Unsere Welt scheint zu kollabieren. Jeden Tag werden wir von Nachrichten erschlagen, wie schlimm alles ist - Klimakollaps, Weltsystemcrash, Arbeitslosigkeit, Armut, Krankheit, Hunger und Krieg. Es scheint als stünde unsere Welt am Rande des Zusammenbruchs, und doch haben wir in den letzten 100 Jahren mehr Fortschritte gemacht als in den ersten 100 000 Jahren der Menschheitsgeschichte. Während Politiker, Journalisten und Aktivisten auf allen Seiten über Schäden und Verursacher sprechen, bietet Johan Norberg einen erhellenden und ermutigenden Fortschrittsbericht zur Lösung der größten Probleme der Menschheit. Aller Panikmache und Schwarzseherei zum Trotz sind die Fakten eindeutig: Das goldene Zeitalter ist jetzt.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.07.2020Die Welt wird besser
Ein Schwede verteidigt den Kapitalismus
Karl Popper warnte davor, in der Geschichte nach Gesetzmäßigkeiten zu suchen, mit denen wir uns einfach abfinden und denen wir uns deshalb unterwerfen müssen. Die Zukunft ist offen. Aber wir können zurückblicken und uns fragen, wie die Entwicklung der letzten Jahrhunderte verlaufen ist. Obwohl wir nicht daraus schließen können, dass es immer so weitergehen wird, können wir aus der Vergangenheit doch einige Lehren ziehen. Was hat funktioniert, was hat nicht funktioniert?
Man kann die Zeitläufe natürlich unterschiedlich deuten. Verschiedene Ströme des Zukunftspessimismus spielten dabei schon immer eine Rolle. Da ist der Kulturpessimismus, der mit jeder neuen Generation einen weiter fortschreitenden Verfall der Sitten und der individuellen Fähigkeiten diagnostiziert. Da ist der ökologische Pessimismus, der uns seit Jahrzehnten auf dem Weg in die Umweltdystopie sieht. Und da ist auch der Wachstumspessimismus, der damit rechnet, dass Innovationspotential und -freude versiegen und wir stattdessen in eine stagnierende Welt eintreten werden.
In den letzten Jahren bezogen einige Autoren Stellung gegen diese pessimistische Sicht der Dinge. Zu nennen sind etwa Steven Pinkers Plädoyer für Aufklärung und Fortschritt oder Hans Roslings Ansatz, positive Entwicklungen in vielen gesellschaftlichen Bereichen mittels einer großen Datenfülle für seine Leser greifbar zu machen.
Auch der schwedische Ideengeschichtler Johan Norberg hat sich dieses Themas in seinem nun von Clemens Schneider ins Deutsche übersetzten Buch "Fortschritt" angenommen. In zehn Kapiteln, die von der Ernährung bis zu gesellschaftlichen Freiheiten auf unterschiedliche Themen fokussiert sind, dokumentiert Norberg die Entwicklungen der letzten Jahrhunderte. Er argumentiert, dass die langfristigen Entwicklungslinien in diesem Zeitraum fast durchweg zu Verbesserungen führten. Dies schlägt sich aber, so Norberg, nicht in der Wahrnehmung vieler Bürgerinnen und Bürger nieder, deren Blick auf die Welt im Zeitablauf pessimistischer wurde.
Norberg gelingt es, die langfristigen Veränderungen im Leben der Menschen plastisch zu machen, indem er Daten und Geschichten gemeinsam präsentiert. Gut belegte Anekdoten und Berichte von Zeitzeugen über das Leben vor zwei, drei oder vier Jahrhunderten würden für sich genommen schon ausreichen, um aufmerksame Leserinnen und Leser bemerken zu lassen, wie viel angenehmer das Leben seither geworden ist. Norberg führt seinen Lesern eindringlich vor Augen, wie weit sich der größte Teil der Welt inzwischen von der Gefahr absoluter Armut entfernt hat.
Wir erfahren allerdings noch mehr. Die Entwicklung, die wir seitdem genommen haben, wird nicht nur anhand von Daten belegt, sondern auch wichtige Meilensteine, wie etwa zentrale Innovationen, werden in Erinnerung gerufen. Hier ist das Buch selbst für Ökonomen, die sich hauptberuflich mit Innovation und Wachstum beschäftigen, noch informativ und stellenweise überraschend; die Informationen über die tatsächlichen Produktivitätseffekte von Innovationen, die wir heute wie selbstverständlich nutzen, sind oft bemerkenswert.
