Großartige Essays von Zadie Smith, »einer der wichtigsten literarischen Stimmen unserer Zeit« (Die Welt). Zadie Smith ist nicht nur Autorin vieler hochgelobter Romane, sondern sie brilliert auch besonders in dieser kurzen Form, den Essays. Der vorliegende Band zeigt sie politischer denn je, denn Zadie Smith hat viel zu sagen über die zunehmend bedrohliche Verfasstheit der Welt und der Gesellschaft und bezieht sehr persönlich Stellung. Die Essays sind in fünf Kategorien unterteilt, und alle haben es in sich: »In der Welt« versammelt die politischen Essays, und gerade ihre Gedanken zum Brexit und zu Trump sind vielschichtig und erhellend, authentisch und engagiert. Die Kapitel »Im Publikum«, »Im Museum«, »Im Bücherregal« und »Freiheiten« erzählen uns ihre Sicht auf kulturelle Ereignisse oder persönlich Erlebtes und geben dabei immer ganz viel über sie selbst preis. Da sie sich mit schlechter Politik, guten Büchern, amerikanischen Rappern, Facebook und alten Meistern ähnlich gut auskennt, schreibt sie mit leichter Hand und mal böse, mal bewundernd Essays von besonderer Qualität, die uns die Welt schärfer sehen lassen. Ein Muss für jeden politisch denkenden Leser!
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Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
Rezensentin Maike Albath lauscht gern dem ruhigen, besonnenen Tonfall, in dem Zadie Smith in diesem Essayband ihren Gedanken nachhängt, um schnell zu erhellenden Einsichten zu kommen. Ganz gleich, ob ihr Smith vom diversen London ihrer Jugendjahre, von ihrer sozialen Aufstiegsgeschichte, dem Brexit oder dem Klimawandel erzählt, stets entdeckt die Kritikerin "Überraschendes" in den hier versammelten Essays aus den Jahren 2009 bis 2017. Buchbesprechungen, Kinokritiken, Aufsätze über Fotografien und Gemälde und Reiseskizzen machen das Buch für Albath zu einer wunderbaren Fundgrube.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.06.2019Hausapotheke gegen den Zynismus
In der Essaysammlung „Freiheiten“ kann man Zadie Smith dabei zuschauen,
wie sie über die Gegenwart nachdenkt, ohne den Glauben an die Schönheit zu verlieren
VON JULIANE LIEBERT
Aufmerksamkeit und Güte – diese beiden Begriffe kommen einem bei der Lektüre von Zadie Smiths jüngsten Essayband, „Freiheiten“ immer wieder in den Sinn. Man meint sie im Gesicht der Autorin zu finden, selbst ihre Stimme klingt danach. Zadie Smith ist, seit sie nach dem internationalen Erfolg ihres Debütromans „Zähne zeigen“ als Essayistin Profil gewann, so etwas wie das unverwüstliche warme Herz des viel geschmähten Liberalismus: sozial engagiert, ohne einfache Lösungen zu propagieren; international erfolgreich, ohne ihre Herkunft aus kleinen Verhältnissen vergessen zu haben; als Tochter eines Weißen und einer Schwarzen „mixed race“ und skeptisch gegenüber jeder Fetischisierung von Identität; passionierte Literatin, aber kein bisschen blasiert.
Der Titel ihres dritten Romans aus dem Jahr 2005, „Von der Schönheit“, könnte auch über Zadie Smiths gesamten Schreiben stehen und ihrer Erscheinung als Schriftstellerin und Intellektuellen. Nicht, dass sie des Ästhetizismus verdächtig ist, schwelgerisch schreibt oder soziale Verwerfungen ausblendet. Die in „Freiheiten“ versammelten Texte, größtenteils während der Präsidentschaft Barack Obamas für Zeitschriften wie die New York Review of Books und den New Yorker entstanden, lesen sich wie eine stetige, behutsame Suche nach den zahllosen kleinen Epiphanien des Schönen, die aus der Irritation entstehen. Ihr Stil ist leichtfüßig elegant, ihr Gestus bescheiden und zugewandt. Dank der Übersetzung von Tanja Handels ist das auch in der deutschen Fassung nachvollziehbar.
