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Sie berichteten unter Lebensgefahr mitten aus dem Machtzentrum der Nazis in Berlin und von der Front, erlebten den D-Day am Strand der Normandie und gehörten zu den ersten, die die Befreiung der Konzentrationslager dokumentierten. Sechs außergewöhnlichen Frauen, die die bis dahin weitgehend männliche Domäne der Kriegsberichterstattung erobert haben: Lee Miller, Martha Gellhorn, Sigrid Schultz, Virginia Cowles, Clare Hollingworth und Helen Kirkpatrick
Judith Mackrell folgt den Lebenswegen dieser heldenhaften Frauen, die immer im Zentrum der Ereignisse waren und kein Risiko scheuten, um ihre
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Produktbeschreibung
Sie berichteten unter Lebensgefahr mitten aus dem Machtzentrum der Nazis in Berlin und von der Front, erlebten den D-Day am Strand der Normandie und gehörten zu den ersten, die die Befreiung der Konzentrationslager dokumentierten. Sechs außergewöhnlichen Frauen, die die bis dahin weitgehend männliche Domäne der Kriegsberichterstattung erobert haben: Lee Miller, Martha Gellhorn, Sigrid Schultz, Virginia Cowles, Clare Hollingworth und Helen Kirkpatrick

Judith Mackrell folgt den Lebenswegen dieser heldenhaften Frauen, die immer im Zentrum der Ereignisse waren und kein Risiko scheuten, um ihre Leser:innen wahrheitsgemäß zu informieren. Entstanden ist ein faktenreiches und vielschichtiges Buch aus einer spezifisch weiblichen Perspektive, wie man es so noch nicht gelesen hat. Von der Machtergreifung der Nazis in Deutschland 1933 bis zu den Nürnberger Prozessen - chronologisch aufgebaut gibt dieses Buch auch einen unverstellten Blick auf die Jahre 1933 bis 1946.


Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, D, I ausgeliefert werden.

Autorenporträt
Judith Mackrell ist eine der wichtigsten Tanzkritikerinnen Großbritanniens und Autorin mehrerer Bücher, darunter die Biografie über die russische Ballerina Lydia Lopokova und ihren Mann John Maynard Keynes, die 2008 für den Costa Biography Award auf der Shortlist stand. Judith Mackrell lebt in London.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Höchste Zeit, diese Lebens- und Schaffensgeschichten aufzuschreiben, meint Alexandra Wach zu Judith Mackrells "gründlich recherchierter" Gruppenbiografie über die Kriegskorrespondentinnen Helen Kirkpatrick, Virginia Cowles, Clare Hollingworth, Sigrid Schultz, Martha Gellhorn und Lee Miller. Packend scheint Wach Mackrells Schilderung der Ausbruchsversuche dieser Frauen aus dem von den Männern der Branche gezimmerten Knast der ewigen Mode- und Klatschreportage. Was die Reporterinnen an der Front erwartete, wie sie damit umgingen und was das für ihr Privatleben und für ihre Gesundheit bedeutete, davon erzählt die Autorin laut Wach nicht minder farbig und spannend.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.12.2023

Diese Frauen fuhren per Anhalter an die Front
Judith Mackrell stellt sechs Reporterinnen vor, die während des Zweiten Weltkriegs berichteten

August 1944. Die amerikanische Kriegskorrespondentin Helen Kirkpatrick speist mit Ernest Hemingway und anderen Herren im Pariser Ritz zu Mittag. Später sollen vier Generale, unter ihnen Charles de Gaulle, eine Parade anführen, die mit einem Gottesdienst endet. Die Stadt gilt offiziell als befreit, doch deutsche Guerillaeinheiten halten nach wie vor Teile des Rive Droite besetzt. Gelangweilt von Hemingways Prahlerei, lässt Kirkpatrick die Männerclique zurück und bahnt sich einen Weg durch die feiernde Menge. Ihr Instinkt täuscht sie nicht. Der Gottesdienst in Notre-Dame gerät außer Kontrolle. Kirkpatrick schreibt am nächsten Tag auf der Titelseite der "Chicago Daily News": "Einen Moment lang hallte die Kathedrale von Schüssen wider, und es sah so aus, als fände hier ein gigantisches Massaker statt."

