Nur etwas mehr als 20 Jahre nach den verheerenden Schlachten des Ersten Weltkrieges stehen sich während des Westfeldzugs im Mai und Juni 1940 die Armeen der Alliierten und Deutschlands gegenüber. Weltkriegsveteranen unter den Soldaten und Zivilisten werden mit ihren Erinnerungen konfrontiert, Söhne
kämpfen an Orten, an denen ihre Väter gefallen sind. Vielfach sind die Kriegsschauplätze identisch,…mehrNur etwas mehr als 20 Jahre nach den verheerenden Schlachten des Ersten Weltkrieges stehen sich während des Westfeldzugs im Mai und Juni 1940 die Armeen der Alliierten und Deutschlands gegenüber. Weltkriegsveteranen unter den Soldaten und Zivilisten werden mit ihren Erinnerungen konfrontiert, Söhne kämpfen an Orten, an denen ihre Väter gefallen sind. Vielfach sind die Kriegsschauplätze identisch, alte Schützengräben, Befehlsstände und Kriegerdenkmäler erinnern an die damaligen Schlachten, beim Ausheben neuer Stellungen stoßen die Soldaten auf alte Ausrüstung und sogar tote Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg.
Raffael Scheck hat eine Vielzahl an Tagebucheinträgen, Feldpostbriefen und anderen Zeitdokumenten von Frontsoldaten, Politikern, Internierten und Zivilisten (auch Schülern und Schülerinnen!) aus Belgien, Frankreich, Großbritannien und Deutschland ausgewertet und diesem Buch zugrunde gelegt. Hierdurch entsteht ein hochinteressantes, differenziertes und facettenreiches Bild des Westfeldzuges aus verschiedensten Blickwinkeln.
Meine Kenntnisse über den Westfeldzug beschränkten sich bisher im Wesentlichen auf Abiturwissen, und durch dieses Buch sind mir viele Dinge erst richtig klar geworden. So wusste ich bisher nicht, welche Spannungen und Ressentiments innerhalb der alliierten Streitkräfte vorherrschten, und dass in der französische Armee sogenannte „Senegalschützen“, also Soldaten aus den französischen Kolonien in Afrika, kämpften. Diese waren bei Gefangennahme durch die Deutschen in besonderem Maße gefährdet, schwer misshandelt oder erschossen zu werden.
Raffael Scheck gelingt es, die Zeitzeugnisse in einen fundiert recherchierten Kontext zu setzen und mit hilfreichem Hintergrundwissen zu verbinden. So entsteht ein einmaliges Werk, das neben den historischen Eckpunkten des Westfeldzuges vor allem die menschliche Perspektive zeigt. Trotz der schwierigen Thematik liest sich das Buch sehr flüssig.
Scheck setzt in seinem Buch grundlegendes Wissen über die militärischen Aspekte des Ersten Weltkriegs und des Westfeldzug voraus, und gelegentlich musste ich hier zunächst etwas nachlesen (etwa die „Maginot-Line“ und die „Dyle-Linie“ oder Details der Ardennenoffensive). Mein einziger kleiner Kritikpunkt betrifft die im Buch abgedruckte Karte. Zumindest im Ebook enthält diese keine Legende. Einige erläuternde Worte hätten dem Verständnis der eingezeichneten Kürzel und Linien sehr geholfen.
Fazit: Ein äußerst lesenwertes und hochinteressantes Buch, das einen sehr ausführlichen und ausgewogenen Blick auf den Westfeldzug wirft, dessen Ausgang entscheidend für den weiteren Kriegsverlauf war.