Ein dauerhafter Strom technologischer Innovationen, die schnelle Produktivitäts- und Wohlstandsentwicklung ermöglichen, hat aber selbst wieder Voraussetzungen. Hierzu gehört ein Wandel von formalen und informalen Institutionen in eine Richtung, die eine effiziente Verwendung von Ressourcen befördert. Auch hier liefert das Buch interessante historische Fallbeispiele. Dazu gehören insbesondere solche, die illustrieren, dass effizienter Institutionenwandel oft das Ergebnis dezentraler politischer und sozialer Innovation war. Kleine Gruppen brechen existierende, ineffiziente Regeln und finden, wenn sie erfolgreich sind, Nachahmer und politische Unterstützung.
Damit stellt das Buch nicht nur eine Herausforderung für politisch links verortete Kapitalismuskritiker dar, sondern auch für einen Konservatismus, der die Vergangenheit als gute alte Zeit verklärt. Technischer und gesellschaftlicher Fortschritt bedingen einander. Norberg verdeutlicht, wie viel wir nicht nur materiell dem Zusammenspiel von individueller Freiheit und Marktwirtschaft - also dem westlichen Erfolgsmodell - zu verdanken haben.
Ein weiteres Verdienst Norbergs ist es, auf die einer breiteren Öffentlichkeit oft unbekannten Menschen hinzuweisen, die es mit technologischen, medizinischen oder sozialen Innovationen möglich machten, Hunger und Armut fast überall drastisch zu reduzieren. Ganz ohne Pioniergeist gibt es Fortschritt nämlich selbst dann nicht, wenn die Institutionen ihn begünstigen.
Die Kriterien, an denen Norberg die Verbesserungen im Zeitablauf festmacht, dürften unstrittig sein. Wer könnte etwas gegen einen Rückgang von Diskriminierung und Armut haben, oder gegen einen Anstieg des Wohlstandes? Dennoch: Die Zukunft bleibt offen. Trotz aller Erfolge gibt es weiterhin ungelöste Probleme. Ein weiterer Aufholprozess von Entwicklungs- und Schwellenländern ist ebenso notwendig wie die Lösung globaler Umweltprobleme. Johan Norberg liefert starke Argumente dafür, dass hierzu eine Beschleunigung des Fortschritts und der Innovationsfreude nötig sind, nicht aber Schrumpfkuren, wie sie heute zunehmend von Wachstums- und Fortschrittskritikern gefordert werden.
JAN SCHNELLENBACH
Johan Norberg: Fortschritt - Ein Motivationsbuch für Weltverbesserer. Finanzbuch Verlag, München 2020, 272 Seiten, 19 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein Schwede verteidigt den Kapitalismus
Karl Popper warnte davor, in der Geschichte nach Gesetzmäßigkeiten zu suchen, mit denen wir uns einfach abfinden und denen wir uns deshalb unterwerfen müssen. Die Zukunft ist offen. Aber wir können zurückblicken und uns fragen, wie die Entwicklung der letzten Jahrhunderte verlaufen ist. Obwohl wir nicht daraus schließen können, dass es immer so weitergehen wird, können wir aus der Vergangenheit doch einige Lehren ziehen. Was hat funktioniert, was hat nicht funktioniert?
Man kann die Zeitläufe natürlich unterschiedlich deuten. Verschiedene Ströme des Zukunftspessimismus spielten dabei schon immer eine Rolle. Da ist der Kulturpessimismus, der mit jeder neuen Generation einen weiter fortschreitenden Verfall der Sitten und der individuellen Fähigkeiten diagnostiziert. Da ist der ökologische Pessimismus, der uns seit Jahrzehnten auf dem Weg in die Umweltdystopie sieht. Und da ist auch der Wachstumspessimismus, der damit rechnet, dass Innovationspotential und -freude versiegen und wir stattdessen in eine stagnierende Welt eintreten werden.
In den letzten Jahren bezogen einige Autoren Stellung gegen diese pessimistische Sicht der Dinge. Zu nennen sind etwa Steven Pinkers Plädoyer für Aufklärung und Fortschritt oder Hans Roslings Ansatz, positive Entwicklungen in vielen gesellschaftlichen Bereichen mittels einer großen Datenfülle für seine Leser greifbar zu machen.
Auch der schwedische Ideengeschichtler Johan Norberg hat sich dieses Themas in seinem nun von Clemens Schneider ins Deutsche übersetzten Buch "Fortschritt" angenommen. In zehn Kapiteln, die von der Ernährung bis zu gesellschaftlichen Freiheiten auf unterschiedliche Themen fokussiert sind, dokumentiert Norberg die Entwicklungen der letzten Jahrhunderte. Er argumentiert, dass die langfristigen Entwicklungslinien in diesem Zeitraum fast durchweg zu Verbesserungen führten. Dies schlägt sich aber, so Norberg, nicht in der Wahrnehmung vieler Bürgerinnen und Bürger nieder, deren Blick auf die Welt im Zeitablauf pessimistischer wurde.
