Zwei ungleiche Brüder aus einer stolzen Stadtvilla an der Weser: Aus Martin wird ein Goetheaner und genauer Beobachter seiner Welt, aus Friedrich ein aktivistischer Krieger und Abteilungsleiter im Rasse- und Siedlungshauptamt der SS. Für den Enkel entwickelt sich die Nazi-Vergangenheit seines Großvaters zur Obsession. In einer persönlichen Krise stürzt sich der angehende Historiker Per in die Erforschung der Vergangenheit seines Großvaters Friedrich. Aber erst als er Friedrich dessen vergeistigten Bruder Martin an die Seite stellt, gewinnt er ein tatsächliches Bild vom Glanz und Niedergang seiner Familie. In dem ihm immer fremd gebliebenen Nazi-Opa entdeckt er einen rebellischen jungen Mann, der uns viel näher ist, als uns lieb sein kann. Seine Liebe jedoch gilt dem Großonkel Martin. »Flut und Boden« ist eine deutsche Familiengeschichte aus dem 20. Jahrhundert, aber vor allem ein herausragendes literarisches Debüt.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Erstaunliches Buch, meint Rezensent Andreas Kilb. Keine kleinen Buddenbrooks, sondern eine nach allen möglichen Seitenwegen haschende Familien- und Geistesgeschichte aus Deutschland hat er gelesen. Und hat das gern getan, weil der Historiker Per Leo hier Weimarer Krise und Gegenwart verbindet, wesentlich durch die Geschichte des Nazi-Großvaters, aber auch durch blitzende Reflexionen und manchmal durch Kitsch, wie Kilb einräumt. Dass der Autor nicht der Versuchung nachgegeben hat, eine Fernsehschmonzetten-Vorlage zu verfassen, scheint dem Rezensenten aller Ehren wert.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.02.2014Gute Gefühle werden böse
Nominiert für den Leipziger Buchpreis: An diesem Wochenende erscheint Per Leos Roman
„Flut und Boden“, der ebenso riskant wie geglückt von deutscher Mentalitätsgeschichte erzählt
VON GUSTAV SEIBT
Mit einem Schlachtruf geht es los. Schon auf den ersten Seiten lässt Per Leo in seinem Roman ihn erschallen: „Werder Brem’, Werder Brem’, Werder Brem’, o Werder Bremen“ – zu singen zur Melodie von „Here we go“. Niemand soll sagen, er könne nichts anfangen mit den Emotionen von Kampfgeist und Gemeinschaft.
„Flut und Boden“ handelt von den Gefühlen, in denen noch vor hundert Jahren Familienliebe und Heimatverbundenheit zu dem intellektuellen Wärmestrom verbreitert wurden, der das abstrakte Gebilde Nation erfahrbar machte. Familie, Dorf, Land, Volk konnten dabei als immer weitere, aber doch konzentrische Kreise der Verbundenheit postuliert werden, die auch das Politische in sich barg, aber darin gar nicht ihren Schwerpunkt fand. Ebenso wichtig waren Religion und Kultur, Glaube und Lieder, Literatur und Musik, Landschaften und Bücher.
Das ist die deutsche Spielart des Nationalismus: das Volk als Abstammungsgemeinschaft und als Kultur. Der politische Begriff des Nationalen – eine westeuropäische Staatsbürgeridee – wurde dabei vor dem Ersten Weltkrieg ins Völkische gedreht, die Gesellschaft Freier und Gleicher zur Gemeinschaft Gleichartiger, Gleichfühlender. Es erwies sich, dass diese gefühlsbetonte, kulturstolze Version des Nationalen besonders mörderisch werden konnte.
Das hat in Deutschland nach der Katastrophe des Nationalsozialismus auf Jahrzehnte alle positiven Einstellungen, die sich auf Gemeinschaften und Überlieferungen beziehen, beschädigt und in Verdacht gebracht. Es ging los bei den Beziehungen zu Eltern und Großeltern (den „Tätern“) und macht bis heute Patriotismus problematisch, so oft auch versichert werden mag, dass „Verfassungspatriotismus“ nicht reiche und dass Demokratie ohne zustimmende Einstellungen zum eigenen Volk schwer zu leben ist. Darf man im Fußballstadion mit Inbrunst das Deutschlandlied singen? Eine deutsche Frage. Per Leo erprobt solche Fragen an der Geschichte der eigenen Familie.
Von seiner Ausbildung her ist Leo Historiker, und als Historiker hat er seinen Roman geschrieben. Er hat dabei mit Präzision verschollene Elemente aus der Geschichte der deutschen Bildung zwischen 1900 und 1989 wiederbelebt. Es geht eher beiläufig um Heiraten und Erbschaften, Konflikte zwischen Großvätern, Söhnen, Schwiegertöchtern und Enkeln, wie sonst in Familienromanen, nur am Rande, wenn auch gebührend hanseatisch, um den Untergang einer Bremer Werft und die Liquidation einer prachtvollen Familienvilla. Das Wesentliche ist die Frage, was in drei Generationen geglaubt, gedacht und empfunden worden ist. Im Zentrum steht die nach 1900 geborene nationalsozialistische Tätergeneration, die Historiker wie Ulrich Herbert, der einen Gastauftritt im Roman erhält, dadurch abgrenzen, dass sie vom Ersten Weltkrieg geprägt ist, ohne in ihm gekämpft zu haben, dass sie den Zweiten Weltkrieg gewinnen wollte und dass sie am Ende noch die Wiedervereinigung erlebte. Es ist die Generation des Großvaters von Per Leo, der 1972 geboren wurde.
Dass das Material, aus dem der Roman entspringt, authentisch ist, lässt sich nicht nur dem Umstand entnehmen, dass es sich mit den Quellen von Leos im vorigen Jahr erschienener, gelehrter und scharfsinniger Doktorarbeit (Der Wille zum Wesen, Verlag Matthes & Seitz) überschneidet, und liegt auch nicht allein daran, dass sich vieles mit zwei Klicks nachprüfen lässt: So kann man eine 1912 unter dem Titel „Jungdeutschland. Wehrerziehung für die deutsche Jugend“ erschienene Schrift von Leos Urgroßvater Heinrich Leo antiquarisch kaufen, und die Internetanbieter zeigen auch das im Roman exakt beschriebene Titelbild.
Darüber hinaus hat Leo für diese Authentizität auch einen formalen Einfall: Für Klarnamen, die er nicht nennen mag, verweigert er die üblichen gefahrlosen Varianten (derzufolge aus Tante Irmela dann Tante Irene wird), er setzt stattdessen genealogische Kürzel: W36 ist eine 1936 geborene Tante, M42 deren 1942 zur Welt gekommener Bruder. Beiläufig erfährt man, dass M42 Leos Vater ist. Die Kürzel haben etwas Grausames in einer Welt enger Familienbeziehungen, sie sind ein Sachlichkeitssignal. Als solches weist es in die Sphäre, wo aus Familienliebe Erbbiologie wird.
Die Spannung der Geschichte kommt also aus der Zweideutigkeit. Gute Gefühle werden böse. Nähe und Wärme leisten dem Mord Vorschub. Feinsinn rechtfertigt Gnadenlosigkeit. Was macht dies mit den Kindern und Erben der guten Gefühle, der alten Bücher und der schönen Gedichte, die der Roman zitiert? Leos Großvater Friedrich Leo (1908 bis 1993), ein Sohn des Jungdeutschland-Autors, war Abteilungsleiter im Rasse-und Siedlungs-Hauptamt der SS. Die Leos vor ihm waren seit Generationen evangelische Pfarrer und Gelehrte, und vor dem Ersten Weltkrieg heiratet einer in die Bremer Schiffsbauerfamilie der Langes, Mitbegründern der Vulkan AG, ein. Wir haben also eine Generationenfolge von Wirtschafts- und Bildungsgroßbürgern.
