Stilistisch brillant, historisch versiert und mit großer Einfühlsamkeit geschrieben: Dieser kurzweilige Crashkurs französischer Geschichte behandelt zweiunddreißig oftmals wenig bekannte historische Persönlichkeiten der "Grande Nation" zwischen Bartholomäusnacht und Französischer Revolution, Pariser Kommune und Erstem Weltkrieg. Da ist z.B. der schwedische Graf Hans Axel von Fersen, Liebhaber und bald auch zentraler Ratgeber Marie Antoinettes, in jener für Tändeleien so ungeeigneten Umbruchszeit. Da heißt es den Überblick zu bewahren, klug zu taktieren, noch ist die Guillotine nicht erfunden, nicht einmal die Dynastie ist in Gefahr. Doch was auch immer der in Leidenschaft entbrannte Graf fürs Königspaar unternimmt: Es wird zum Fiasko. Er rät zum Apell beider an die Herrscherhäuser Europas, die Legitimität in Frankreich mit allen Mitteln zu wahren ... Er organisiert beider Flucht nach Varennes, mit bekanntlich fatalem Ausgang ... Er schmiedet schließlich eine Koalition, die Frankreich den Krieg erklärt ... Und er führt ein Tagebuch, das oftmals so eine ganz andere Sprache als die eines sich verzehrenden Liebhabers spricht ... Da sind zum anderen die ungleichen Kaisersöhne Napoleon II. und Napoleon IV. Was beide verbindet: Sie sind von Geburt an mit einem Makel behaftet - sie tragen (zu) schwer am ererbten Namen. Untätig im goldenen Käfig in Wien sein Dasein fristend, wird der eine lebenslang zu vollständiger Isolation verdammt. Der andere hingegen glaubt, dem klangvollen Namen neue Ruhmestitel hinzufügen zu müssen: Im englischen Exil meldet er sich freiwillig zum Militär. Nur dass die einzige Gelegenheit, es dem kriegerischen Vorfahren gleichzutun, eine blutige Strafexpedition gegen den Zulustamm in Südafrika bildet. Dort geht er am 1. Juni 1879 bei einem Scharmützel elend zugrunde. Es sind nicht zuletzt Skizzen dieser mit frappantem historischen Wissen gezeichneten "Randfiguren" der Geschichte, die den Reiz des Buches ausmachen. Genialische Kraftmenschen, tragisch-gefühlvolle Heroen oder einzigartige "Sternstunden der Menschheit" sucht man hier vergebens. Dieses Feld zu beackern überließ Hermann Wendel seinen Großschriftsteller-Kollegen: Herbert Eulenburg etwa, Emil Ludwig oder - weit besser als jene - Franz Blei und Stefan Zweig. Vor allem gegenüber den dichterischen Höhenflügen der beiden Erstgenannten nimmt sich der zupackend-knappe Stil Wendels wohltuend sachlich aus. Das 1932 erschienene Buch wäre demnach am ehesten als Sammlung von Geschichtsreportagen zu bezeichnen. Dass Hermann Wendels historisches Interesse vor allem auch den lange Zeit unterschlagenen Leitfiguren der libertären Bewegungen in Frankreich gilt, das soll hier nicht unerwähnt bleiben. Wie aber wäre ein Crashkurs der Geschichte des Nachbarlandes denn auch anders zu schreiben, wenn nicht im Verweis auf diese? Kurzessays zu folgenden Personen bietet dieses Buch: Jean d'Arc, Margarete von Valois, Stephanie-Felicité de Genlis, Marie Antoinette und Graf Fersen, Louise Contat, Flora Tristan, Christine Belgiojoso, Mathilde Bonaparte, Louise Michel, Sevérine, François-Jean de la Barre, Marc-Guillaume Vadier, Bertrand Barère, Ludwig XVIII., Etienne Radet, Napoleon, Antoine de Lasalle, Armand Carell, Napoleon II., Louis Rossel, Raoul Rigault, Alphonse Aulard, Napoleon IV., Jean Jaurès, François Villon, Alexandre Dumas, Gérard de Nerval, Die Brüder Goncourt, Henri Murger, Jules Verne, André Gill, Jean-Marc Bernard.
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