Smith kann ein Porträt von Jay Z scheinbar kunstlos mit der nüchternen Feststellung beginnen, dass es „schwierig“ ist, „sich zu überlegen, was man einen Rapper fragen soll“. Um dann zu zeigen, wie wichtig für die soziale Gleichstellung der Schwarzen die Emanzipation von Rap als Kunstform ist. Nebenbei erwähnt sie noch die Kurzgeschichte „Career Move“ von Martin Amis, „in der Drehbuchautoren wie arme Poeten in ihren Mansarden darben, während die Lyriker am Pool ausspannen, ihre Verse per Fax ihren Agenten in Los Angeles schicken und mit einem Sonett Millionen verdienen“. Hiesige Leserinnen mögen sich ausmalen, wie wohl die Superyacht von Ann Cotten aussähe, oder von Monika Rincks Privatjet mit Swimmingpool träumen. Ganz zu schweigen von Jan Wagners Gedichtzyklus über seine Koi-Karpfen.
Erscheinen ihre Ideen auf den ersten Blick wild, wischen sie auch jeden Zweifel so verschmitzt beiseite, dass man dem Gedankengang trotzdem lachend folgt: „Stellen wir uns folgende Begegnung vor: zwischen Justin Bieber, dem weltweiten Popstar, und Martin Buber, dem längst verstorbenen jüdischen Philosophen. Ja, ja, ich weiß schon. Aber in meinem Kopf sind die beiden dazu bestimmt, sich zu begegnen.“ Zitiert Smith Seneca, dann nur, weil sie beim Abendessen mit Freunden eine „über bloßen Neid hinaus ins Existenzielle“ reichende „Beklommenheit“ darüber verspürt, wie ihre Tischnachbarin von Oper über Malerei und Literatur bis zu französischen Weinen umfassend kulturell kompetent sein kann — während die arme Zadie froh ist, sich in der Literatur halbwegs auszukennen. Nicht jeder, der Kompetenz brillant performt, ist so universalgebildet, wie er sich gibt, möchte man ihr von der anderen Seite des Tisches zuflüstern. Wir paddeln schließlich alle nur noch von (jederzeit durchs ansteigende Meer der Phänomene bedrohtem) Wissensatoll zu Wissensatoll.
Derselbe Essay schildert zuvor eine Offenbarungsszene: Die erhabene Natur Albions und die Poesie Wordsworths ergreifen Zadie bei einem Zwischenstopp an der Klosterruine von Tintern Abbey so tief, dass ihre Seele schlagartig für die Musik Joni Mitchells permeabel wird, die sie bis dahin verabscheute. Sie versucht, sowohl die langjährige Abneigung als auch die „emotionale Überwältigung“ zu verstehen. Die schnörkellose Sprache bewahrt die Szene vor unfreiwilliger Komik, und ihr Pathos wird durch die humanistische Pointe des Essays beglaubigt: Um für Schönheit wirklich empfänglich zu sein, muss man immer wieder „seine Schutzschilde senken“. Die Konzepte fallen lassen, die uns sonst potenziell verstörende Erfahrungen vom Leib halten. Wir lernen auch, wie das funktionieren kann: „Ich halte es nicht für einen Zufall, dass meine Joni-Erleuchtung quasi durch die Hintertür kam, als mein kritischer Geist schutzlos dalag, auf eine ganz andere Form von Schönheit konzentriert.“ Die Idee von schutzloser ästhetischer Erfahrung fundiert sie ethisch: Jonis „Musik, ihr ganzes Leben hat sich immer um Unbeständigkeit gedreht. Das Uneinheitliche von Identität, von Persönlichkeit“.
Die Sensibilität für diese Problematik durchzieht viele Texte des Bandes, dessen Spektrum vom politischen Kommentar über kulturjournalistische Longreads bis zum klassischen literarischen Essay reicht. Philip Roths Schreiben etwa erscheint in ihrem Licht als ein ständiges Freispielen, Rekombinieren und Neuerschaffen von bisher unaussprechlichen Identitäten. Im Brexit-Tagebuch spricht Smith über die „weiße Arbeiterschicht“. Sie benennt mit einem Satz, wie zerrüttet das Verhältnis zwischen der Arbeiterklasse und der organisierten politischen Linken ist, kommt aber ohne billige Schuldzuweisungen aus: „Die Linke schämt sich fürchterlich für sie.“ Das Porträt des Komikerduos „Key & Peele“ entfaltet sich zu einer Erkundung der so wirkmächtigen wie willkürlichen Grenze zwischen Schwarzen und Weißen — und damit der schauspielerischen Verwandlungskunst als Mittel der Freiheit.
