Frau Hempels Tochter, Milieu-Studie von Alice Berend, 197 Seiten, erschienen im Reclam Verlag.
Alice Behrend beschreibt in ironischer Weise das Berliner Kleinbürgermilieu.
Das Ehepaar Hempel, er Schuster und sie die Portiersfrau in einem Berliner Mietshaus haben eine einzige Tochter, Laura. Das
hübsche zierliche Mädchen ist der Stolz der Eltern, sie soll es einmal besser haben als die Eltern,…mehrFrau Hempels Tochter, Milieu-Studie von Alice Berend, 197 Seiten, erschienen im Reclam Verlag.
Alice Behrend beschreibt in ironischer Weise das Berliner Kleinbürgermilieu.
Das Ehepaar Hempel, er Schuster und sie die Portiersfrau in einem Berliner Mietshaus haben eine einzige Tochter, Laura. Das hübsche zierliche Mädchen ist der Stolz der Eltern, sie soll es einmal besser haben als die Eltern, mit Fleiß und Sparsamkeit, tun sie alles dafür, um dem behüteten Mädchen dies zu ermöglichen und sie an den bestmöglichen Mann zu bringen. Eines Tages verguckt sich das Mädchen, am Fenster des Hauses gegenüber, in einen melancholisch wirkenden jungen Mann, einen verarmten Grafen. Gehen die Wünsche der Eltern und die Sehnsüchte des Paares in Erfüllung?
Das Werk besteht aus 33 bildmalerisch und flüssig erzählten Kapiteln. Es war eine Freude den schillernden Beschreibungen der Autorin zu folgen, dementsprechend schnell habe ich das Buch gelesen. Die Erstausgabe erschien bereits 1913 und an der Ausdrucksweise und an den Wörtern wurde nicht viel geändert, deshalb gibt es am Ende eine Erklärung einiger Ausdrücke wie Paletot, Putzmacherin oder Kinematograph. Orthografie und Interpunktion wurde nach den neuen Regeln angepasst, der Wortlaut auch wenn er heute an manchen Stellen als diskriminierend gilt, blieb erhalten.
Ich fand das Buch wirklich äußerst unterhaltsam, zwar keinesfalls spannend und doch wollte ich immer weiterlesen, denn die Schilderungen, waren so schön, dass ich das Buch nicht aus der Hand legen mochte. Die Fülle der Details, z. B. die sommerlichen Aktivitäten im Schwimmbad, wie auf der Wunderwiese, zeigte pralles buntes Leben es war pure Lebensfreude in jedem Satz. Lustige und ironische Begebenheiten und Sätze haben mich immer wieder schmunzeln lassen, wie im wahren Leben sind auch traurige Situationen angemessen und einfühlsam geschildert.
Obwohl es in einer Zeit spielt, in der Frauen angeblich kaum Rechte hatten, damals erst begannen an den Universitäten zu studieren, das Frauenwahlrecht noch nicht durchgesetzt war, handelt es sich hier um eine Beschreibung der Dominanz der Frauen. Das Ehepaar Hempel z.B. sich in echter Liebe zugetan, es hat Frau Hempel hier die Hosen an, sie verwaltet die Sparbücher, sie kauft mit dem ersparten Geld, die Badeanstalt. Auch Gräfin Prillberg ist eine sehr herrschsüchtige Frau. Frau Speck, Frau Kempke sind ebenfalls gute Beispiele, die Frau in ihrem sozialen Umfeld dominieren zu lassen.
Die Fülle der Details, z. B. die sommerlichen Aktivitäten im Schwimmbad, wie auf der Wunderwiese, zeigen pralles buntes Leben es war eine Freude dies zu lesen. A. Berend hat farbig und prall das Milieu der kleinen Leute gezeichnet. Eine Leseempfehlung und 5 Sterne.