Die Frage des Historikers Leo ist: Wie konnte das feine, belesene, kultivierte deutsche Bürgertum in so beträchtlichen Teilen dem Rassismus, dem bösartigen Judenhass der Nazis verfallen, ihn nicht einfach widerstandslos gewähren lassen (was schlimm genug wäre), sondern ihn überhaupt für diskutabel halten und ihm zuarbeiten? Gibt es einen Weg von Goethe zu Himmler?
Ja, erschreckenderweise gibt es sogar das. Das war die These von Leos Doktorarbeit, der Roman führt sie vor. Goethes Wissenschaft sah die Natur als Kosmos von Anschaulichkeiten, die nicht gesetzlich begriffen, sondern in ihrer Fülle erlebt und nach Typen geordnet werden sollten; nicht mathematische Generalisierungen, sondern anschauliche Unterscheidungen waren ihr Ziel. Man könnte meinen: ein antitotalitäres Programm. Aber, in der Gestalt der Charakterologie, der unterscheidenden Betrachtung von Menschentypen, kann in wenigen Verdrehungen daraus ein Programm von Herrenmenschen und Untermenschen werden. Was tut ein Abteilungsleiter für Rasse der SS? Er begutachtet Menschen zur Selektion für neue Siedlungsräume.
Diese grobe Zusammenfassung wird Leos sensibler Erzählkunst nur andeutend gerecht. Er verteilt Gedankenkomplexe auf Figuren: Der rassistische Großvater hat einen anthroposophischen Bruder; deren Vater war autoritärer Protestant; der rassistische Großvater ist heidnisch, naturgläubig, der anthroposophische Onkel aber frommer Goethe-Leser; seine Frau hat er im linksprotestantischen Milieu gefunden. Der SS-Mann war ein Schulversager und Naturfreund; körperliche Wohlgeratenheit ersetzte ihm bei den Nazis die Bildungspatente. Die beiden Brüder haben Nachkommen, die sehr unterschiedlich mit diesen seelischen Erbschaften umgehen.
Wie Leo das begreiflich macht, das ist fast immer glanzvoll. Er übersetzt Geistesgeschichte in familiäre Intimität, so wird sie neu zugänglich. Hier rechtfertigt sich der Schritt von der Historie zum Roman. Leo verwandelt Individuen mit sanfter Klarheit zu Idealtypen, so ähnlich wie Gerhard Richter Familienfotos zu Gemälden verwischt: Die Individuen bleiben durchschimmernd erhalten, ihre Konturen werden weich und allgemein, was man fast selbst als ein Goethesches Verfahren bezeichnen könnte.
Ein Höhepunkt ist das fünfte Kapitel „Im Mastkorb“, in dem Leo am Beispiel von Kindheitsprägungen seines anthroposophischen Onkels Martin die Gefühlswelt des klassischen deutschen Bildungsromans mit Heimatgebundenheit und Fernweh erstehen lässt und einen besonderen Menschen in seinem Kosmos zeigt; oder das zehnte Kapitel, in dem das Überdauern einer altmodischen Form bürgerlicher Ruhe in der DDR bei Martins Kindern gezeigt wird. Mit wenigen Einzelheiten kann Leo ganze Glaubenssysteme kontrastieren: Christen lassen auf ihren Adventskränzen die Zahl der Kerzen von eins auf vier wachsen, denn sie gehen dem heilsgeschichtlichen Erscheinen der Gnade entgegen; die Völkischen lassen das Licht abnehmen, von vier auf eins, denn sie warten auf die immergleiche Sonnenwende vom Dunkel zum Licht.
Trotz seiner kulturtypologischen Anlage ist der Roman nicht verschwommen, er bleibt subtil. Die Gedanken sind genau, die Pointen scharf gesetzt: Der Goethe-Onkel hat das Rückenleiden Morbus Bechterew; also bestimmt das Rasse-Amt der SS ihn zur Sterilisierung. Und doch teilt der Goethe-Onkel mit dem SS-Großvater das Interesse für Grafologie, die Goetheanische Wissenschaft vom körperlichen Ausdruck des Geistes. Einen Tugendkatalog, den der besiegte und kriegsgefangene SS-Großvater für seine Kinder aufschreibt (er will sich als Mann und Vater behaupten), wird zitiert, und erst dann sagt der Erzähler, der Historiker-Enkel, knapp: „Man wird begriffen haben, dass ich meinen Großvater im Großen und Ganzen nicht verachte. Doch wenn ich das lese, empfinde ich Hass.“
Warum? Nicht eines einzelnen „Gedankens“ wegen, sondern wegen eines Sprechakts. Der kurze Text des Großvaters ist nämlich zugleich fordernd-drohend und vollendet undeutlich. Kinder, die diese Gebote annehmen wollen, geraten in einen Albtraum. Eine düstere Stimme spricht zu ihnen: Das musst du unbedingt tun, damit alles gut wird. Allein, was es ist, das getan werden muss, ist nicht zu verstehen. Die Sprache des Bösen erweist sich als leeres Dröhnen, als Hohlform des Religiösen, die nur dazu da ist, bedingungslosen Gehorsam zu erzeugen.
So finden Abscheu und Trauer ohne nachträgliche Überhebung ihre Stelle in diesem Roman, der als Ganzes ein Unternehmen der Rettung und der Liebe ist. Mit ihm erreicht der erzählende Nazi-Enkel, der am Beginn etwas konventionell unter seinem Enkeltrauma zusammenbricht, den Seelenfrieden. Die Erzählung zeigt, unter welchen Bedingungen die guten Gefühle, die den Eltern, der Herkunft, der Heimat, dem Fußballklub und sogar der Nation gelten, noch funktionieren können. Wie? Mit unterscheidendem Verstehen. Die Goetheanische Polarität der Figuren offenbart, dass es immer auch eine bessere Möglichkeit gab. Hinter dem Generationenroman steht der individuelle Bildungsroman des Erzählers. Auch das ist ein Tribut an die Kultur, die er auf den Prüfstand stellt.
Geschildert wird, was in drei
Generationen gedacht, geglaubt
und empfunden wurde
Mit dem Blick des Historikers
entdeckt Per Leo im Individuellen
das idealtypische Deutsche
Wie konnte das kultivierte deutsche Bürgertum dem Judenhass der Nazis verfallen?
Unser Bild von 1950 zeigt ein israelisches Schiff (Zion, Haifa), und ein deutsches (Arcturus, Bremen)
friedlich vertäut im Hafen von Haifa. Foto: Max G. Scheler
Per Leo: Flut und Boden. Roman einer Familie.
Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2014. 352 Seiten, 21,95 Euro, E-Book 17,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Nominiert für den Leipziger Buchpreis: An diesem Wochenende erscheint Per Leos Roman
„Flut und Boden“, der ebenso riskant wie geglückt von deutscher Mentalitätsgeschichte erzählt
VON GUSTAV SEIBT
Mit einem Schlachtruf geht es los. Schon auf den ersten Seiten lässt Per Leo in seinem Roman ihn erschallen: „Werder Brem’, Werder Brem’, Werder Brem’, o Werder Bremen“ – zu singen zur Melodie von „Here we go“. Niemand soll sagen, er könne nichts anfangen mit den Emotionen von Kampfgeist und Gemeinschaft.