Nicht immer gelingt der Sprung vom Geplauder zum Gedanken. Manche Passagen haben etwas von einer sehr sympathischen, weil nicht belehrenden Sonntagspredigt. Man sieht einer guten Freundin eher voller Wohlwollen beim begeisterten Erzählen zu, als ihr die ganze Zeit konzentriert zuzuhören. Aber immer wieder reißen einen unerwartete Assoziationen und die daraus emergierenden Einsichten aus diesen Phasen gemütlicher Langeweile.
Auch die Internetskepsis, die der Autorin in manchen Rezensionen als Ressentiment angekreidet wurde, resultiert aus dem Fokus auf die Komplexität individueller Identität und Persönlichkeit. Die Debatte scheint sich auch mehr an Smiths etwas arg kategorischen Interviewaussagen zu entzünden. In „Freiheiten“ findet sich zwar unter anderem ein ziemlich schneidender (aber nicht polemischer!) Text über Mark Zuckerberg und Facebook. Das Thema nimmt über die gesamte Länge des Bandes jedoch nicht viel Raum ein.
Aber es stimmt schon: Immer wieder schimmert ein nostalgischer Blick auf die Neunzigerjahre durch, also die Zeit, als Zadie Smith selbst Teenager und Studentin war und dankbar für die Segnungen des Sozialstaats, ohne die ihre Karriere nicht möglich gewesen wäre. Aber diese Empfindung wird reflektiert und ist nicht zu verwechseln mit „früher war alles besser“. Sie verdichtet sich zur schlichten Weigerung, die Idee einer nicht primär wirtschafts-, sondern kulturliberalen Welt aufzugeben, in der Freiheit weder zur narzisstischen Show zugerichtet ist, weder nur im Kampfmodus erfahrbar, noch in Widerspruch zu solidarischem Handeln steht.
Natürlich kann man Smith dabei vorwerfen, dass ihre Wahrnehmung der Diskurse in sozialen Netzwerken einseitig düster ist. Aber sie lehnt nicht den technischen Fortschritt ab, sondern nur die konzerngeführten Plattformstrukturen, die unser Denken und unsere Kommunikation prägen – und damit schlimmstenfalls vernageln. So wie wir „durchlässig“ werden müssen, um uns von Kunst wirklich berühren zu lassen, müssten auch diese virtuellen Strukturen aufgelöst oder jedenfalls immer wieder von Grund auf neu gestaltet werden. Ideen, wie das unter den heutigen Bedingungen, abgesehen vom alten Peter-Lustig-Imperativ „Abschalten!“, konkret aussehen könnte, bietet „Freiheiten“ nicht. Dafür ist Zadie Smith vielleicht auch die falsche Ansprechpartnerin. Sie stellt eine Hausapotheke gegen Zynismus bereit. Und das ist ja schon mal ein guter Anfang.
Es ist schwierig, „sich
zu überlegen, was man einen
Rapper fragen soll“
Um für Schönheit empfänglich
zu sein, müsse man
seine Schutzschilde senken
Wenn die Texte einmal
nostalgisch sind, wird das
Gefühl sofort reflektiert
Seit ihrem Roman „Zähne zeigen“ gilt Zadie Smith als Star der postkolonialen Literatur.
Foto:Miquel Llop/imago
Zadie Smith: Freiheiten. Essays. Aus dem Englischen von Tanja Handels.
Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln 2019.
512 Seiten, 26 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
In der Essaysammlung „Freiheiten“ kann man Zadie Smith dabei zuschauen,
wie sie über die Gegenwart nachdenkt, ohne den Glauben an die Schönheit zu verlieren
VON JULIANE LIEBERT
Aufmerksamkeit und Güte – diese beiden Begriffe kommen einem bei der Lektüre von Zadie Smiths jüngsten Essayband, „Freiheiten“ immer wieder in den Sinn. Man meint sie im Gesicht der Autorin zu finden, selbst ihre Stimme klingt danach. Zadie Smith ist, seit sie nach dem internationalen Erfolg ihres Debütromans „Zähne zeigen“ als Essayistin Profil gewann, so etwas wie das unverwüstliche warme Herz des viel geschmähten Liberalismus: sozial engagiert, ohne einfache Lösungen zu propagieren; international erfolgreich, ohne ihre Herkunft aus kleinen Verhältnissen vergessen zu haben; als Tochter eines Weißen und einer Schwarzen „mixed race“ und skeptisch gegenüber jeder Fetischisierung von Identität; passionierte Literatin, aber kein bisschen blasiert.
