Florenz gilt als Wiege der Renaissance, und viel ist bereits über die Perle der Toskana geschrieben worden. Tobias Roth wirft in seinem Buch einen ganz eigenen Blick auf die Stadt, die er als Literaturwissenschaftler quasi zwischen den Seiten historischer und meist sehr persönlicher Texte entdeckt.
Den Rahmen bildet eine kenntnisreich geschriebene Stadtgeschichte, die bei aller Komprimiertheit…mehrFlorenz gilt als Wiege der Renaissance, und viel ist bereits über die Perle der Toskana geschrieben worden. Tobias Roth wirft in seinem Buch einen ganz eigenen Blick auf die Stadt, die er als Literaturwissenschaftler quasi zwischen den Seiten historischer und meist sehr persönlicher Texte entdeckt. Den Rahmen bildet eine kenntnisreich geschriebene Stadtgeschichte, die bei aller Komprimiertheit einen intensiven Eindruck hinterlässt. Stilistisch elegant verwebt Roth das historische Stadtgeschehen mit Zeitzeugenberichten und literarischen Quellen, die den Wandel der Gesellschaft und ihrer Ansichten widerspiegeln, gleichzeitig aber auch für uns menschlich nachvollziehbar bleiben. Darunter sind echte Entdeckungen, die in der Breite kaum bekannt sind, wie das über viele Jahrzehnte geführte private Tagebuch eines Florentiner Spezereienhändlers. Da wird Geschichte in all ihren Facetten lebendig.
Dass die Stadtgeschichte von Florenz nicht nur enorm spannend ist, angefangen vom leisen Staatsstreich der Medici bis zum brutalen Gottesstaat Savonarolas (aber welcher Gottesstaat ist nicht brutal gegen „Ungläubige“...), sondern auch über die Stadtgrenzen hinaus wirkt, versteht sich von selbst. Roth zeichnet aber daneben ein Bild der Renaissance, aus dem einzelne Menschen hervortreten und es sind meist nicht die allgemein bekannten Figuren der Zeitgeschichte, sondern die aus der zweiten und dritten Reihe, die sonst gerne übersehen werden. Wenn dann eine Berühmtheit wie Lorenzo di Medici die Ehre hat, in diesem Buch sprechen zu dürfen, dann als Schöpfer ziemlich schlüpfriger Gedichte, die das sinnenfrohe Leben in den Palazzi kaum besser illustrieren könnten.
Besonders begeistert hat mich Roths Fähigkeit, komplexe Sachverhalte auf den Punkt zu verdichten, ohne dass der Leser inhaltlich überfordert würde. Sein Stil ist einerseits klar und aufgeräumt, andererseits mit einem gewissem Augenzwinkern auch äußerst unterhaltsam. Außerdem hat er offenbar den Rat von Leonardo Bruni beherzigt, dessen Brief an eine begabte Schülerin ebenfalls im Buch zu finden ist: Ein Text braucht Rhythmus und Melodie, um zu wirken. Was gut ins Ohr geht, geht auch gut ins Hirn. Dieses musikalische Sprachgefühl durchzieht Roths Florentiner Geschichte wie ein roter Faden. Dass das Seitenlayout in vielen Aspekten die Druckkunst der Renaissance aufnimmt, mit hilfreichen Marginalien und den geometrisch auslaufenden Schlusszeilen, ist eine schöne Referenz an eine Zeit, in der Bücher noch kostbar und selten waren.
Wer einmal richtig eintauchen möchte in das Leben im Florenz der Renaissance, der wird hier in 200 Seiten auf Wegen geführt, die man so noch nicht kannte und die wie neue Puzzleteile ein Bild komplettieren, das dennoch niemals fertig werden wird.
(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)