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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
Nachlass-Geschichten des Dichters SAID
Mehr als vierzig Jahre hat er in Deutschland gelebt und geschrieben, deutsch geschrieben - der Iraner Said Mirhadi. Der Exilant, der 1979 Teheran endgültig verließ, wurde ein deutscher Autor, der nur seinen Vornamen behielt: SAID. Dieser steht, wie immer komplett großgeschrieben, nun auch über seinem letzten Buch, dem Geschichtenband "flüstern gegen die wölfe". Die Nachbemerkung dazu weiß noch nicht, dass der Autor im Mai dieses Jahres gestorben ist. Wer SAID kannte, hat den eleganten und höflichen Mann deutlich vor Augen.
Die zwanzig Geschichten des Büchleins sind eine Art Vermächtnis. In ihm kommen seine Lebensthemen zusammen: die Liebe und das Exil. SAID begann 1981 mit dem Band "Liebesgedichte", 1995 rechneten seine Aufzeichnungen "Der lange Arm der Mullahs" mit dem Teheraner Regime ab. Jetzt, in den letzten Arbeiten, fügen sich poetische und politische Impulse zu Szenen, die oft provozieren und - seltener - die Stille suchen.
In expressiven Prosa-Dramoletten stoßen die Figuren in Liebe und Hass zusammen. Selbst Fremdheit und Indifferenz stehen unter Spannung. Das dramatische Präsens erzeugt einen fieberhaften Ton. Enthüllungen können in Verdunkelungen umkippen. In "Die frau dort auf dem parkett" lernt der Erzähler die iranische Malerin Melissa kennen und begehren - "bis sie eines tages sagte, daß sie für das amt arbeite". Mit dem Instinkt des alten Flüchtlings begreift der Mann, dass er längst in den Radius des iranischen Geheimdienstes geraten ist.
Eine andere Geschichte kehrt die Konstellation von Spitzel und Opfer um: In "eine schwarze murmel" trifft der Erzähler im Zug nach München auf eine Bulgarin: "ich bin malerin und fahre in den westen." Dieses Bekenntnis mündet in die Frage nach dem Verhältnis von Kunst und Diktatur: "Der staat vermutete in meinen bildern ein geheimes zeichensystem." Die Malerin betont, dass sie ihre Landschaften nur male, um sich selbst zu finden, der Staat aber wolle auch über das Licht befinden. Wir erfahren, dass ihr bulgarischer Geliebter ein Spitzel war. Wieder gehört in das politische Bekenntnis die Schilderung einer Sexszene, wie sie auch in vielen anderen Geschichten SAIDs vorkommt.
Erotik und Sex hängen für SAID mit Diktatur und Exil zusammen - diese Vorstellung muss für ihn eine Obsession gewesen sein. Es mag sensible Leser irritieren, dass der Autor sein Faible für die Brüste der Protagonistinnen geradezu manisch ausschreibt, aber erotische Szenen und Vorstellungen dürften für den Autor existenzielle Bedeutung gehabt haben. Das wollte SAID offenbar noch einmal dokumentieren. Ebenso deutlich ist bei ihm die Sehnsucht nach Ruhe und Erlösung. In seiner letzten Geschichte trifft der Erzähler auf einen Unbekannten oder lange Vergessenen, der ihm eine Platane zeigt und verspricht, in ihrem Schatten werde er sich gelassen wie in Kindertagen fühlen: "dann nimmt er meinen arm und führt mich über die straße, als hätte er angst, mir könnte noch etwas zustoßen." Der versöhnliche Schluss eines bitteren Buches. HARALD HARTUNG.
SAID: "flüstern gegen die wölfe". Geschichten.
Konkursbuch Verlag Claudia Gehrke, Tübingen 2021. 168 S., geb., 15,- Euro.
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