„Flut und Boden“ handelt von den Gefühlen, in denen noch vor hundert Jahren Familienliebe und Heimatverbundenheit zu dem intellektuellen Wärmestrom verbreitert wurden, der das abstrakte Gebilde Nation erfahrbar machte. Familie, Dorf, Land, Volk konnten dabei als immer weitere, aber doch konzentrische Kreise der Verbundenheit postuliert werden, die auch das Politische in sich barg, aber darin gar nicht ihren Schwerpunkt fand. Ebenso wichtig waren Religion und Kultur, Glaube und Lieder, Literatur und Musik, Landschaften und Bücher.
Das ist die deutsche Spielart des Nationalismus: das Volk als Abstammungsgemeinschaft und als Kultur. Der politische Begriff des Nationalen – eine westeuropäische Staatsbürgeridee – wurde dabei vor dem Ersten Weltkrieg ins Völkische gedreht, die Gesellschaft Freier und Gleicher zur Gemeinschaft Gleichartiger, Gleichfühlender. Es erwies sich, dass diese gefühlsbetonte, kulturstolze Version des Nationalen besonders mörderisch werden konnte.
Das hat in Deutschland nach der Katastrophe des Nationalsozialismus auf Jahrzehnte alle positiven Einstellungen, die sich auf Gemeinschaften und Überlieferungen beziehen, beschädigt und in Verdacht gebracht. Es ging los bei den Beziehungen zu Eltern und Großeltern (den „Tätern“) und macht bis heute Patriotismus problematisch, so oft auch versichert werden mag, dass „Verfassungspatriotismus“ nicht reiche und dass Demokratie ohne zustimmende Einstellungen zum eigenen Volk schwer zu leben ist. Darf man im Fußballstadion mit Inbrunst das Deutschlandlied singen? Eine deutsche Frage. Per Leo erprobt solche Fragen an der Geschichte der eigenen Familie.
Von seiner Ausbildung her ist Leo Historiker, und als Historiker hat er seinen Roman geschrieben. Er hat dabei mit Präzision verschollene Elemente aus der Geschichte der deutschen Bildung zwischen 1900 und 1989 wiederbelebt. Es geht eher beiläufig um Heiraten und Erbschaften, Konflikte zwischen Großvätern, Söhnen, Schwiegertöchtern und Enkeln, wie sonst in Familienromanen, nur am Rande, wenn auch gebührend hanseatisch, um den Untergang einer Bremer Werft und die Liquidation einer prachtvollen Familienvilla. Das Wesentliche ist die Frage, was in drei Generationen geglaubt, gedacht und empfunden worden ist. Im Zentrum steht die nach 1900 geborene nationalsozialistische Tätergeneration, die Historiker wie Ulrich Herbert, der einen Gastauftritt im Roman erhält, dadurch abgrenzen, dass sie vom Ersten Weltkrieg geprägt ist, ohne in ihm gekämpft zu haben, dass sie den Zweiten Weltkrieg gewinnen wollte und dass sie am Ende noch die Wiedervereinigung erlebte. Es ist die Generation des Großvaters von Per Leo, der 1972 geboren wurde.
Dass das Material, aus dem der Roman entspringt, authentisch ist, lässt sich nicht nur dem Umstand entnehmen, dass es sich mit den Quellen von Leos im vorigen Jahr erschienener, gelehrter und scharfsinniger Doktorarbeit (Der Wille zum Wesen, Verlag Matthes & Seitz) überschneidet, und liegt auch nicht allein daran, dass sich vieles mit zwei Klicks nachprüfen lässt: So kann man eine 1912 unter dem Titel „Jungdeutschland. Wehrerziehung für die deutsche Jugend“ erschienene Schrift von Leos Urgroßvater Heinrich Leo antiquarisch kaufen, und die Internetanbieter zeigen auch das im Roman exakt beschriebene Titelbild.
Darüber hinaus hat Leo für diese Authentizität auch einen formalen Einfall: Für Klarnamen, die er nicht nennen mag, verweigert er die üblichen gefahrlosen Varianten (derzufolge aus Tante Irmela dann Tante Irene wird), er setzt stattdessen genealogische Kürzel: W36 ist eine 1936 geborene Tante, M42 deren 1942 zur Welt gekommener Bruder. Beiläufig erfährt man, dass M42 Leos Vater ist. Die Kürzel haben etwas Grausames in einer Welt enger Familienbeziehungen, sie sind ein Sachlichkeitssignal. Als solches weist es in die Sphäre, wo aus Familienliebe Erbbiologie wird.
Die Spannung der Geschichte kommt also aus der Zweideutigkeit. Gute Gefühle werden böse. Nähe und Wärme leisten dem Mord Vorschub. Feinsinn rechtfertigt Gnadenlosigkeit. Was macht dies mit den Kindern und Erben der guten Gefühle, der alten Bücher und der schönen Gedichte, die der Roman zitiert? Leos Großvater Friedrich Leo (1908 bis 1993), ein Sohn des Jungdeutschland-Autors, war Abteilungsleiter im Rasse-und Siedlungs-Hauptamt der SS. Die Leos vor ihm waren seit Generationen evangelische Pfarrer und Gelehrte, und vor dem Ersten Weltkrieg heiratet einer in die Bremer Schiffsbauerfamilie der Langes, Mitbegründern der Vulkan AG, ein. Wir haben also eine Generationenfolge von Wirtschafts- und Bildungsgroßbürgern.
Die Frage des Historikers Leo ist: Wie konnte das feine, belesene, kultivierte deutsche Bürgertum in so beträchtlichen Teilen dem Rassismus, dem bösartigen Judenhass der Nazis verfallen, ihn nicht einfach widerstandslos gewähren lassen (was schlimm genug wäre), sondern ihn überhaupt für diskutabel halten und ihm zuarbeiten? Gibt es einen Weg von Goethe zu Himmler?
Ja, erschreckenderweise gibt es sogar das. Das war die These von Leos Doktorarbeit, der Roman führt sie vor. Goethes Wissenschaft sah die Natur als Kosmos von Anschaulichkeiten, die nicht gesetzlich begriffen, sondern in ihrer Fülle erlebt und nach Typen geordnet werden sollten; nicht mathematische Generalisierungen, sondern anschauliche Unterscheidungen waren ihr Ziel. Man könnte meinen: ein antitotalitäres Programm. Aber, in der Gestalt der Charakterologie, der unterscheidenden Betrachtung von Menschentypen, kann in wenigen Verdrehungen daraus ein Programm von Herrenmenschen und Untermenschen werden. Was tut ein Abteilungsleiter für Rasse der SS? Er begutachtet Menschen zur Selektion für neue Siedlungsräume.
Diese grobe Zusammenfassung wird Leos sensibler Erzählkunst nur andeutend gerecht. Er verteilt Gedankenkomplexe auf Figuren: Der rassistische Großvater hat einen anthroposophischen Bruder; deren Vater war autoritärer Protestant; der rassistische Großvater ist heidnisch, naturgläubig, der anthroposophische Onkel aber frommer Goethe-Leser; seine Frau hat er im linksprotestantischen Milieu gefunden. Der SS-Mann war ein Schulversager und Naturfreund; körperliche Wohlgeratenheit ersetzte ihm bei den Nazis die Bildungspatente. Die beiden Brüder haben Nachkommen, die sehr unterschiedlich mit diesen seelischen Erbschaften umgehen.
