Franz Kafka gilt als der »ewige Sohn«. Als eine Person, die es nicht geschafft hat, dem Schatten eines übermächtigen Vaters und der kleinbürgerlichen Familie zu entfliehen. Eine Entwicklung wird ihm dabei kaum zugeschrieben, er bleibt der verängstigte, in Scham und Schuld verfangene Sohn. Anhand dreier Texte zeigt Karl Braun auf, dass Kafka sehr wohl eine Entwicklung durchlaufen hat: In den beiden Don-Quijote-Texten vom 21./22. Oktober 1917 bedenkt er die Konsequenzen, die die Befreiung vom Ehezwang mit Felice Bauer für ihn bedeuten. Im »Advokatenbrief« »Liebster Vater« vom November 1919 lässt er, Bilanz ziehend, den Vater weit hinter sich und rechnet mit der Vätergeneration insgesamt ab. In seinem letzten Text »Josefine, die Sängerin oder das Volk der Mäuse« von 1924 gelingt es ihm, eine Gesellschaft jenseits der Herrschaftsstruktur, die die patriarchale Sumpf-Welt mit Schmutz erfüllt, zu entwerfen. Seit 1923 lebte Kafka mit Dora Diamant zusammen, schwer krank, aber frei. Zusammenfassend wird sein Schreiben - »ich bestehe aus Literatur« (1911) - im Tagebuch-Eintrag vom 5. November 1915 »Freundchen ergieße Dich« als ironisch-paradoxe Nennung des Zu-Vermeidenden analysiert und auf den Punkt gebracht. Vor sich hin gesungen hat Kafka diesen Satz wohl auf der Karlsbrücke.
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