25 Menschen starben. De Gaulle behielt die Ruhe und stieg in sein Fahrzeug, während noch immer geschossen wurde. Für Kirkpatrick aber war es die "größte und aufregendste Story" ihrer Laufbahn, neben dem exklusiven Interview mit dem Herzog von Windsor und Wallis Simpson, durch das sie zu einer der ersten weiblichen Büroleiterinnen einer amerikanischen Zeitung aufstieg. Als sie sich für den Posten bewarb, sagte ihr der Verleger noch: "Wir haben keine Frauen im Personal." Darauf antwortete sie: "Sie können Ihre Richtlinien ändern, aber ich kann mein Geschlecht nicht ändern."

Nach dem Krieg wurde Kirkpatrick mit der American Presidential Medal of Freedom und der Médaille de la Reconnaissance française geehrt. Vor dem Vergessen bewahrten sie die Auszeichnungen nicht. Das gilt auch für die eine britische und vier amerikanischen Kriegsreporterinnen, denen sich Judith Mackrell in ihrer gründlich recherchierten und packenden Gruppenbiographie widmet. Neben Kirkpatrick berichteten Virginia Cowles, Clare Hollingworth, Sigrid Schultz, Martha Gellhorn und Lee Miller von der Front.

Bis in die 1930er-Jahre wurde von Journalistinnen erwartet, dass sie ihren Platz kannten. Man stellte sie ein, wenn sie sich auf Mode oder Klatsch und Tratsch konzentrierten. Als der Zweite Weltkrieg unmittelbar bevorstand, entschieden sich einige von ihnen jedoch, nicht mehr über Saumlängen zu schreiben. Die von Mackrell porträtierten Frauen mussten sich laufend gegen eine misogyne Bürokratie durchsetzen und bei Redakteuren um Aufträge betteln, von denen nicht wenige Beschwerden von Lesern bekamen, die sich keine Nachrichten von weiblichen Korrespondenten wünschten.

Da ihnen der Zutritt zu Kampfgebieten verwehrt blieb, fuhren sie per Anhalter an die Front. In Frankreich waren sie nach dem D-Day im Gegensatz zu den Männern gezwungen, ihre eigene Unterkunft zu organisieren. Zu Pressebüros hatten sie lange keinen Zutritt und mussten Boten engagieren, die ihre Texte mit dem Fahrrad zum nächstgelegenen Flugplatz brachten.

Ihr Werdegang steht im Mittelpunkt einer den Kriegsalltag schildernden Erzählung, voll kurioser Details und grausamer Episoden, flankiert von Gastauftritten der "New Yorker"-Korrespondentin Janet Flanner und der Fotografin Margaret Bourke-White. Hinzu gesellen sich die Tochter von Marie Curie, Ève, und die erste als Kriegskorrespondentin akkreditierte schwarze Frau Elizabeth Murphy Moss. Ausführlich berichtet Mackrell über die Versuche, weibliche Korrespondenten an der Aufnahme in den Pressekorps der Armee zu hindern, etwa mit der Frage nach dem "Latrinenproblem", womit das Fehlen einer Damentoilette gemeint war, was angeblich dazu führte, dass die Soldaten an tagelanger Verstopfung litten.

Als Außenseiterinnen kannten sich alle sechs Frauen, einige von ihnen wurden Freundinnen, die sich mit Tricks und Tipps aushalfen. Cowles und Hemingways zeitweilige Ehefrau Gellhorn trafen sich zum ersten Mal im Spanischen Bürgerkrieg. Im Laufe der Jahre kamen sie sich näher und schrieben gemeinsam ein Theaterstück. Kirkpatrick las Schultz' Berichterstattung aus Berlin, ihre Warnungen vor Hitlers Kriegsplänen und die Kritik an dem Unwillen der Amerikaner, in den Krieg in Europa einzusteigen. Mit der Zeit wurde sie selbst so prominent, dass ihre Texte von Miller und Gellhorn gelesen wurden. Kirkpatrick und Miller teilten schließlich eine Wohnung in Paris und eine Unterkunft in Köln.