Wie Leo das begreiflich macht, das ist fast immer glanzvoll. Er übersetzt Geistesgeschichte in familiäre Intimität, so wird sie neu zugänglich. Hier rechtfertigt sich der Schritt von der Historie zum Roman. Leo verwandelt Individuen mit sanfter Klarheit zu Idealtypen, so ähnlich wie Gerhard Richter Familienfotos zu Gemälden verwischt: Die Individuen bleiben durchschimmernd erhalten, ihre Konturen werden weich und allgemein, was man fast selbst als ein Goethesches Verfahren bezeichnen könnte.
Ein Höhepunkt ist das fünfte Kapitel „Im Mastkorb“, in dem Leo am Beispiel von Kindheitsprägungen seines anthroposophischen Onkels Martin die Gefühlswelt des klassischen deutschen Bildungsromans mit Heimatgebundenheit und Fernweh erstehen lässt und einen besonderen Menschen in seinem Kosmos zeigt; oder das zehnte Kapitel, in dem das Überdauern einer altmodischen Form bürgerlicher Ruhe in der DDR bei Martins Kindern gezeigt wird. Mit wenigen Einzelheiten kann Leo ganze Glaubenssysteme kontrastieren: Christen lassen auf ihren Adventskränzen die Zahl der Kerzen von eins auf vier wachsen, denn sie gehen dem heilsgeschichtlichen Erscheinen der Gnade entgegen; die Völkischen lassen das Licht abnehmen, von vier auf eins, denn sie warten auf die immergleiche Sonnenwende vom Dunkel zum Licht.
Trotz seiner kulturtypologischen Anlage ist der Roman nicht verschwommen, er bleibt subtil. Die Gedanken sind genau, die Pointen scharf gesetzt: Der Goethe-Onkel hat das Rückenleiden Morbus Bechterew; also bestimmt das Rasse-Amt der SS ihn zur Sterilisierung. Und doch teilt der Goethe-Onkel mit dem SS-Großvater das Interesse für Grafologie, die Goetheanische Wissenschaft vom körperlichen Ausdruck des Geistes. Einen Tugendkatalog, den der besiegte und kriegsgefangene SS-Großvater für seine Kinder aufschreibt (er will sich als Mann und Vater behaupten), wird zitiert, und erst dann sagt der Erzähler, der Historiker-Enkel, knapp: „Man wird begriffen haben, dass ich meinen Großvater im Großen und Ganzen nicht verachte. Doch wenn ich das lese, empfinde ich Hass.“
Warum? Nicht eines einzelnen „Gedankens“ wegen, sondern wegen eines Sprechakts. Der kurze Text des Großvaters ist nämlich zugleich fordernd-drohend und vollendet undeutlich. Kinder, die diese Gebote annehmen wollen, geraten in einen Albtraum. Eine düstere Stimme spricht zu ihnen: Das musst du unbedingt tun, damit alles gut wird. Allein, was es ist, das getan werden muss, ist nicht zu verstehen. Die Sprache des Bösen erweist sich als leeres Dröhnen, als Hohlform des Religiösen, die nur dazu da ist, bedingungslosen Gehorsam zu erzeugen.
So finden Abscheu und Trauer ohne nachträgliche Überhebung ihre Stelle in diesem Roman, der als Ganzes ein Unternehmen der Rettung und der Liebe ist. Mit ihm erreicht der erzählende Nazi-Enkel, der am Beginn etwas konventionell unter seinem Enkeltrauma zusammenbricht, den Seelenfrieden. Die Erzählung zeigt, unter welchen Bedingungen die guten Gefühle, die den Eltern, der Herkunft, der Heimat, dem Fußballklub und sogar der Nation gelten, noch funktionieren können. Wie? Mit unterscheidendem Verstehen. Die Goetheanische Polarität der Figuren offenbart, dass es immer auch eine bessere Möglichkeit gab. Hinter dem Generationenroman steht der individuelle Bildungsroman des Erzählers. Auch das ist ein Tribut an die Kultur, die er auf den Prüfstand stellt.
Geschildert wird, was in drei
Generationen gedacht, geglaubt
und empfunden wurde
Mit dem Blick des Historikers
entdeckt Per Leo im Individuellen
das idealtypische Deutsche
Wie konnte das kultivierte deutsche Bürgertum dem Judenhass der Nazis verfallen?
Unser Bild von 1950 zeigt ein israelisches Schiff (Zion, Haifa), und ein deutsches (Arcturus, Bremen)
friedlich vertäut im Hafen von Haifa. Foto: Max G. Scheler
Per Leo: Flut und Boden. Roman einer Familie.
Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2014. 352 Seiten, 21,95 Euro, E-Book 17,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.03.2014Die Schmuggler der Gedanken
In "Flut und Boden" erzählt Per Leo von seinem Großvater, einem Rassehygieniker. Vor dem Roman schrieb er eine Doktorarbeit über die Geisteswelt der Nationalsozialisten. Was sieht man, wenn man das eine Buch durch das andere betrachtet?
Per Leo ist Werder-Fan, wahrscheinlich einer, der über Werder Bremen alles weiß, jedes Spiel, jeden Spieler und jedes Tor kennt und davon auf eine Weise erzählen kann, dass man glaubt, es gäbe nichts anderes und Besseres auf der Welt als diesen Verein und die große Familie der Werder-Fans und das ungeheure Gefühl, wenn du in der Fan-Kurve stehst und mit Begeisterung einer von vielen geworden bist. Aber irgendwann ist das Spiel aus, und du bist wieder allein, mit dir, der Welt und deinen Problemen.
Mitte der neunziger Jahre sitzt der Student Leo bei seiner Großmutter zu Hause und räumt das Bücherregal seines Großvaters Friedrich aus. Er macht zwei Stapel, auf den einen legt er die Klassiker, die, warum auch immer, zur Allgemeinbildung eines Deutschen gehören können, Ranke, Schopenhauer, Goethe und ähnliche Geister, auf dem anderen landen Bücher, die sich der Nazi-Opa, Abteilungsleiter im Rasse- und Siedlungshauptamt der SS, für seine ideelle und materielle Karriere zulegte, Werke von Alfred Rosenberg, Houston St. Chamberlain, Walther Darré und ähnlichen Kalibern. Das Sortieren geht dem jungen Mann einfach von der Hand. Doch dann taucht ein Buch von Ludwig Klages auf, "Handschrift und Charakter", und er weiß nicht, wohin damit.
Das ist die ganz persönliche Ursprungsszene eines wissenschaftlichen Interesses, aus dem die Dissertation eines Nazi-Enkels über "Weltanschauungskultur, charakterologisches Denken und Judenfeindschaft in Deutschland 1890-1940" entsteht, kürzer: "Der Wille zum Wesen". Sie erschien im letzten Jahr und beginnt mit dem folgenreichen Stapeln der folgenreichen Bücher des Großvaters.
Ohne Buch kein Buch: Das ist eine Grundvoraussetzung der Geisteswissenschaften, vor allem der Rezeptionsforschung. Wenn Historiker davon ausgehen, dass Bücher, die Ansichten über Gott und die Welt vermitteln, sich beim Leser in ein für seine Einstellung zur Welt nützliches, praktisches Wissen verwandeln, dann wird aus der Erforschung von Gedanken und ihren Folgen eine Art kritische Weltanschauungskunde. Was konnte sich ein Teil der gebildeten bürgerlichen Schicht gedacht haben, als es darum ging, sich einen Platz im sogenannten Dritten Reich zu sichern?
Gedanken sind zollfrei, aber man hat doch Scherereien, sagt Karl Kraus.
