Der Westen protzt. Der Westen stellt sich in Frage. Einerseits EU-Schulterschluss im Angesicht des Ukrainekrieges. Selbstzweifel, Selbstkritik und Selbstdementierung auf der anderen Seite. Zur europäisch-nordamerikanisch-westlichen Praxis gehört eben nicht nur die Erfindung der Demokratie und der Menschenrechte, nicht nur die Idee der Gleichheit der Menschen und die Idee pluralistischer Ordnungen, der Gewaltenteilung und des vernünftigen Interessenausgleichs, sondern auch seine radikale Dementierung. Kolonialismus, Faschismus und Nationalsozialismus, Imperialismus und Rassismus sind ohne Zweifel keine nicht-westlichen, keine nicht-modernen Erscheinungen. Sie gehören konstitutiv zur westlichen Moderne dazu. Das Kursbuch 211 stellt sich dieser Ambivalenz auf vielfältigste Weise. Helmut Heit beschreibt in seinem Beitrag sehr eindringlich, dass das Lügengespinst um den Irak-Krieg jener »Koalition der Willigen« nach 9/11 nicht nur für sich normativ beurteilt werden kann, sondern gerade deshalb besonders eklatant ist, weil der Westen sich hier gewissermaßen selbst negiert. Er beschreibt dies aus der Perspektive eines akademischen Lehrers im Reich der Mitte, dessen Selbstbewusstsein inzwischen beginnt, den universalistischen Vorrang des Westens für eine kurzzeitige historische Anomalie zu halten.
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