Der Titel ihres dritten Romans aus dem Jahr 2005, „Von der Schönheit“, könnte auch über Zadie Smiths gesamten Schreiben stehen und ihrer Erscheinung als Schriftstellerin und Intellektuellen. Nicht, dass sie des Ästhetizismus verdächtig ist, schwelgerisch schreibt oder soziale Verwerfungen ausblendet. Die in „Freiheiten“ versammelten Texte, größtenteils während der Präsidentschaft Barack Obamas für Zeitschriften wie die New York Review of Books und den New Yorker entstanden, lesen sich wie eine stetige, behutsame Suche nach den zahllosen kleinen Epiphanien des Schönen, die aus der Irritation entstehen. Ihr Stil ist leichtfüßig elegant, ihr Gestus bescheiden und zugewandt. Dank der Übersetzung von Tanja Handels ist das auch in der deutschen Fassung nachvollziehbar.
Smith kann ein Porträt von Jay Z scheinbar kunstlos mit der nüchternen Feststellung beginnen, dass es „schwierig“ ist, „sich zu überlegen, was man einen Rapper fragen soll“. Um dann zu zeigen, wie wichtig für die soziale Gleichstellung der Schwarzen die Emanzipation von Rap als Kunstform ist. Nebenbei erwähnt sie noch die Kurzgeschichte „Career Move“ von Martin Amis, „in der Drehbuchautoren wie arme Poeten in ihren Mansarden darben, während die Lyriker am Pool ausspannen, ihre Verse per Fax ihren Agenten in Los Angeles schicken und mit einem Sonett Millionen verdienen“. Hiesige Leserinnen mögen sich ausmalen, wie wohl die Superyacht von Ann Cotten aussähe, oder von Monika Rincks Privatjet mit Swimmingpool träumen. Ganz zu schweigen von Jan Wagners Gedichtzyklus über seine Koi-Karpfen.
Erscheinen ihre Ideen auf den ersten Blick wild, wischen sie auch jeden Zweifel so verschmitzt beiseite, dass man dem Gedankengang trotzdem lachend folgt: „Stellen wir uns folgende Begegnung vor: zwischen Justin Bieber, dem weltweiten Popstar, und Martin Buber, dem längst verstorbenen jüdischen Philosophen. Ja, ja, ich weiß schon. Aber in meinem Kopf sind die beiden dazu bestimmt, sich zu begegnen.“ Zitiert Smith Seneca, dann nur, weil sie beim Abendessen mit Freunden eine „über bloßen Neid hinaus ins Existenzielle“ reichende „Beklommenheit“ darüber verspürt, wie ihre Tischnachbarin von Oper über Malerei und Literatur bis zu französischen Weinen umfassend kulturell kompetent sein kann — während die arme Zadie froh ist, sich in der Literatur halbwegs auszukennen. Nicht jeder, der Kompetenz brillant performt, ist so universalgebildet, wie er sich gibt, möchte man ihr von der anderen Seite des Tisches zuflüstern. Wir paddeln schließlich alle nur noch von (jederzeit durchs ansteigende Meer der Phänomene bedrohtem) Wissensatoll zu Wissensatoll.
Derselbe Essay schildert zuvor eine Offenbarungsszene: Die erhabene Natur Albions und die Poesie Wordsworths ergreifen Zadie bei einem Zwischenstopp an der Klosterruine von Tintern Abbey so tief, dass ihre Seele schlagartig für die Musik Joni Mitchells permeabel wird, die sie bis dahin verabscheute. Sie versucht, sowohl die langjährige Abneigung als auch die „emotionale Überwältigung“ zu verstehen. Die schnörkellose Sprache bewahrt die Szene vor unfreiwilliger Komik, und ihr Pathos wird durch die humanistische Pointe des Essays beglaubigt: Um für Schönheit wirklich empfänglich zu sein, muss man immer wieder „seine Schutzschilde senken“. Die Konzepte fallen lassen, die uns sonst potenziell verstörende Erfahrungen vom Leib halten. Wir lernen auch, wie das funktionieren kann: „Ich halte es nicht für einen Zufall, dass meine Joni-Erleuchtung quasi durch die Hintertür kam, als mein kritischer Geist schutzlos dalag, auf eine ganz andere Form von Schönheit konzentriert.“ Die Idee von schutzloser ästhetischer Erfahrung fundiert sie ethisch: Jonis „Musik, ihr ganzes Leben hat sich immer um Unbeständigkeit gedreht. Das Uneinheitliche von Identität, von Persönlichkeit“.