Das "Dritte Reich" war Politik und Propaganda, aber kein Lieferant von Ideen, die, nach Leo, von bürgerlichen Köpfen, welche "sich nicht an dezidiert liberalen, marxistischen oder katholischen Ideen orientieren wollten", dringend gesucht wurden und nicht darauf verzichten mochten, die "nicht-politischen Dimensionen des eigenen Lebens mit dem Politischen in einen plausiblen Sinnzusammenhang zu bringen". Was heißt das?
Einfach gesagt: Wem die Nazis zu dumm, aber kein Gegenstand von Kritik waren, der versuchte sich Theorien und Gedanken einzureden, mit denen er seine Stellung im neuen Reich halten konnte, er legte sich eine Meinung über die Welt und die Menschen zurecht, die ihn nicht in Konflikt mit der nationalsozialistischen Herrschaft brachte.
Die Charakterologie oder, wie Leo sagt, der "charakterologische Denkstil" kreist um die Frage, wie die Ungleichheit der Menschen zu erfassen sei, und sie findet Antworten, indem sie vom Wesen und Typischen, Mann und Frau, vom Eigenen, den Deutschen, und anderen, Fremden, den Juden, von der Seele und ihrem körperlichen Ausdruck redet.
Diese Theorie war "unscharf" in dem Sinne, dass sie sich in eine gewohnte Praxis umsetzen ließ, das heißt, sie befriedigte das "ungebrochene Weltanschauungsbedürfnis" von gebildeten Bürgern des "Dritten Reiches" und half ihnen dabei, mitzumachen, statt gegen den nationalsozialistischen Staat zu sein. Die Leute redeten sich beim Lesen solcher Bücher ein, ihre intellektuelle Individualität dadurch beweisen zu können, dass sie sich ihre privaten Gedanken, einen charakterologischen Reim auf den Nationalsozialismus machten, mit dem sich darauf offenbar gut leben ließ, da das Regime in ihnen keine Gegner erkannte.
Die Geschichte der Ideen, aus denen die Charakterologie schöpfte, reicht zurück bis zu Goethes anschaulichem Denken. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts hatte Rudolf Steiner dessen naturwissenschaftliche Schriften herausgegeben und mit einer Einleitung versehen, "dem ersten - und bis heute instruktiven - Versuch, Goethes Naturforschungen als Ganzes verständlich zu machen". Hinzu kam eine textkritische Fassung dieser Schriften im Rahmen der Werkausgabe, an der Steiner ebenfalls mitarbeitete.
Goethes morphologisches Denken gelangte über Schopenhauer, Haeckel, Nietzsche, Spengler und Otto Weininger zu Klages ausgearbeiteter Charakterologie. Für gebildete Zeitgenossen waren diese außerakademischen Ansichten über Wesen und Seele, Echtheit und Ausdruck des Menschen ein Scharnier, eine Weiche, über die sie, manche auch heimlich, also unter der Hand von akzeptierten Widersprüchen, Anschluss an den rassenbiologischen Antisemitismus fanden. Gedanken können, so Leo, Schmuggelware sein.
Früher, als man Ideologiekritik betrieb, glaubte man, dass solche Gedanken falsch, aber ihre Entstehung und Aneignung irgendwie notwendig seien, ein Reflex der sozialen Klasse, in der einer lebte. Eine Weltanschauung dagegen soll einem Menschen einen Sinn bieten und wird deswegen von ihm bewusst und gezielt gesucht und angenommen, auch über abenteuerliche Behauptungen, markanten Unsinn und absurde Aussagen hinweg.
Wer nicht zu diesen bis zum Wahn gebildeten Bürgern, zu den "weltanschaulich involvierten Zeitgenossen" zählte, lässt sich mit dieser Analyse des Zollverkehrs von Gedanken und Theorien nicht fassen. Für "die nationalsozialistische Lebenswelt von Arbeitermilieus" zum Beispiel muss der Forscher, so Leo, auf die oral history zurückgreifen. Weil die Arbeiter nicht Klages lasen? Rudolf Steiner, dessen Buch über "Goethes Weltanschauung" 1897 erschien, hielt ihnen Vorträge über alle möglichen und unmöglichen Dinge aus Diesseits und Jenseits, Vergangenheit und Zukunft. Die geistesgeschichtliche Hermeneutik kann mit den gebildeten Bewohnern von Villen und Besitzern von Bibliotheken viel, mit dem ungebildeten Personal offensichtlich nichts anfangen.
Per Leo hat noch einen Großonkel, Martin Leo, der ebenfalls Klages las, aber nicht wie der Bruder Friedrich zur SS ging, sondern sich mehr zu Goethe und Steiner und zu friedlichen Betrachtungen des Daseins hingezogen fühlte. Er gehörte nicht zu dem Teil der gebildeten Schicht in Deutschland, der durch einschlägige Literatur sein Weltanschauungsbedürfnis dahingehend befriedigte, dass er sich auf diese Weise mit dem Nazi-Regime gut arrangieren konnte. Vor allem von diesen beiden so unterschiedlichen Männern handelt Leos "Roman einer Familie", der in diesem Jahr ebenfalls erschien und der Martinsbruder seiner Friedrichsdissertation ist.
Das Buch beginnt ebenfalls mit der für die Forschungsarbeit des Studenten entscheidenden Szene vor der Bibliothek des Sturmbannführers Friedrich. Es ist eine Recherche in die über mehrere Generationen sich hinziehende, einst großbürgerliche Vergangenheit des jungen Historikers Per Leo, der unmittelbar durch seine Familie mit dem bekannt wurde, was ihn als Wissenschaftler beschäftigen wird: dem intellektuellen und politisch praktischen Nutzen, den gebildete Bürger in einem begrenzten Zeitraum aus bestimmten Büchern zogen oder ziehen konnten. Ganz sicher weiß ja auch ein Historiker nicht, ob die gebildete Schicht ein Buch so verstand, wie er meint, dass es verstanden werden müsste.
"Flut und Boden" ist, genetisch betrachtet, nicht das Resultat der Dissertation, auch wenn er ihr zeitlich folgte, sondern ihre lebensweltliche Voraussetzung, ganz so, als würde der Autor, fern der üblichen Argumentation darüber, welche Zwecke er mit seinen Forschungen verfolge, durch ein zweites, mehr tastendes als urteilendes Buch zu erklären versuchen, welchen weitläufigeren Sinn das wissenschaftliche Unternehmen hatte, das ihn viele Jahre seines Leben beschäftigte.
Am Anfang des Romans zieht sich ein Student am dicken Seil der Nazi-Vergangenheit seines Großvaters aus einer Lebenskrise. Auslöser, Art und Form der Krise bleiben so unscharf wie das weltanschauliche Denken der vorletzten Jahrhundertwende, als handle es sich hier ebenfalls um eine Orientierungskrise. Sie wird durch streng logisches und sachliches Fragen und Antworten, durch eine ausgedehnte wissenschaftliche Arbeit über das Sinnbedürfnis der gebildeten Teile der Generation, der sein Großvater angehörte, überwunden. In Leos Studie über den Willen zum Wesen heißt es einmal: "Auf ein ,Bürgertum', das Kurse besuchen muss, um das Decken eines Tisches zu lernen, wird sich schließlich keine Gesellschaft der Welt verlassen. Symptomatisch für das 20. und 21. Jahrhundert sind Hypochonder und Raver, nicht Mönche, höhere Töchter und Reserveoffiziere." Ohne ein starkes Arbeitsethos, wie es in wirtschaftlich erfolgreichen bürgerlichen Familien tradiert wurde, wäre die Materialfülle der Untersuchung und deren meisterliche Durchdringung nicht zu bewältigen gewesen.
