»Die Kinder hatten sie eingenommen wie ein Land, hatten von ihrem Leben Besitz ergriffen. Alles, was sie hatte, gehörte auf einmal auch ihren Söhnen. Ihr Körper, ihr Geist, ihre Zeit.« | 69
Ist Liebe einnehmend, Freiheit zerstörend, oder ist es umgekehrt?
Billies großer Sohn ist ruhig, genügsam
und unsicher, der Kleine hingegen energiegeladen und eigensinnig wie sie selbst. Er soll frei sein,…mehr»Die Kinder hatten sie eingenommen wie ein Land, hatten von ihrem Leben Besitz ergriffen. Alles, was sie hatte, gehörte auf einmal auch ihren Söhnen. Ihr Körper, ihr Geist, ihre Zeit.« | 69
Ist Liebe einnehmend, Freiheit zerstörend, oder ist es umgekehrt?
Billies großer Sohn ist ruhig, genügsam und unsicher, der Kleine hingegen energiegeladen und eigensinnig wie sie selbst. Er soll frei sein, sich nicht wie sie begrenzt, ständig kritisiert und abhängig von Bestätigung fühlen. Billie merkt dabei nicht, wie einnehmend diese Art von Freiheit ist. Billie ist Musikerin. Sie ist intensiv, will viel und mehr Aufmerksamkeit, Liebe, Kinder, Männer. Ihre Eltern sind ihr Zuhause und die Platte in Rostock und die DDR. Doch die Welt dreht sich, für die außenorientierte Billie ist die Wende der Overkill, denn nicht nur Ostkunst befindet sich im freien Fall. Es ist erniedrigend, Mama und Papa um Geld zu bitten und auch sonst richtet die Freiheitssuchende Billie alles auf emotionalen Abhängigkeiten aus. Ihr Mann engt sie ein, mag keine freie Liebe, die Verantwortung für beide Söhne erschöpft und sie verbeißt sich in Enttäuschungen von ihrer angepassten, blassen, hart wirkenden und stichelnden Mutter, die sich wiederum nach ihrer Tochter sehnt, ihre Raumfordernde und einengende Art aber nicht akzeptieren mag.
Sympathie aufbauen mit den Figuren fiel schwer, doch Höftmann Ciobotaru hat schon mit Alef bewiesen, sie kann Atmosphäre schaffen und hat ein Gefühl für Themen. Freiheit und Liebe als Gegenspielpaar aufzubauen und auf die Spitze zu treiben im familiären Nahbereich ist klug. Denn ohne sie direkt zu kommentieren, erzählen diese zwei Pole sehr viel über die beiden Gesellschaftsmodelle, die sozialistische DDR mit ihrer einengenden geregelten Geborgenheit und den freien Kapitalismus der BRD, in dem alles möglich zu sein scheint, auch die Vereinnahmung und der Absturz.