Auch das Private bleibt nicht ausgespart. Die Beziehungen und Ehen litten unter der Profession der Frauen. "Bist du Kriegsberichterstatter oder Ehefrau in meinem Bett?", soll sich Hemingway in einem Telegramm bei Gellhorn beschwert haben. Schließlich ließ er sich von ihrer eigenen Zeitschrift, "Collier's", damit beauftragen, über die Befreiung Europas zu berichten. Gellhorn wurde am D-Day nicht wie ihr Gatte in die Angriffsschiffe in Richtung Normandie vorgelassen. Sie musste sich an Bord eines Lazarettschiffs einschmuggeln. Als sie am Omaha Beach ankam, schaute sie auf ein Schlachtfeld. Ihre Berichte über den Hin- und Rücktransport der Leichen gehören zu den eindrücklichsten, die sie je geschrieben hat. Hemingways Name prangte im Impressum trotzdem über ihrem.

Mackrell sieht in den Hindernissen, mit denen die Frauen konfrontiert waren, einen Ansporn, Geschichten zu entdecken, die ihren männlichen Kollegen entgangen waren. Alle sechs trugen Traumata davon, um zu zeigen, dass die herrschende Diskriminierung eines Korrektivs bedurfte. Schultz etwa baute als Leiterin des Berliner Büros der "Chicago Tribune" eine Beziehung zu Göring auf, verheimlichte ihre jüdische Herkunft und wurde selbst zur Zielscheibe. Sie hielt ihre Wohnung für Besuche der Gestapo bereit, erfand einen Decknamen - und war sich nicht zu schade, Hitlers Astrologen zu interviewen. Der wiederum plauderte offenherzig über seinen Kunden. Ihre Schwestern im Geiste drangen bis in die Vernichtungslager vor. Das Erlebte habe sie "innerlich zerfetzt", sagte Gellhorn später. Miller: "Ich konnte den Dachauer Gestank nie aus meiner Nase bekommen." Es war höchste Zeit, die Leistungen und Opfer dieser Frauen vor Augen zu führen. ALEXANDRA WACH

Judith Mackrell: "Frauen an der Front". Kriegsreporterinnen im Zweiten Weltkrieg.

Aus dem Englischen von S. Hornfeck und S. Hauser. Insel Verlag, Berlin 2023. 541 S., Abb., geb., 28,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Frauen an der Front liefert eine eindringliche, teils spannend zu lesende Abhandlung zu einem Spezialthema des Zweiten Weltkriegs ... Für all diejenigen, die sich für die Wechselwirkungen von großer Geschichte und persönlichen, eher überschaubar gesteckten Geschichten interessieren, ist Frauen an der Front ein anschauliches, mit Gewinn zu lesendes Buch.« Richard Zietz der Freitag 20240105