Wenn die Dissertation Auskunft über diese Krise im Leben eines Studenten geben kann, dann insofern, als sich hier ein kluger Kopf freizudenken versucht. Er nimmt es mit all den Gedanken auf, aus denen sich eine einflussreiche Weltanschauungskultur zusammensetzte, die bis zu Goethes anschaulichem Denken und Carl Gustav Carus' vergleichender Physiognomie führt und einst zwei Brüder der eigenen Familie in so unterschiedlicher, den einen in grober, den anderen in filigraner Weise beeinflusste.
Leo muss sich nach der intellektuellen Anstrengung der Dissertation seiner selbst sicher gefühlt haben, weltanschauungsresistent, souverän, eben wie einer, der sich bewiesen hat, dass er denken kann. Und wie einer, der seinen Platz in der Familiengeschichte gefunden hat, also ein durch Reflexion zu sich selbst gekommener Enkel, ein sehr kluger Nachfahr und Kritiker jener bürgerlichen Bildung, die ins Abseits des "Dritten Reiches" lief.
Die autobiographische Erkundung "Flut und Boden" verwandelt sich oft in eine Ansammlung von Abhandlungen über Charakterologie, Kulturprotestantismus und Schiffsbau. Vor diesen Panoramen historischen Wissens verschwinden die Verwandten, ganz so, als wäre eine Schultafel von der Wand gefallen und hätte die Schüler unter sich begraben, die sich aufzusagen bemühten, was hinter ihnen auf der Tafel stand. Sie hätten sich nur umdrehen und es ablesen müssen. Aber so einfach kommt keiner aus seiner Zeit und Rolle heraus, auch ein Historiker nicht.
Das geheime Zentrum des Buches ist Martin, der Anthroposoph. Leo mag die Lehre Steiners nicht, und er hält mit Spott nicht zurück, obwohl er weiß, dass der Großonkel hier eine Anschauung der Welt und des Lebens fand, die schon immer auf dessen eigenwilligem Weg gelegen zu haben schien, der mit einem zaghaften und nicht enden wollenden Staunen über die Natur begann. Wo auch immer dieser Weg ihn noch hinführen sollte, der Steiner-Freund Martin landete nicht bei den Nazis, aber er verschwand bald aus dem Blick des jungen und etwas ratlosen Historikers, der von der anthroposophischen Weltanschauung offenbar nichts wissen möchte.
Am Ende wird keine der Figuren, an denen die Geschichte hing, nicht Friedrich, nicht Leo, im Herzen des Lesers überleben, als hätte Per Leo mit allen Mitteln vermeiden wollen, was der charakterologische Denkstil zu seinem Programm erhoben hat: Worte über das Innerste eines Menschen zu finden, über sein Wesen, seine Seele, seine Gefühle, mit denen man ihm, fern von den Gedanken, die er mit sich herumträgt, nahekommen kann. Der Erzähler Leo ist ein glänzender und unterhaltsamer Essayist, intelligent und manchmal jungenhaft, der sich vor Menschen um Sachlichkeit bemüht, als wollte er wie ein guter Wissenschaftler über sie nur sagen, was sich belegen lässt: Taten und Theorien, und nur daran soll man sie erkennen.
Mag sein, um jetzt wieder zu Werder Bremen zurückzukommen, dass diese Vorsicht ein Abglanz der sportlichen Fairness ist, die den Verlierer einräumen lässt, der Gegner habe dieses Mal besser gespielt, und die den Gewinner dazu bringt, dem Verlierer aufmunternd auf die Schulter zu klopfen, dass es beim nächsten Mal anders laufen kann. Den Fan interessiert, wer auf dem Platz wo und wie spielt, und nicht, was die Spieler dabei fühlen.
EBERHARD RATHGEB
Per Leo: "Flut und Boden. Roman einer Familie". Klett-Cotta, 350 Seiten, 21,95 Euro. "Der Wille zum Wesen. Weltanschauungskultur, charakterologisches Denken und Judenfeindschaft in Deutschland 1890-1940". Matthes & Seitz, 734 Seiten, 49,90 Euro
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In "Flut und Boden" erzählt Per Leo von seinem Großvater, einem Rassehygieniker. Vor dem Roman schrieb er eine Doktorarbeit über die Geisteswelt der Nationalsozialisten. Was sieht man, wenn man das eine Buch durch das andere betrachtet?
Per Leo ist Werder-Fan, wahrscheinlich einer, der über Werder Bremen alles weiß, jedes Spiel, jeden Spieler und jedes Tor kennt und davon auf eine Weise erzählen kann, dass man glaubt, es gäbe nichts anderes und Besseres auf der Welt als diesen Verein und die große Familie der Werder-Fans und das ungeheure Gefühl, wenn du in der Fan-Kurve stehst und mit Begeisterung einer von vielen geworden bist. Aber irgendwann ist das Spiel aus, und du bist wieder allein, mit dir, der Welt und deinen Problemen.
Mitte der neunziger Jahre sitzt der Student Leo bei seiner Großmutter zu Hause und räumt das Bücherregal seines Großvaters Friedrich aus. Er macht zwei Stapel, auf den einen legt er die Klassiker, die, warum auch immer, zur Allgemeinbildung eines Deutschen gehören können, Ranke, Schopenhauer, Goethe und ähnliche Geister, auf dem anderen landen Bücher, die sich der Nazi-Opa, Abteilungsleiter im Rasse- und Siedlungshauptamt der SS, für seine ideelle und materielle Karriere zulegte, Werke von Alfred Rosenberg, Houston St. Chamberlain, Walther Darré und ähnlichen Kalibern. Das Sortieren geht dem jungen Mann einfach von der Hand. Doch dann taucht ein Buch von Ludwig Klages auf, "Handschrift und Charakter", und er weiß nicht, wohin damit.
Das ist die ganz persönliche Ursprungsszene eines wissenschaftlichen Interesses, aus dem die Dissertation eines Nazi-Enkels über "Weltanschauungskultur, charakterologisches Denken und Judenfeindschaft in Deutschland 1890-1940" entsteht, kürzer: "Der Wille zum Wesen". Sie erschien im letzten Jahr und beginnt mit dem folgenreichen Stapeln der folgenreichen Bücher des Großvaters.
Ohne Buch kein Buch: Das ist eine Grundvoraussetzung der Geisteswissenschaften, vor allem der Rezeptionsforschung. Wenn Historiker davon ausgehen, dass Bücher, die Ansichten über Gott und die Welt vermitteln, sich beim Leser in ein für seine Einstellung zur Welt nützliches, praktisches Wissen verwandeln, dann wird aus der Erforschung von Gedanken und ihren Folgen eine Art kritische Weltanschauungskunde. Was konnte sich ein Teil der gebildeten bürgerlichen Schicht gedacht haben, als es darum ging, sich einen Platz im sogenannten Dritten Reich zu sichern?
Gedanken sind zollfrei, aber man hat doch Scherereien, sagt Karl Kraus.
Das "Dritte Reich" war Politik und Propaganda, aber kein Lieferant von Ideen, die, nach Leo, von bürgerlichen Köpfen, welche "sich nicht an dezidiert liberalen, marxistischen oder katholischen Ideen orientieren wollten", dringend gesucht wurden und nicht darauf verzichten mochten, die "nicht-politischen Dimensionen des eigenen Lebens mit dem Politischen in einen plausiblen Sinnzusammenhang zu bringen". Was heißt das?
