Ein spannender neuer Blick auf eines der großen Rätsel des Zweiten Weltkriegs
Am 7. Dezember 1941 greifen japanische Luftstreitkräfte Pearl Harbor an und zwingen so die USA in den Krieg gegen Japan. Fünf Tage später erklärt Hitler, dessen Truppen bereits verlustreich an mehreren Fronten in Europa kämpfen, den USA den Krieg und treibt diese zum Kriegseintritt in Europa. Was hat Hitler zu diesem Schritt bewogen, der das Ende seiner Herrschaft einleitete? Welche Überlegungen, welche Ängste und Hoffnungen bewegten die Akteure der wichtigsten kriegführenden Mächte? Auf der Basis wenig bekannter Dokumente und Aufzeichnungen schreiben die Historiker Simms und Laderman erstmals die dramatische Geschichte dieser fünf Tage im Zweiten Weltkrieg.
Am 7. Dezember 1941 greifen japanische Luftstreitkräfte Pearl Harbor an und zwingen so die USA in den Krieg gegen Japan. Fünf Tage später erklärt Hitler, dessen Truppen bereits verlustreich an mehreren Fronten in Europa kämpfen, den USA den Krieg und treibt diese zum Kriegseintritt in Europa. Was hat Hitler zu diesem Schritt bewogen, der das Ende seiner Herrschaft einleitete? Welche Überlegungen, welche Ängste und Hoffnungen bewegten die Akteure der wichtigsten kriegführenden Mächte? Auf der Basis wenig bekannter Dokumente und Aufzeichnungen schreiben die Historiker Simms und Laderman erstmals die dramatische Geschichte dieser fünf Tage im Zweiten Weltkrieg.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensent Cord Aschenbrenner kennt Pearl Harbour und die Folgen. Dennoch findet er das Buch der beiden Historiker Brendan Simms und Charlie Laderman an- und aufregend. Die fünf Tage zwischen dem japanischen Angriff und dem Kriegseintritt der USA schildern die Autoren laut Aschenbrenner mit fragendem Gestus, der dem Leser klar macht: So zwingend war der Krieg gegen Deutschland für die USA zunächst nicht. Welche Schlüsse Hitler aus Pearl Harbour zog, erwägen die Autoren laut Rezensent gleichfalls auf so gelehrte wie spannende Weise. Deutsche wie amerikanische Akten, Artikel und Tagebücher dienen ihnen als Grundlage, erklärt Aschenbrenner. Die ganze Unwägbarkeit der Situation auf Seiten der USA wird dabei erkennbar, staunt er.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.12.2021Dramatische Ungewissheit nach der Attacke auf Hawaii
Brendan Simms und Charlie Ladermann sehen nach dem Angriff auf Pearl Harbor 1941 den Weltkrieg nicht als Automatismus
Für Millionen Menschen in Europa, der Sowjetunion und Nordafrika war die Weltlage im dritten Kriegsjahr ohnehin schon lebensbedrohlich und Hunderttausende polnischer und sowjetischer Juden waren bereits tot, als am 7. Dezember 1941 japanische Flugzeuge die amerikanische Marinebasis Pearl Harbor auf Hawaii angriffen. Sie versenkten oder zerstörten einen Großteil der amerikanischen Pazifikflotte; 2335 US-Soldaten starben, mehr als 1000 wurden schwer verwundet – eine militärische Katastrophe. Am selben Tag erklärten die USA Japan den Krieg, während gleichzeitig Truppen, Kampfbomber und Kriegsschiffe des Kaiserreichs Südostasien und die britischen Besitzungen dort bedrohten.
In einem fesselnden Buch betrachten die in Cambridge bzw. am King’s College in London lehrenden Historiker Brendan Simms und Charlie Laderman die Tage zwischen der japanischen Attacke und Hitlers Kriegserklärung an die USA am 11. Dezember. Sie charakterisieren diese fünf Tage als einerseits so „nervenaufreibend wie wenige andere“ in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, andererseits aber auch als die „am wenigsten verstandenen“. Die vorherrschende Meinung ist die, dass dem japanischen Angriff gar nichts anderes habe folgen können als eben ein weltumspannender Krieg, der dann tatsächlich auch wenige Tage später losbrach.