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.03.2024

Das ist die Härte
Zwei Bücher über Pionierinnen des Journalismus zeigen, was es brauchte,
damit Frauen in diesem Beruf etwas werden konnten.
VON AURELIE VON BLAZEKOVIC
Am Höhepunkt ihrer Karriere bei der Wochenzeitung Das Reich erhielt Helene Rahms eine Privateinladung der Familie Goebbels. Weniger aus politischen Gründen warnte sie da ihr Verlobter Hans – sondern, weil Goebbels als „Bock von Babelsberg“ galt. Helene Rahms geht schließlich hin, zusammen mit Hans, und plaudert mit dem Reichspropagandaminister über die musikalischen Bestrebungen von dessen Kindern. Bis Goebbels, so hält es Rahms in ihren Aufzeichnungen aus dem Jahr 1997 fest, ausrastet. Er kommt auf seine Idee vom Sonderfrieden mit England zu sprechen, sie hält dagegen, dass Journalistenkollegen die Sache kritisch sähen. Journalisten hätten eben keine Ahnung, habe Goebbels geschimpft, erinnerte sich Rahms und machte sich Gedanken über die Demütigung, die der Propagandaminister wohl davongetragen haben musste, als er einst Journalist werden wollte. Er war bei Theodor Wolff, dem Chef des Berliner Tageblatts, abgeblitzt.
Rainer Hank, Ex-Leiter der Wirtschaftsredaktion der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, hat die Episode in sein Buch „Die Pionierinnen“ aufgenommen. Er widmet da den großen deutschen Nachkriegsjournalistinnen Porträts, die Herkunft, Wirken wie Überleben im Krieg und spätere Karrieren der Frauen nachzeichnen. Marion Gräfin Dönhoff, Margret Boveri, es sind die als Grandes Dames des Journalismus erinnerten Frauen einer Generation, die Hank als entschieden und unwehleidig würdigt. Dazu erschien fast gleichzeitig auf Deutsch das Buch „Frauen an der Front“ der britischen Autorin Judith Mackrell über die Kriegsreporterinnen der alliierten Nationen. Mackrell erzählt chronologisch von den Erlebnissen der Amerikanerinnen und Britinnen, die als Augenzeuginnen zu Goebbels, den Nürnberger Prozessen und ins befreite KZ Dachau reisten.
Von der wohl berühmtesten ihrer Zeit, Martha Gellhorn, ist übermittelt, wie sie 1944 nach Frankreich gelangte, um verbotenerweise vom D-Day zu berichten: Gellhorn schaffte es in England auf ein Lazarettschiff und schloss sich auf der Toilette ein. „Die pure Wut trieb sie an“, schreibt Mackrell, „Wut auf eine Militärbürokratie, die Frauen wie Aussätzige behandelte, aber auch Wut auf Hemingway.“ Ihr damaliger Ehemann war auch ihr großer Rivale. Ernest Hemingway hatte sich gerade entschlossen, wieder Kriegsberichterstatter zu sein, „und dabei aus reiner Bosheit“ Martha Gellhorn von ihrer Position beim amerikanischen Magazin Collier’s verdrängt, schreibt Mackrell.
So viel zu den Kämpfen, die frühe Journalistinnen auszutragen hatten – in Zeiten, bevor der Nachwuchs in Publizistik-Studiengängen und Journalistenschulen überwiegend weiblich wurde, und als die wenigen Reporterinnen, die es gab, noch automatisch irgendwo im Themenkomplex Haus und Garten geparkt wurden. Es sei denn, man machte es wie Sigrid Schultz, die zeitweise unter dem Pseudonym John Dickson schrieb. 1893 in Chicago geboren, verbrachte sie, „eine der mutigsten Korrespondentinnen überhaupt“, den Ersten Weltkrieg unter anderem damit, auf ihrem Balkon in Berlin Kaninchen zu züchten. Es folgten Übersetzungsarbeiten für die Berliner Redaktion der Chicago Tribune, Heiratsanträge ihres Chefs, die sie ablehnte, und dann: eine bemerkenswerte Karriere. 1925 übernahm sie die Redaktion – als wahrscheinlich erste Frau überhaupt in einem Medienunternehmen. Sie traf Hitler, der ihr gegenüber aber distanziert geblieben sei, und Hermann Göring, mit dem sich so etwas wie eine produktive Arbeitsbeziehung entwickelte. Durch ihn knüpfte sie Kontakte zu anderen Nazi-Größen. Göring „war überaus wertvoll für mich“, gestand sie 1977 in einem Interview. Was er nicht wissen durfte: Sigrid Schultz hätte durch die Vorfahren ihrer Mutter für die Nazis als Jüdin gegolten.