Einfach gesagt: Wem die Nazis zu dumm, aber kein Gegenstand von Kritik waren, der versuchte sich Theorien und Gedanken einzureden, mit denen er seine Stellung im neuen Reich halten konnte, er legte sich eine Meinung über die Welt und die Menschen zurecht, die ihn nicht in Konflikt mit der nationalsozialistischen Herrschaft brachte.
Die Charakterologie oder, wie Leo sagt, der "charakterologische Denkstil" kreist um die Frage, wie die Ungleichheit der Menschen zu erfassen sei, und sie findet Antworten, indem sie vom Wesen und Typischen, Mann und Frau, vom Eigenen, den Deutschen, und anderen, Fremden, den Juden, von der Seele und ihrem körperlichen Ausdruck redet.
Diese Theorie war "unscharf" in dem Sinne, dass sie sich in eine gewohnte Praxis umsetzen ließ, das heißt, sie befriedigte das "ungebrochene Weltanschauungsbedürfnis" von gebildeten Bürgern des "Dritten Reiches" und half ihnen dabei, mitzumachen, statt gegen den nationalsozialistischen Staat zu sein. Die Leute redeten sich beim Lesen solcher Bücher ein, ihre intellektuelle Individualität dadurch beweisen zu können, dass sie sich ihre privaten Gedanken, einen charakterologischen Reim auf den Nationalsozialismus machten, mit dem sich darauf offenbar gut leben ließ, da das Regime in ihnen keine Gegner erkannte.
Die Geschichte der Ideen, aus denen die Charakterologie schöpfte, reicht zurück bis zu Goethes anschaulichem Denken. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts hatte Rudolf Steiner dessen naturwissenschaftliche Schriften herausgegeben und mit einer Einleitung versehen, "dem ersten - und bis heute instruktiven - Versuch, Goethes Naturforschungen als Ganzes verständlich zu machen". Hinzu kam eine textkritische Fassung dieser Schriften im Rahmen der Werkausgabe, an der Steiner ebenfalls mitarbeitete.
Goethes morphologisches Denken gelangte über Schopenhauer, Haeckel, Nietzsche, Spengler und Otto Weininger zu Klages ausgearbeiteter Charakterologie. Für gebildete Zeitgenossen waren diese außerakademischen Ansichten über Wesen und Seele, Echtheit und Ausdruck des Menschen ein Scharnier, eine Weiche, über die sie, manche auch heimlich, also unter der Hand von akzeptierten Widersprüchen, Anschluss an den rassenbiologischen Antisemitismus fanden. Gedanken können, so Leo, Schmuggelware sein.
Früher, als man Ideologiekritik betrieb, glaubte man, dass solche Gedanken falsch, aber ihre Entstehung und Aneignung irgendwie notwendig seien, ein Reflex der sozialen Klasse, in der einer lebte. Eine Weltanschauung dagegen soll einem Menschen einen Sinn bieten und wird deswegen von ihm bewusst und gezielt gesucht und angenommen, auch über abenteuerliche Behauptungen, markanten Unsinn und absurde Aussagen hinweg.
Wer nicht zu diesen bis zum Wahn gebildeten Bürgern, zu den "weltanschaulich involvierten Zeitgenossen" zählte, lässt sich mit dieser Analyse des Zollverkehrs von Gedanken und Theorien nicht fassen. Für "die nationalsozialistische Lebenswelt von Arbeitermilieus" zum Beispiel muss der Forscher, so Leo, auf die oral history zurückgreifen. Weil die Arbeiter nicht Klages lasen? Rudolf Steiner, dessen Buch über "Goethes Weltanschauung" 1897 erschien, hielt ihnen Vorträge über alle möglichen und unmöglichen Dinge aus Diesseits und Jenseits, Vergangenheit und Zukunft. Die geistesgeschichtliche Hermeneutik kann mit den gebildeten Bewohnern von Villen und Besitzern von Bibliotheken viel, mit dem ungebildeten Personal offensichtlich nichts anfangen.
Per Leo hat noch einen Großonkel, Martin Leo, der ebenfalls Klages las, aber nicht wie der Bruder Friedrich zur SS ging, sondern sich mehr zu Goethe und Steiner und zu friedlichen Betrachtungen des Daseins hingezogen fühlte. Er gehörte nicht zu dem Teil der gebildeten Schicht in Deutschland, der durch einschlägige Literatur sein Weltanschauungsbedürfnis dahingehend befriedigte, dass er sich auf diese Weise mit dem Nazi-Regime gut arrangieren konnte. Vor allem von diesen beiden so unterschiedlichen Männern handelt Leos "Roman einer Familie", der in diesem Jahr ebenfalls erschien und der Martinsbruder seiner Friedrichsdissertation ist.
Das Buch beginnt ebenfalls mit der für die Forschungsarbeit des Studenten entscheidenden Szene vor der Bibliothek des Sturmbannführers Friedrich. Es ist eine Recherche in die über mehrere Generationen sich hinziehende, einst großbürgerliche Vergangenheit des jungen Historikers Per Leo, der unmittelbar durch seine Familie mit dem bekannt wurde, was ihn als Wissenschaftler beschäftigen wird: dem intellektuellen und politisch praktischen Nutzen, den gebildete Bürger in einem begrenzten Zeitraum aus bestimmten Büchern zogen oder ziehen konnten. Ganz sicher weiß ja auch ein Historiker nicht, ob die gebildete Schicht ein Buch so verstand, wie er meint, dass es verstanden werden müsste.
"Flut und Boden" ist, genetisch betrachtet, nicht das Resultat der Dissertation, auch wenn er ihr zeitlich folgte, sondern ihre lebensweltliche Voraussetzung, ganz so, als würde der Autor, fern der üblichen Argumentation darüber, welche Zwecke er mit seinen Forschungen verfolge, durch ein zweites, mehr tastendes als urteilendes Buch zu erklären versuchen, welchen weitläufigeren Sinn das wissenschaftliche Unternehmen hatte, das ihn viele Jahre seines Leben beschäftigte.
Am Anfang des Romans zieht sich ein Student am dicken Seil der Nazi-Vergangenheit seines Großvaters aus einer Lebenskrise. Auslöser, Art und Form der Krise bleiben so unscharf wie das weltanschauliche Denken der vorletzten Jahrhundertwende, als handle es sich hier ebenfalls um eine Orientierungskrise. Sie wird durch streng logisches und sachliches Fragen und Antworten, durch eine ausgedehnte wissenschaftliche Arbeit über das Sinnbedürfnis der gebildeten Teile der Generation, der sein Großvater angehörte, überwunden. In Leos Studie über den Willen zum Wesen heißt es einmal: "Auf ein ,Bürgertum', das Kurse besuchen muss, um das Decken eines Tisches zu lernen, wird sich schließlich keine Gesellschaft der Welt verlassen. Symptomatisch für das 20. und 21. Jahrhundert sind Hypochonder und Raver, nicht Mönche, höhere Töchter und Reserveoffiziere." Ohne ein starkes Arbeitsethos, wie es in wirtschaftlich erfolgreichen bürgerlichen Familien tradiert wurde, wäre die Materialfülle der Untersuchung und deren meisterliche Durchdringung nicht zu bewältigen gewesen.
