Es scheint, als hätten Mars und Apoll – der eine Gott des Krieges, der andere Führer der Musen – gemeinsam das Leben Friedrichs des Großen bestimmt. Geschichtsmächtig wurde jedoch allein das eher eindimensionale Bild des preußischen Königs als aufgeklärter Herrscher und überragender Militär. Seine musischen Ambitionen und Fähigkeiten werden hingegen im allgemeinen Bewusstsein zumeist auf einen gehobenen Dilettantismus beim Flötenspiel reduziert, mit dem der Monarch sich am Feierabend vom politischen Alltag ablenkte. Die Wirklichkeit sah anders aus. Friedrich musizierte und komponierte nicht nur selbst, sondern war ein herausragender Musikkenner und nachgerade ein Impresario von europäischem Rang. Nicht zuletzt seiner außerordentlichen fachlichen Kompetenz und seiner großen Liebe zur Musik verdankt Preußen den Aufstieg zu einer geachteten Kulturnation im internationalen Konzert der Mächte. Er engagierte für seine Hofmusik die fähigsten Instrumentalisten seiner Zeit; es gingen bei ihm internationale Gesangstars ein und aus und führten die Hofoper zu neuen Höhen. Für seine musikalischen Interessen und nicht zuletzt für die erfolgreiche Einführung des neuen musikalischen Genres, der komischen Oper – der Opera buffa –, schonte der König auch seine persönlichen Einkünfte nicht und honorierte Ausnahmeerscheinungen der Musikwelt wie die Kastraten Salimbeni und Porporino oder auch die Sängerin Giovanna Astrua mit Supergagen, die nicht selten 4000 Reichstaler überstiegen. Selbstverständlich setzte er die musikalischen Möglichkeiten, die der preußische Hof auf diese Weise gewann, auch diplomatisch im Kontakt mit anderen Monarchen ein – so wurde ihm die Musik zur Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Was die Musik dem preußischen König aber tatsächlich bedeutete, erfahren wir nicht zuletzt aus den oft anrührenden Briefen, die Friedrich der Große mit seiner geliebten Schwester, der Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth, austauschte.
KURZKRITIK
Flötentöne
Sabine Henze-Döhring porträtiert
Friedrich II. als Mann der Musik
„Fridericus Rex Apollini et Musis“ steht bis heute am Giebel der Oper Unter den Linden in Berlin. Sich als Musenfürst, einen Abgesandten Apolls, zu verstehen, hatte Voltaire seinem jungen Brieffreund früh nahegelegt; Friedrich nahm sich dieser Aufgabe mit der ihm eigenen Entschlossenheit an: er lernte von den Richtigen, kultivierte sein Talent, ließ sich anregen und gab große Summen für Sänger, Instrumentalisten, glanzvolle Opernaufführungen aus. So wurde, wie die Marburger Musikwissenschaftlerin Sabine Henze-Döhring schreibt, sein Künstlertum „integraler Teil seiner Würde als König“. Ihr gedrängter, klug komponierter Überblick über Friedrich als Musiker zeigt den Flötisten, den Organisator der Hofmusik, den Librettisten und Komponisten ganz auf der Höhe seiner Zeit.
Dank genauer Quellenkenntnis kann Henze-Döhring einige Legenden korrigieren: Auch nach dem Siebenjährigen Krieg verlor Friedrich II. das Interesse an Musik und Oper nicht; er mochte zeitgenössische Entwicklungen kritisch beargwöhnen, ließ sich aber dennoch Glucks „Orfeo ed Euridice“ vorführen. Auch für Laien verständlich werden die bleibenden Leistungen der friderizianischen Musikkultur vorgestellt, allen voran das „Berliner Modell“ der Opera seria, das italienische Vorbilder mit Textbüchern nach dem Muster französischer Tragödien verband, um Angst und Mitleid hervorzurufen. Dieser Absicht diente die konsequente Verwendung der Cavatine. Daneben förderte Friedrich die Opera buffa, die nicht zu Tränen rührte, sondern das Publikum zum Lachen brachte.
Langeweile zu vermeiden, scheint für den Flötenkönig ein zentrales Motiv gewesen zu sein. So spannend wie unterhaltsam liest sich dieses Buch darüber.
JENS BISKY
Sabine Henze-Döhring: Friedrich der Große. Musiker und Monarch. Verlag C.H. Beck, München 2012. 256 Seiten, 18,95 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Flötentöne
Sabine Henze-Döhring porträtiert
Friedrich II. als Mann der Musik
„Fridericus Rex Apollini et Musis“ steht bis heute am Giebel der Oper Unter den Linden in Berlin. Sich als Musenfürst, einen Abgesandten Apolls, zu verstehen, hatte Voltaire seinem jungen Brieffreund früh nahegelegt; Friedrich nahm sich dieser Aufgabe mit der ihm eigenen Entschlossenheit an: er lernte von den Richtigen, kultivierte sein Talent, ließ sich anregen und gab große Summen für Sänger, Instrumentalisten, glanzvolle Opernaufführungen aus. So wurde, wie die Marburger Musikwissenschaftlerin Sabine Henze-Döhring schreibt, sein Künstlertum „integraler Teil seiner Würde als König“. Ihr gedrängter, klug komponierter Überblick über Friedrich als Musiker zeigt den Flötisten, den Organisator der Hofmusik, den Librettisten und Komponisten ganz auf der Höhe seiner Zeit.
Dank genauer Quellenkenntnis kann Henze-Döhring einige Legenden korrigieren: Auch nach dem Siebenjährigen Krieg verlor Friedrich II. das Interesse an Musik und Oper nicht; er mochte zeitgenössische Entwicklungen kritisch beargwöhnen, ließ sich aber dennoch Glucks „Orfeo ed Euridice“ vorführen. Auch für Laien verständlich werden die bleibenden Leistungen der friderizianischen Musikkultur vorgestellt, allen voran das „Berliner Modell“ der Opera seria, das italienische Vorbilder mit Textbüchern nach dem Muster französischer Tragödien verband, um Angst und Mitleid hervorzurufen. Dieser Absicht diente die konsequente Verwendung der Cavatine. Daneben förderte Friedrich die Opera buffa, die nicht zu Tränen rührte, sondern das Publikum zum Lachen brachte.
Langeweile zu vermeiden, scheint für den Flötenkönig ein zentrales Motiv gewesen zu sein. So spannend wie unterhaltsam liest sich dieses Buch darüber.
JENS BISKY
Sabine Henze-Döhring: Friedrich der Große. Musiker und Monarch. Verlag C.H. Beck, München 2012. 256 Seiten, 18,95 Euro.
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