Die Sensibilität für diese Problematik durchzieht viele Texte des Bandes, dessen Spektrum vom politischen Kommentar über kulturjournalistische Longreads bis zum klassischen literarischen Essay reicht. Philip Roths Schreiben etwa erscheint in ihrem Licht als ein ständiges Freispielen, Rekombinieren und Neuerschaffen von bisher unaussprechlichen Identitäten. Im Brexit-Tagebuch spricht Smith über die „weiße Arbeiterschicht“. Sie benennt mit einem Satz, wie zerrüttet das Verhältnis zwischen der Arbeiterklasse und der organisierten politischen Linken ist, kommt aber ohne billige Schuldzuweisungen aus: „Die Linke schämt sich fürchterlich für sie.“ Das Porträt des Komikerduos „Key & Peele“ entfaltet sich zu einer Erkundung der so wirkmächtigen wie willkürlichen Grenze zwischen Schwarzen und Weißen — und damit der schauspielerischen Verwandlungskunst als Mittel der Freiheit.
Nicht immer gelingt der Sprung vom Geplauder zum Gedanken. Manche Passagen haben etwas von einer sehr sympathischen, weil nicht belehrenden Sonntagspredigt. Man sieht einer guten Freundin eher voller Wohlwollen beim begeisterten Erzählen zu, als ihr die ganze Zeit konzentriert zuzuhören. Aber immer wieder reißen einen unerwartete Assoziationen und die daraus emergierenden Einsichten aus diesen Phasen gemütlicher Langeweile.
Auch die Internetskepsis, die der Autorin in manchen Rezensionen als Ressentiment angekreidet wurde, resultiert aus dem Fokus auf die Komplexität individueller Identität und Persönlichkeit. Die Debatte scheint sich auch mehr an Smiths etwas arg kategorischen Interviewaussagen zu entzünden. In „Freiheiten“ findet sich zwar unter anderem ein ziemlich schneidender (aber nicht polemischer!) Text über Mark Zuckerberg und Facebook. Das Thema nimmt über die gesamte Länge des Bandes jedoch nicht viel Raum ein.
Aber es stimmt schon: Immer wieder schimmert ein nostalgischer Blick auf die Neunzigerjahre durch, also die Zeit, als Zadie Smith selbst Teenager und Studentin war und dankbar für die Segnungen des Sozialstaats, ohne die ihre Karriere nicht möglich gewesen wäre. Aber diese Empfindung wird reflektiert und ist nicht zu verwechseln mit „früher war alles besser“. Sie verdichtet sich zur schlichten Weigerung, die Idee einer nicht primär wirtschafts-, sondern kulturliberalen Welt aufzugeben, in der Freiheit weder zur narzisstischen Show zugerichtet ist, weder nur im Kampfmodus erfahrbar, noch in Widerspruch zu solidarischem Handeln steht.
Natürlich kann man Smith dabei vorwerfen, dass ihre Wahrnehmung der Diskurse in sozialen Netzwerken einseitig düster ist. Aber sie lehnt nicht den technischen Fortschritt ab, sondern nur die konzerngeführten Plattformstrukturen, die unser Denken und unsere Kommunikation prägen – und damit schlimmstenfalls vernageln. So wie wir „durchlässig“ werden müssen, um uns von Kunst wirklich berühren zu lassen, müssten auch diese virtuellen Strukturen aufgelöst oder jedenfalls immer wieder von Grund auf neu gestaltet werden. Ideen, wie das unter den heutigen Bedingungen, abgesehen vom alten Peter-Lustig-Imperativ „Abschalten!“, konkret aussehen könnte, bietet „Freiheiten“ nicht. Dafür ist Zadie Smith vielleicht auch die falsche Ansprechpartnerin. Sie stellt eine Hausapotheke gegen Zynismus bereit. Und das ist ja schon mal ein guter Anfang.
Es ist schwierig, „sich
zu überlegen, was man einen
Rapper fragen soll“
Um für Schönheit empfänglich
zu sein, müsse man
seine Schutzschilde senken
Wenn die Texte einmal
nostalgisch sind, wird das
Gefühl sofort reflektiert
Seit ihrem Roman „Zähne zeigen“ gilt Zadie Smith als Star der postkolonialen Literatur.
Foto:Miquel Llop/imago
Zadie Smith: Freiheiten. Essays. Aus dem Englischen von Tanja Handels.
Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln 2019.
512 Seiten, 26 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
»Zadie Smith setzt sich hochaktuell mit Trump, dem Brexit, mit amerikanischen Rappern und alten Meistern auseinander.« Ute Büsing rbb Inforadio 20190505