Wenn die Dissertation Auskunft über diese Krise im Leben eines Studenten geben kann, dann insofern, als sich hier ein kluger Kopf freizudenken versucht. Er nimmt es mit all den Gedanken auf, aus denen sich eine einflussreiche Weltanschauungskultur zusammensetzte, die bis zu Goethes anschaulichem Denken und Carl Gustav Carus' vergleichender Physiognomie führt und einst zwei Brüder der eigenen Familie in so unterschiedlicher, den einen in grober, den anderen in filigraner Weise beeinflusste.
Leo muss sich nach der intellektuellen Anstrengung der Dissertation seiner selbst sicher gefühlt haben, weltanschauungsresistent, souverän, eben wie einer, der sich bewiesen hat, dass er denken kann. Und wie einer, der seinen Platz in der Familiengeschichte gefunden hat, also ein durch Reflexion zu sich selbst gekommener Enkel, ein sehr kluger Nachfahr und Kritiker jener bürgerlichen Bildung, die ins Abseits des "Dritten Reiches" lief.
Die autobiographische Erkundung "Flut und Boden" verwandelt sich oft in eine Ansammlung von Abhandlungen über Charakterologie, Kulturprotestantismus und Schiffsbau. Vor diesen Panoramen historischen Wissens verschwinden die Verwandten, ganz so, als wäre eine Schultafel von der Wand gefallen und hätte die Schüler unter sich begraben, die sich aufzusagen bemühten, was hinter ihnen auf der Tafel stand. Sie hätten sich nur umdrehen und es ablesen müssen. Aber so einfach kommt keiner aus seiner Zeit und Rolle heraus, auch ein Historiker nicht.
Das geheime Zentrum des Buches ist Martin, der Anthroposoph. Leo mag die Lehre Steiners nicht, und er hält mit Spott nicht zurück, obwohl er weiß, dass der Großonkel hier eine Anschauung der Welt und des Lebens fand, die schon immer auf dessen eigenwilligem Weg gelegen zu haben schien, der mit einem zaghaften und nicht enden wollenden Staunen über die Natur begann. Wo auch immer dieser Weg ihn noch hinführen sollte, der Steiner-Freund Martin landete nicht bei den Nazis, aber er verschwand bald aus dem Blick des jungen und etwas ratlosen Historikers, der von der anthroposophischen Weltanschauung offenbar nichts wissen möchte.
Am Ende wird keine der Figuren, an denen die Geschichte hing, nicht Friedrich, nicht Leo, im Herzen des Lesers überleben, als hätte Per Leo mit allen Mitteln vermeiden wollen, was der charakterologische Denkstil zu seinem Programm erhoben hat: Worte über das Innerste eines Menschen zu finden, über sein Wesen, seine Seele, seine Gefühle, mit denen man ihm, fern von den Gedanken, die er mit sich herumträgt, nahekommen kann. Der Erzähler Leo ist ein glänzender und unterhaltsamer Essayist, intelligent und manchmal jungenhaft, der sich vor Menschen um Sachlichkeit bemüht, als wollte er wie ein guter Wissenschaftler über sie nur sagen, was sich belegen lässt: Taten und Theorien, und nur daran soll man sie erkennen.
Mag sein, um jetzt wieder zu Werder Bremen zurückzukommen, dass diese Vorsicht ein Abglanz der sportlichen Fairness ist, die den Verlierer einräumen lässt, der Gegner habe dieses Mal besser gespielt, und die den Gewinner dazu bringt, dem Verlierer aufmunternd auf die Schulter zu klopfen, dass es beim nächsten Mal anders laufen kann. Den Fan interessiert, wer auf dem Platz wo und wie spielt, und nicht, was die Spieler dabei fühlen.
EBERHARD RATHGEB
Per Leo: "Flut und Boden. Roman einer Familie". Klett-Cotta, 350 Seiten, 21,95 Euro. "Der Wille zum Wesen. Weltanschauungskultur, charakterologisches Denken und Judenfeindschaft in Deutschland 1890-1940". Matthes & Seitz, 734 Seiten, 49,90 Euro
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»Eine starke Erzählung, die lange nachhallt, weil sie glaubhaft den Schlüssel zu vielen Nachkriegsbiografien offenlegt.« Boris Kruse, Märkische Oderzeitung, 12.3.2015 »Der Heimatdichter und der Rockstar, das ist die Skala der Stimmen, die in diesem erstaunlichen Buch zusammenkommen.« Andreas Kilb, FAZ, 8.3.2014 »... klug, temperamentvoll und vor allem: erkenntnisstiftend« Ijoma Mangold, Die Zeit, 20.2.2014 »Glanzvoll übersetzt Leo Geistesgeschichte in familiäre Intimität. Er verwandelt Individuen mit sanfter Klarheit zu Idealtypen, so ähnlich wie Gerhard Richter Familienfotos zu Gemälden verwischt.« Gustav Seibt, Süddeutsche Zeitung, 15./16.2.2014 »Der Autor schreibt mit einem brutal entmystifizierenden Sarkasmus an gegen all das bildungsbürgerliche Erinnerungsgeraune von tragischen Verstrickungen und falschen Faszinosa, das einem auf mancher Gedenkveranstaltung bis heute den Atem rauben kann. Überhaupt besticht das Buch durch die Vielfalt der Sprache, des Stils - mal ist er böse, mal einfühlsam, aber immer genau beobachtend und klug beschreibend.« Stefanie Schüler-Springorum, H/Soz/Kult, 5.1.2015 »Ein großartiges Romandebüt. Ironisch, klug, intelligent. Und vor allem richtig gut erzählt.« Karoline Pilcz, Buchkultur, 8/9 2014 »Flut und Boden ist ein beeindruckendes Meisterwerk eines Debütanten.« Peter Mohr, Titel Kulturmagazin, 9.6.2014 »Die Kritik nennt das Buch des Historikers und Schatullenproduzenten Per Leo ... klug, feinsinnig, glanzvoll, scharfsinnig und komplex. Stimmt.« Sabine Lueken, Konkret, 6/2014 »Eine Familiengeschichte, die sich verzweigt wie ein Flussdelta: In seinem beeindruckenden Erstlingsroman Flut und Boden zeichnet Per Leo auf engem Raum gleich mehrere Panoramen diverser deutschen Epochen ... eine faszinierende Gesamtschau vom Denken und Fühlen, von Kultur und Unkultur unserer Nation.« Wolfgang Pichler, General-Anzeiger, 26./27.4.2014 »Flut und Boden ist ein ungemein kluges Buch über die geistigen wie auch menschlichen Hintergründe ideeller Verirrung, eines, das keine einfachen Antworten zulässt, und eines, auf das man sich als geschichtsinteressierter Leser unbedingt einlassen sollte.« Ralph Strnad, tageblatt, März/April 2014 »... von diesem Autor möchte man gerne bald mehr lesen.« Rainer Paasch-Beeck, Kieler Zeitung, 12.3.2014 »Per Leo ... beweist, dass die neuen deutschen Familienromane eine lebendige, kraftvolle und gegenwartsrelevante Gattung sind« Stephan Wackwitz, taz, 19.2.2014 »... ein beeindruckend präzise gezeichnetes und fesselndes Familienpanorama ...« Allgemeine Zeitung, 27.2.2014 »... eine Variante des Familienromans ... wie man sie noch nicht gelesen hat ... Sie trägt den kühlen Blick ebenso in sich wie den Mut zur Schärfe, auch in eigener Sache.« Christoph Schröder, Der Tagesspiegel, 24.2.2014 »... ein literarisches Debüt von ungewöhnlicher Fertigkeit und Kunstfertigkeit, das Buch ... eines Denkers und Modelleisenbahnspielers ...« Judith von Sternburg, Frankfurter Rundschau, 21.2.2014
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