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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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Vom Populismus muss auch hier die Rede sein: Jan-Werner Müller prüft die Grundprinzipien der Demokratie
Der in Princeton lehrende Politikwissenschaftler Jan-Werner Müller hat mit Büchern und Artikeln wesentliche Beiträge zum Thema "Populismus und Demokratie" geleistet. Neben seinem Scharfsinn hat zum Erfolg sicherlich beigetragen, dass er ein Talent besitzt, das unter den akademischen Politologen in Deutschland nicht sehr verbreitet ist: Seine Arbeiten erfüllen nicht nur wissenschaftliche Standards, sondern sind in einer Sprache verfasst, die auch für Nicht-Politologen verständlich ist.
Das hat mit den Anforderungen amerikanischer Universitäten an Lehre und Forschung zu tun, zu denen die Vermittlung an eine breitere Öffentlichkeit gehört. Aber es liegt auch an einem methodischen Ansatz, für den Wilhelm Hennis einst mit dem Begriff "Topik" geworben hat: das Ausbreiten und Durcharbeiten von Argumenten im Sinne von "Politik als praktischer Wissenschaft" in der Tradition der praktischen Philosophie.
Im vorliegenden Band greift Müller auf Artikel und Essays zurück. Es geht ihm darum, die "Grundprinzipien" der Demokratie zu erklären. Anders gesagt: Es gilt, zu verstehen, was die demokratischen Institutionen und Verfahren eigentlich fundiert. Dabei kommt natürlich auch wieder der Gegensatz zum Populismus zur Sprache. Müller verwirft Diagnosen, die ihn mit dem Faschismus des zwanzigsten Jahrhunderts gleichsetzen. Sein Kern, der sich hinter dem Anschein von Rechtsstaatlichkeit und der Absage an Gewalt versteckt, ist es, sich als "Stimme des wahren Volkes", der "schweigenden Mehrheit" zu gerieren. Populisten behaupten, sie wollten dieses Volk einen, doch ihr "Geschäftsmodell" ist es in Wirklichkeit, die Gesellschaft zu spalten.
Das fällt heute auf fruchtbaren Boden, weil es tatsächlich eine sozioökonomische Spaltung gibt, da ein Teil der (wirtschaftlichen) Eliten eine Art "Sezession" vom Rest der Bürger praktiziert. Müller zeigt zudem an Erdogan und Orban, Trump und Bolsonaro, wie Populisten, wenn sie auf demokratischem Weg an die Macht gelangen, Institutionen und Verfahren aushöhlen, um ihre Macht zu erweitern. Strittiger dürfte seine These sein, dass "nirgendwo in Westeuropa und Nordamerika Rechtspopulisten ohne die Kollaboration etablierter konservativer Eliten an die Macht gekommen sind".
Als "Grundprinzipien" der Demokratie nennt Müller Wahlen, Parteien und Repräsentation. Er verteidigt diese Pfeiler gegen Versuche, sie durch neue Elemente (wie Bürgerräte) oder sogar aus der Antike überlieferte Verfahren (direkte Demokratie oder Losentscheide) zu ersetzen. Der Vorteil von Wahlen etwa sei, dass sie eindeutige Sieger und Verlierer hervorbringen, sie setzten damit politischen Konflikten ein (vorläufiges) Ende. Direktdemokratische Entscheidungen seien unterkomplex, und die Minderheit sieht sich danach nicht repräsentiert. Auslosungen wiederum sagten nichts über die relative Stärke politischer Gruppierungen und könnten nur wenig zur Bewältigung von Konflikten beitragen.
Demokratie benötigt deshalb Parteien, vor allem auch eine Gruppierung, die aus prinzipiellen Gründen gegen die Regierung ist, aber nicht gegen das politische System. Skeptisch erörtert Müller das Konzept der "wehrhaften Demokratie" (militant democracy) mit seinen inneren Widersprüchen. Summa summarum: Zur "Infrastruktur" der Demokratie gehören Parteien und repräsentative Organe - also Parlamente, Medienpluralismus -, und sie braucht einen funktionierenden Rechtsstaat.
Im letzten Kapitel, in dem es vor allem um Vorschläge zur Finanzierung von Parteien und um die Aktivierung von Wählern durch teils finanzielle Anreize geht, relativiert er einige Einwände aus den vorangegangenen Abschnitten (etwa über die Rolle von Losverfahren) im Sinne eines vorsichtigen Reformismus. Doch Parteien, glaubt er, "sind immer noch die beste Möglichkeit, individuelle demokratische Rechte zu verwirklichen und mit dem Konflikt der Meinungen und Interessen ... produktiv umzugehen". Das gibt, wie es am Schluss heißt, Anlass zu Hoffnung, mehr nicht: "Alles Übrige liegt an uns."
GÜNTHER NONNENMACHER
Jan-Werner Müller:
"Freiheit, Gleichheit,
Ungewissheit". Wie schafft man Demokratie?
Aus dem Englischen von Michael Bischoff. Suhrkamp Verlag, Berlin 2021. 270 S., geb., 24,- [Euro].
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