Schon lange habe ich dieses Buch auf meiner Wunschliste und freue mich, dass es nun im Taschenbuchformat seinen Weg zu mir gefunden hat. Viele Accounts hier haben dieses Buch als eins der wichtigsten, das sie je gelesen haben, als eine Quelle der Inspiration für ihr Lesen und ein Schlüsselwerk im
Ringen um Gleichberechtigung in der Literaturwelt gewürdigt. Und sie hatten recht!
So aufgeregt hab…mehrSchon lange habe ich dieses Buch auf meiner Wunschliste und freue mich, dass es nun im Taschenbuchformat seinen Weg zu mir gefunden hat. Viele Accounts hier haben dieses Buch als eins der wichtigsten, das sie je gelesen haben, als eine Quelle der Inspiration für ihr Lesen und ein Schlüsselwerk im Ringen um Gleichberechtigung in der Literaturwelt gewürdigt. Und sie hatten recht!
So aufgeregt hab ich schon lange kein Buch mehr gelesen. Aufgeregte Zustimmung, aufgeregtes Wiedererkennen, auch Widerstände und Fragen, die sich regten, haben meinen Puls immer wieder beschleunigt.
Nicole Seifert schreibt klug, fundiert, in alle Richtungen recherchiert und dabei doch nahbar, verständlich, persönlich und ohne mit ihrem Wissen zu belehren. Sie setzt damit ein Feuerwerk an Gedanken in mir frei.
Das fing damit an, dass ich erstmal meine Quote gecheckt habe. Mein Bücherregal unterstreicht ihr Fazit: Es tut sich was. Sie sagt, der Bücherfrühling 2021 in dem sie ihr Schlusskapitel schreibe, sei so weiblich, wie vielleicht noch keiner zuvor. Auch die Diversität der Verlagsprogramme scheine zuzunehmen, Literaturpreise gingen überwiegend an Frauen. Das deckt sich mit meinem subjektiven Eindruck und mit meinem Lesen, das zu der Zeit eine scharfe Wendung erfahren hat. Unbewusst und einfach nur, weil das Angebot und die Aufmerksamkeit sich geändert haben.
Was beweist, dass es eben nicht damit getan ist, anzunehmen, „die Zukunft werde es schon richten, … Denn von nichts kommt nichts.“ Es braucht tatsächlich Fokus: im Marketing der Verlage, in der Literaturkritik, im Feuilleton, in den Sozialen Medien, aber eben auch bei der Leser*in.
Was für ein weiter Weg es bis hierher war, welchen Ungeheuerlichkeiten sich Frauen im Literaturbetrieb über Jahrhunderte ausgesetzt sahen, das dröselt Nicole Seifert sehr anschaulich in ihrem Essay auf.
Ich erkannte die Logik und Kontinuität in dem Prozess des Unterlassens und Ignorierens, war zuweilen höchst erschrocken. Denis Scheck, dem ich einige der besten Frauen in meinem Bücherregal wie Annie Erneaux, Sheila Heti, Milena Michiko Flasar und Sigrid Nunez zu verdanken habe, scheint mit seinem Kanon (den ich nie angeschaut hab, weil ich auf Kanons nichts gebe) auch seinen Beitrag zum Problem geleistet zu haben. S. 47
Und ich als Leserin, die sich dieses Ungleichgewicht viele Jahre gar nicht bewusst gemacht hat, sicherlich auch.
Dafür hat mir Nicole Seifert aber auch einen Haufen Hausaufgaben mitgegeben: Literatur, natürlich von Frauen, die meine Wunschliste auf Kanongröße anschwellen ließ.
Doch auch Widerstände hallen der Lektüre nach. Manche Kommentierungen zu diesem Buch vermitteln mir den Eindruck, als müssten Autoren nun ganz aus den Bücherregalen verschwinden. Ich lese Paul Auster genauso gern wie Siri Hustvedt und wünschte mir, dass wir eines Tages WIRKLICH nicht mehr über das Geschlecht der Autor:innen reden müssten, dass Bücher von Büchermenschen geschrieben werden.
Doch bis dahin gilt:
„Denn nur wenn eine Auswahl aus der unüberschaubaren Menge literarischer Texte relativ bekannt ist, kann eine Diskussion auch über andere Texte, Formen und Inhalte stattfinden, nur dann kann auf GEMEINSAMES Bezug genommen werden. In diese Gemeinsame einzubeziehen, was bisher als marginal betrachtet wurde, mischt überkommene Kategorien und Interpretationsmuster auf.“ S. 102
Das ist für mich ein Schlüsselsatz und eine Aufgabe.
Danke an die Autorin für diese kämpferische, aufrüttelnde und sehr bereichernde Lektüre!