Norberg gelingt es, die langfristigen Veränderungen im Leben der Menschen plastisch zu machen, indem er Daten und Geschichten gemeinsam präsentiert. Gut belegte Anekdoten und Berichte von Zeitzeugen über das Leben vor zwei, drei oder vier Jahrhunderten würden für sich genommen schon ausreichen, um aufmerksame Leserinnen und Leser bemerken zu lassen, wie viel angenehmer das Leben seither geworden ist. Norberg führt seinen Lesern eindringlich vor Augen, wie weit sich der größte Teil der Welt inzwischen von der Gefahr absoluter Armut entfernt hat.
Wir erfahren allerdings noch mehr. Die Entwicklung, die wir seitdem genommen haben, wird nicht nur anhand von Daten belegt, sondern auch wichtige Meilensteine, wie etwa zentrale Innovationen, werden in Erinnerung gerufen. Hier ist das Buch selbst für Ökonomen, die sich hauptberuflich mit Innovation und Wachstum beschäftigen, noch informativ und stellenweise überraschend; die Informationen über die tatsächlichen Produktivitätseffekte von Innovationen, die wir heute wie selbstverständlich nutzen, sind oft bemerkenswert.
Ein dauerhafter Strom technologischer Innovationen, die schnelle Produktivitäts- und Wohlstandsentwicklung ermöglichen, hat aber selbst wieder Voraussetzungen. Hierzu gehört ein Wandel von formalen und informalen Institutionen in eine Richtung, die eine effiziente Verwendung von Ressourcen befördert. Auch hier liefert das Buch interessante historische Fallbeispiele. Dazu gehören insbesondere solche, die illustrieren, dass effizienter Institutionenwandel oft das Ergebnis dezentraler politischer und sozialer Innovation war. Kleine Gruppen brechen existierende, ineffiziente Regeln und finden, wenn sie erfolgreich sind, Nachahmer und politische Unterstützung.
Damit stellt das Buch nicht nur eine Herausforderung für politisch links verortete Kapitalismuskritiker dar, sondern auch für einen Konservatismus, der die Vergangenheit als gute alte Zeit verklärt. Technischer und gesellschaftlicher Fortschritt bedingen einander. Norberg verdeutlicht, wie viel wir nicht nur materiell dem Zusammenspiel von individueller Freiheit und Marktwirtschaft - also dem westlichen Erfolgsmodell - zu verdanken haben.
Ein weiteres Verdienst Norbergs ist es, auf die einer breiteren Öffentlichkeit oft unbekannten Menschen hinzuweisen, die es mit technologischen, medizinischen oder sozialen Innovationen möglich machten, Hunger und Armut fast überall drastisch zu reduzieren. Ganz ohne Pioniergeist gibt es Fortschritt nämlich selbst dann nicht, wenn die Institutionen ihn begünstigen.
Die Kriterien, an denen Norberg die Verbesserungen im Zeitablauf festmacht, dürften unstrittig sein. Wer könnte etwas gegen einen Rückgang von Diskriminierung und Armut haben, oder gegen einen Anstieg des Wohlstandes? Dennoch: Die Zukunft bleibt offen. Trotz aller Erfolge gibt es weiterhin ungelöste Probleme. Ein weiterer Aufholprozess von Entwicklungs- und Schwellenländern ist ebenso notwendig wie die Lösung globaler Umweltprobleme. Johan Norberg liefert starke Argumente dafür, dass hierzu eine Beschleunigung des Fortschritts und der Innovationsfreude nötig sind, nicht aber Schrumpfkuren, wie sie heute zunehmend von Wachstums- und Fortschrittskritikern gefordert werden.
JAN SCHNELLENBACH
Johan Norberg: Fortschritt - Ein Motivationsbuch für Weltverbesserer. Finanzbuch Verlag, München 2020, 272 Seiten, 19 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Norberg hat starke Argumente und präsentiert sie mit Energie und Charme. Ein passendes Buch für mürrische Zeiten.« Robbie Millen, The Times »Dieses Buch erinnert uns daran, dass die Schlagzeilen irreführend sind und dass die Geschichte und die Fakten zeigen, dass sich das Leben in jeder Hinsicht radikal verbessert hat.« Steven Pinker, Observer