Aber war am Tag nach Pearl Harbor wirklich zu erwarten, dass die USA mit dem Kampf gegen Japan auch den gegen das Deutsche Reich (beide Länder bildeten gemeinsam mit Italien die „Achse“, den 1940 geschlossenen Dreimächtepakt) aufnahmen? War der anhaltende Widerstand jener isolationistischen, anti-interventionistischen amerikanischen Politiker gegen einen Kriegseintritt ihres Landes durch Pearl Harbor derart geschwächt, dass es keinen Zweifel am Gegenschlag der USA auch im Westen, gegen den gefährlichen Aggressor und Demokratiefeind Deutschland geben konnte – so wie es sich der britische Premier Winston Churchill spätestens seit dem Sommer 1940 erhofft hatte? Churchill selbst sollte später in seiner „Geschichte des Zweiten Weltkriegs“ schreiben, er habe in der Nacht nach dem japanischen Angriff gewusst: „Die Vereinigten Staaten beteiligen sich aktiv am Krieg und sind auf Leben und Tod engagiert. Damit hatten wir dennoch gesiegt!“
Das aber war, sollte Churchill wirklich so empfunden haben, vorerst nur Wunschdenken, jedenfalls bezogen auf Berlin, wie die beiden Historiker in ihrer minutiösen Studie über fünf Tage in neun Zeitzonen nachweisen können. Was jetzt anbrach, war eine Zeit dramatischer Ungewissheit. Denn die japanische Attacke bedeutete nicht, wie der völlig überraschte Propagandaminister und Hitler-Intimus Goebbels erst annahm, dass Deutschland nun seinerseits den USA den Krieg erklären müsse. Nur bei einem Angriff der USA auf Japan hätte Deutschland dem Dreimächtepakt zufolge Japan durch eine Kriegserklärung beistehen müssen. Und für Churchills Wünsche schienen die Zeichen aus Washington in den ersten Tagen nach Pearl Harbor alles andere als günstig zu sein.
Denn Heer und Marine der USA stellten noch in der Nacht nach dem Angriff sämtliche Rüstungslieferungen nach dem Leih-Pacht-Gesetz ein, um erst einmal selbst genügend Waffen und Material zu haben. Das traf die Sowjetunion, vor allem aber die Briten. Und keineswegs wollten die US-Bürger sofort Krieg auch gegen Deutschland. Die Wut der Amerikaner war gegen Japan gerichtet, eine sofortige Kriegserklärung an das Dritte Reich wäre, schreiben Simms und Laderman, „politisch höchst riskant“ gewesen – trotz Franklin D. Roosevelt ausdauernder Bemühungen, seine Landsleute, von denen nicht wenige einer isolationistischen „America First“-Ideologie anhingen, von Hitlers Gefährlichkeit zu überzeugen. Erst nach dessen Kriegserklärung an die USA war die Meinung im Land eindeutig.
Wie wird sich Amerika entscheiden? Bleiben Churchill und das Empire im Westen auf sich gestellt, während die Japaner im Pazifik vor der malaiischen Halbinsel bereits britische Schlachtschiffe versenken? Und welche Schlüsse zieht Hitler aus dem japanischen Angriff? Fragen wie diese stellt man sich bei der Lektüre des sehr gut übersetzten Buchs von Simms und Laderman, die eine dramatische „globale Nonstop-Erzählung“ unter Verwendung von überwiegend amerikanischen und deutschen amtlichen Akten und diplomatischem Schriftverkehr, aus Tagebüchern, Memoiren und Zeitungsartikeln geschrieben haben. Sie ist äußerst spannend – obwohl der Ausgang der Geschichte ja bekannt ist. Aber eben nicht die vielen politischen Unwägbarkeiten auf amerikanischer Seite, die es, folgt man den beiden Verfassern, nicht zwingend machten, dass die USA endlich der Anti-Hitler Koalition beitraten.
