Verlag, Berlin 2012. 474 Seiten,
22,95 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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»Die Geschichte der Fliehkräfte ist tatsächlich auf grausame, auch schrecklich lustige Weise wahr. Und es zeigt sich schon in einem scheinbar harmlosen Motiv wie der alten DVD-Kiste, die Hainbach eines Tages im Keller seines Hauses findet, Thomes ganze Meisterschaft als Erzähler.« Sandra Kegel Frankfurter Allgemeine Zeitung 20120908
»Thome ist ganz nah bei seinen Figuren, und die Sogwirkung seines Erzählens kann sich mit gefeierten amerikanischen Vorbildern messen. Bücher wie seines sind der Grund dafür, warum die Leser sich nicht beirren lassen und immer wieder zum Roman zurückkehren.«