Im Frühjahr 1945 gehörte sie zu den ersten Journalisten, die das Konzentrationslager Buchenwald sahen. Die Deutschen hatten dort Tausende tote und sterbende Menschen zurückgelassen. Als der US-General George S. Patton 2000 Zivilisten aus Weimar einen Rundgang durch das KZ verordnete, bestand Sigrid Schultz anders als andere Beobachter darauf, bei den Deutschen nichts als „Ausflüchte und Leugnen“ gesehen zu haben.
Was haben währenddessen die großen deutschen Journalistinnen im Krieg gemacht? Es wurde später, in den Fünfzigern, ja doch nicht nur geschwiegen, sondern auch beständig kleingeredet, und das, wie Hank zeigt, auch von ihnen, den Einzelkämpferinnen in den Zeitungen. Wie ihre männlichen Kollegen begannen viele von ihnen im Krieg ihre Karrieren bei Das Reich, der zwischen 1940 und 1945 erfolgreichen Wochenzeitung, von Goebbels gegründet, um „die braune Bewegung vom Mief des Völkischen Beobachters zu befreien, ihr einen intellektuell salonfähigen Anstrich zu geben, sie im Ausland hoffähig zu machen“, schreibt Hank. Beim Reich ging es im Vergleich zur ganz plumpen Propaganda also auch mit Anspruch zu.
Zu den Autoren zählten der spätere Bundespräsident Theodor Heuss, der Physiknobelpreisträger Max Planck, der spätere Mitgründer der FAZ Karl Korn (den seine antisemitische Rezension des Hetzfilms „Jud Süß“ im Reich noch einholen sollte). Dass viele Männer an der Front waren, sei zur Chance für Frauen geworden, „die das intellektuell anregende Klima in der Redaktion goutierten“, so Hank: Im Nachhinein interpretierten viele ihre Arbeit beim Reich sogar „als Beleg ihrer Systemdistanz“, schreibt er. Man müsse ja nur zwischen den Zeilen lesen, lautete später die Verteidigung, um ihren leisen Widerstand zu verstehen. Eine so schwache Rechtfertigung reichte nicht nur, aber auch im Journalismus, um frisch in eine Nachkriegskarriere starten zu können. Beobachter konnten nur staunen, wer da alles Widerstand geleistet haben wollte, mitgemacht hatte plötzlich keiner mehr.
Zu den Reich-Autorinnen zählten Margret Boveri, Elisabeth Noelle-Neumann, die Freundinnen Helene Rahms und Christa Rotzoll, die ihre Stellen erhielten, als zwei Redakteure im Krieg gefallen waren. Ob deshalb wirklich etwas dran ist, wie Hank schreibt, „dass die Nazizeit emanzipatorisch gesehen progressiver war als die Fünfzigerjahre“, weil Frauen ab einem gewissen Zeitpunkt im untergehenden System eben die Lücken füllen mussten – na ja. Ganz andere Probleme hatte Clara Menck, die als Tochter eines Juden den Krieg in jahrelanger völliger Isolation in Stuttgart überlebte. Mit Mitte 40 begann sie in der jungen Bundesrepublik eine Karriere bei der Stuttgarter Zeitung, reiste in die USA und wurde eine Freundin von Hannah Arendt.
„Unerhört modern“ nennt Hank sie, weil sie in einem 1952 erschienenen Essay die in Deutschland als oberflächlich und unaufrichtige gescholtene Freundlichkeit in den USA verteidigte. Sie erklärte, dass es dabei in Wahrheit darum gehe, in einem Einwanderungsland im Gespräch mit Fremden nicht „irgendwelche ‚Gefühle zu verletzen‘, die nicht durchschaubar sind, weil man den background des Betreffenden nicht erkennt“. Zusammenleben, erklärt für Deutsche.
