Dr. Ulrike Koock „kenne“ ich als Schwesterfraudoktor aus den sozialen Medien, wie man sich aus den sozialen Medien halt so „kennt“. Aber ich habe mich sehr auf und über ihr Buch „Frau Doktor,
wo ich Sie gerade treffe.... Warum ich mit Leib und Seele Landärztin bin“ gefreut. Und ich wurde nicht
enttäuscht. Einige der im Buch veröffentlichten Geschichten kannte ich zwar schon von ihrem Blog, aber…mehrDr. Ulrike Koock „kenne“ ich als Schwesterfraudoktor aus den sozialen Medien, wie man sich aus den sozialen Medien halt so „kennt“. Aber ich habe mich sehr auf und über ihr Buch „Frau Doktor,
wo ich Sie gerade treffe.... Warum ich mit Leib und Seele Landärztin bin“ gefreut. Und ich wurde nicht enttäuscht. Einige der im Buch veröffentlichten Geschichten kannte ich zwar schon von ihrem Blog, aber das macht sie nicht schlechter oder uninteressanter, denn, wie auf ihrer Website steht, schreibt sie vor allem deshalb, „um all die schönen und traurigen und lustigen Geschichten nicht zu vergessen.“
Und an ihrem Berufsalltag als angestellte Ärztin in einer hessischen Landarztpraxis lässt sie ihre Leser:innen teilhaben. Fiktiv gliedert die Autorin ihre Arbeitswoche unter kreativen Überschriften wie „Marathonmontag“, „Diagnosendienstag“, bis „Fisimatentenfreitag“, „Supersamstag“ und „sentimentaler Sonntag“. Und die Woche hat es in sich. Riesiger Patientenansturm trifft da auf Reanimation im Flur und in dem Zusammenhang unter der Überschrift „Ja, ihr reanimiert. Aber kann ich meine Spritze haben?“ trifft Egoismus auf lebensrettende Maßnahmen. Als Landärztin behandelt sie die verschiedensten Krankheiten, von Psychosen, Würmern und Grippe bis Herzinfarkt und wieder zurück, da ist ihr nichts Menschliches fremd. Fremd ist sie in dem Ort, in dem sie lebt ebenfalls, was dazu führen kann, Arztgespräche an der Kühltheke im Supermarkt zu führen – oder die Flucht zu ergreifen. Zwischen Joghurt und Gemüsetheke Hämorrhoiden oder die Ergebnisse der Darmspiegelung zu diskutieren kann selbst für die engagierteste Frau Doktor zu viel des Guten sein.
Ulrike Koock traf in ihrer Laufbahn schon auf vieles: schamlose (und sinnlose) Charmeoffensiven („Sie sind schon so ein saftiger, reifer Pfirsich“), Diskriminierung („Ich gehe nur zum Herrn Doktor“) und muss immer wieder zwischen „Ich hab doch nichts! Ich bin nur alt“, „Ich bin net so de Aazdgänger“ aus „Die kleine weiße Tablette und die aus der rot-weißen Schachtel“ korrekte Medikamentenpläne zusammenpuzzeln. Und auch aufklärende Gespräche mit Impfgegnern und Anhängern von Pseudomedizin sind immer wieder an der Tagesordnung.
„Landarztromantik in gestärktem Weiß“ – Fehlanzeige. Große Heldin im Alltag? Unverzichtbarerer Bestandteil des (Land-)Lebens? Absolut. Ulrike Koock errichtet für die Angehörigen ihres Berufsstands ein kleines aber feines Denkmal und lässt die Leserschaft an ihrem Alltag teilhaben. Vermutlich werden einige Leser:innen ihre Hausärzt:innen künftig anders sehen. Vielleicht nicht als Helden, aber vielleicht auch nicht mehr als bloßen Dienstleister. Man muss seinem Hausarzt, respektive seiner Hausärztin, keine Mirabellen vorbeibringen, aber den nötigen Respekt und Anstand entgegenbringen, damit wären vermutlich einige schon glücklich.
Das Buch ist meist flapsig und flott geschrieben, meistens aber mit einem ernsten Unter- oder Zwischenton, manchmal sogar lehrreich und informativ, aber immer gut und flüssig zu lesen. Für mich war die Freude der Autorin an ihrem Beruf, dem Umgang mit Menschen (den sie ursprünglich eigentlich gar nicht wollte, denn „nach dem Studium entschied ich mich – trotz kindlicher Landarztträume – dafür, dass ich zukünftig keinen Kontakt zu Patienten haben möchte…“) , aber auch den Spaß am Schreiben in jeder Zeile spürbar. Nicht umsonst wurde Ulrike Koock für ihren Blog „Schwesterfraudoktor“ mit dem Goldenen Blogger Award 2019 ausgezeichnet. Von mir von ganzem Herzen fünf Sterne.