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Die geschmacklichen Nuancen eines Honig-Meersalz-Roibuschtees wahrzunehmen und kurz darauf dem Kumpel eine Kugel in den Kopf zu jagen: Für Jack Price ist das kein Widerspruch. Der Held des Thrillers "Fuck you very much" von Aidan Truhen kann das Leben tatsächlich in jeder Facette genießen und versteht es gleichzeitig als Wegwerfprodukt. Denn Jack führt ein Unternehmen, das keine Werte schafft oder gar auf das Wohl zukünftiger Generationen ausgerichtet ist. Er verkauft Kokain im großen Stil und nur aus einem Grund: um auf hohem Niveau zu leben. Der Kampfums Überleben hat auch für ihn, den Icherzähler dieses 350 Seiten starken Egotrips, einen hohen Unterhaltungswert. Jack braucht den Adrenalinkick der tödlichen Gefahr offenbar so sehr, wie andere Menschen Liebe und Sicherheit.
Die eigentliche Geschichte beginnt mit einem Mord, den sich Jack nicht erklären kann. Didi, seine grantelnde alte Nachbarin, wurde getötet. Scheinbar von Profikillern, ohne ersichtlichen Grund und wider Jacks durchaus vorhandenem Berufsethos. Ihm bleibt nichts anderes übrig, als diese Tat als Warnschuss auf sich zu beziehen. Wer diesen warum abgegeben haben könnte, ist das Rätsel, das "Fuck you very much" in Fahrt bringt. Dabei gibt es ein soziales Netz, das dem erklärten Einzelgänger Jack hilfreich zur Seite steht. Seine treue Assistentin und IT-Beauftragte Charlie hält seinen Finanzfluss aufrecht und schickt zwischendurch einen humorvoll designten Computervirus auf das Smartphone einer lästigen Konkurrentin. Zu Leo, einem korrupten Polizisten, pflegt Jack ein beinahe freundschaftliches Verhältnis. Und mit seiner idealistischen Anwältin Sarah könnte er sich in schwächeren Stunden durchaus eine Beziehung vorstellen. Aber all das zählt nichts, wenn es für Jack ans Eingemachte geht.
Zugleich auf der Spur von und auf der Flucht vor Didis Killern begibt sich der Drogendealer auf einen kontrollierten Feldzug durch die Abgründe des organisierten Verbrechens. Beim Erzählen prahlt er mit seinem Fachwissen über illegale Finanzströme, die Erstversorgung von Schnittwunden und die ätzende Wirkung flüssigen Stickstoffs. Schließlich sonnt er sich in der zweifelhaften Ehre, auf der Abschussliste der "Seven Demons", einem Killerkommando von internationalem Ruf, gelandet zu sein. Finanziell und technisch sind Jack keine Grenzen gesetzt. Und so nimmt dieser Roman einen mit auf einen Trip durch das Darknet, an so manchen exotischen Ort und vor allem in die Gedankenwelt eines ebenso kühlen wie kreativen Psychopathen. Dabei lässt Aidan Truhen der Fantasie genug Raum und streut ausreichend Hinweise auf einen menschlichen Kern im Killer - etwa durch dessen Leidenschaft für den Bluessänger B. B. King oder Leonard Bernsteins "West Side Story".
So plaudert und mordet Jack Price vor sich hin, als illegitimer Erbe des detailversessenen Chronisten James Joyce und des lakonischen Tresenpoeten Charles Bukowski. Wer nach der letzten Seite das Buchzuklappt, dürfte sich fühlen, wie beim Verlassen einer Achterbahn - am Ende eines halsbrecherischen Ritts. Trotz des Wissens, dass es höchst unwahrscheinlich ist, einem Mann wie Jack im wahren Leben und im falschen Moment auf der Straße zu begegnen, wirkt "Fuck you very much" noch lange nach.
© BÜCHERmagazin, Michael Pöppl (mpö)