Was brauchten diese Frauen, um aus dem Berichten und Schreiben einen Beruf zu machen, in einer Zeit, in der das wirklich niemand für den passenden Lebensplan für eine Frau hielt und in der kein Chefredakteur auf sie wartete? Bevor mehrere neue Wellen des Feminismus durch die Gesellschaft schwappten? Clara Menck rezensierte auf den Frauenseiten der FAZ Simone de Beauvoirs „Das andere Geschlecht“, unter der Titelzeile: „Sind Weiber Menschen?“ Es ging – es geht bis heute – auch um das Zutrauen, das Trotzdem-Aufkreuzen. Vor den Männern tritt man dabei besser entschieden auf. „Natürlich hielt sie sich für eine exzellente Journalistin. Selbstzweifel sind nicht überliefert worden“, so Hank über die langjährige FAZ-Feuilletonredakteurin Helene Rahms. Auch über die ewige Gräfin der Zeit, die 2002 gestorbene Herausgeberin Marion Dönhoff (für Richard von Weizsäcker war sie „die Preußin unseres Jahrhunderts“), schreibt Hank: Als Dönhoff gleich nach ihrer Flucht zu Pferde aus Ostpreußen im Januar 1945 ihr Memorandum verfasste, wie Deutschland nach dem Ende der Hitlerjahre neu zu ordnen sei, habe sie das durchaus selbstbewusst getan. Bis heute scheinen bei Frauen also Eigenschaften bemerkenswert zu sein, die bei ihren männlichen Kollegen vorausgesetzt werden – sogar in der Liga „Preußen des Jahrhunderts“.
Es braucht ja wirklich Selbst- und Sendebewusstsein für diesen Beruf. Manche ergreifen ihn vielleicht gerade, um diese Eigenschaften zu trainieren. Was es bis heute erleichtert und was jedenfalls die Pionierinnen des Journalismus gemein hatten: eine elitäre Herkunft. Dönhoff kam vom Schloss Friedrichstein, Boveri war Tochter eines Biologieprofessors und einer amerikanischen Biologin, Sigrid Schultz konnte dank des Engagements ihres norwegischen Künstlervaters beim württembergischen Königshof ab 1912 an der Sorbonne studieren, Martha Gellhorn kam schon als Kind ins Weiße Haus, weil ihre Mutter eine Schulfreundin von Eleanor Roosevelt war. Sie waren Frauen, die konnten und durften. In seinen Porträts der Journalistinnen, unter ihnen auch seine eigene journalistische Lehrerin Maria Frisé, kommt Rainer Hank nicht ohne Seitenhiebe gegen „die heutigen Frauen“ aus. Die seien „rasch mit einem Eimer voller emanzipatorischer Moral“ zur Stelle. Und irgendwie passt das, weil die damaligen Grandes Dames häufig nur Mitleid oder sogar Abscheu für andere Frauen übrig hatten. Etwa für „mitgeschleppte, durchgezogene“ Gattinnen, die, wie Christa Rotzoll schrieb, in geselligen Runden „stumm und stolz“ herumsaßen, „den Zutritt dankten sie ja dem Prestige der Gatten“.
Rainer Hank meint, die Frauen seines Buchs lebten einen Feminismus, ohne sich als Feministinnen zu bezeichnen. Das hätten sie auch eher „als Verweichlichung, Verweiblichung, Selbstzurücksetzung interpretiert“, was sicherlich stimmt. Es wird einen Grund haben, wieso sich als berühmteste Journalistin der deutschen Nachkriegsjahre Margret Boveri durchsetzte, laut Christa Rotzoll eine „männliche Matrone“, laut Helene Rahms „eine kantige Person, die keine Konzessionen an weibliche Eitelkeit machte. Sie trug derbes Lodenzeug, Schuhe wie für eine Bergwanderung. Sie wollte autark sein, wo immer sie logierte“. Wie hätte eine Frau erreichen können, was Boveri erreichte, ohne Bergstiefel?
Journalistin sein und Frau, sogar mit Familie, sogar mit Freundinnen, sogar mit Selbstzweifeln, das war erst den Frauen nach den Pionierinnen möglich.
Rainer Hank:
Die Pionierinnen.
Penguin, München 2023.
368 Seiten, 28 Euro.
Journalistinnen zu einer Zeit, als das Welterklären noch unzweideutig Männeraufgabe war: Margret Boveri, Marion Gräfin Dönhoff und Helene Rahms (von links).
Foto: SZ Collage / A.-C. Rössner / SCANNER1; L.Heidtmann /picture-alliance /dpa; Barbara KleMm /FAZ
Judith Mackrell:
Frauen an die Front.
Kriegsreporterinnen im Zweiten Weltkrieg. Aus dem Englischen von Sonja Hauser und Susanne
Hornfeck. Suhrkamp,
Berlin 2023.
541 Seiten, 28 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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