In einer unlängst erschienenen Hitler-Biographie hat Brendan Simms diesem eine Art Fixierung auf das bewunderte, von einer „Herrenrasse“ dominierte „Anglo-Amerika“ unterstellt, was man zumindest als interessante Deutung betrachten kann. Mit diesem Konkurrenzdenken erklären er und Laderman auch Hitlers wahnwitzig erscheinende Kriegserklärung an die USA; die Konfrontation sei nach Hitlers Überzeugung „früher oder später unausweichlich“, Hitlers Reichstagsrede am 11. Dezember der Höhepunkt eines langen verbalen Duells mit Roosevelt seit 1937 gewesen. Anders als 1917 sollte Deutschland diesmal aber nicht den Angriff abwarten, sondern „zuerst offen zuschlagen“. Nicht wenigen Zeitgenossen war sofort klar, dass dies Hitlers größter strategischer Fehler war.
Simms und Laderman zeigen in ihrem so gelehrten wie anregenden Buch, dass Hitler genau wusste, worauf er sich gegen die vielfach überlegenen USA einließ. Nur Ende 1941 sah er, mit den starken Japanern an seiner Seite, die Gelegenheit einen Achsenblock zu schaffen, der nicht siegen, aber widerstehen konnte. Zum Glück täuschte er sich.
CORD ASCHENBRENNER
Die Autoren betonen, dass Hitler
genau wusste, was er tat, als
er den USA den Krieg erklärte
Brendan Simms,
Charlie Laderman:
Fünf Tage im Dezember.
Von Pearl Harbor bis zur Kriegserklärung Hitlers an die USA. . . Aus dem Englischen von Klaus-Dieter Schmidt. DVA, München 2021. 640 Seiten, 32 Euro.
Noch nicht Partner im Kampf gegen Hitler: Der amerikanische Präsident Roosevelt (links) und der britische Premier Churchill im August 1941.
Foto: Scherl/SZ Photo
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Brendan Simms und Charlie Ladermann sehen nach dem Angriff auf Pearl Harbor 1941 den Weltkrieg nicht als Automatismus
Für Millionen Menschen in Europa, der Sowjetunion und Nordafrika war die Weltlage im dritten Kriegsjahr ohnehin schon lebensbedrohlich und Hunderttausende polnischer und sowjetischer Juden waren bereits tot, als am 7. Dezember 1941 japanische Flugzeuge die amerikanische Marinebasis Pearl Harbor auf Hawaii angriffen. Sie versenkten oder zerstörten einen Großteil der amerikanischen Pazifikflotte; 2335 US-Soldaten starben, mehr als 1000 wurden schwer verwundet – eine militärische Katastrophe. Am selben Tag erklärten die USA Japan den Krieg, während gleichzeitig Truppen, Kampfbomber und Kriegsschiffe des Kaiserreichs Südostasien und die britischen Besitzungen dort bedrohten.
In einem fesselnden Buch betrachten die in Cambridge bzw. am King’s College in London lehrenden Historiker Brendan Simms und Charlie Laderman die Tage zwischen der japanischen Attacke und Hitlers Kriegserklärung an die USA am 11. Dezember. Sie charakterisieren diese fünf Tage als einerseits so „nervenaufreibend wie wenige andere“ in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, andererseits aber auch als die „am wenigsten verstandenen“. Die vorherrschende Meinung ist die, dass dem japanischen Angriff gar nichts anderes habe folgen können als eben ein weltumspannender Krieg, der dann tatsächlich auch wenige Tage später losbrach.
Aber war am Tag nach Pearl Harbor wirklich zu erwarten, dass die USA mit dem Kampf gegen Japan auch den gegen das Deutsche Reich (beide Länder bildeten gemeinsam mit Italien die „Achse“, den 1940 geschlossenen Dreimächtepakt) aufnahmen? War der anhaltende Widerstand jener isolationistischen, anti-interventionistischen amerikanischen Politiker gegen einen Kriegseintritt ihres Landes durch Pearl Harbor derart geschwächt, dass es keinen Zweifel am Gegenschlag der USA auch im Westen, gegen den gefährlichen Aggressor und Demokratiefeind Deutschland geben konnte – so wie es sich der britische Premier Winston Churchill spätestens seit dem Sommer 1940 erhofft hatte? Churchill selbst sollte später in seiner „Geschichte des Zweiten Weltkriegs“ schreiben, er habe in der Nacht nach dem japanischen Angriff gewusst: „Die Vereinigten Staaten beteiligen sich aktiv am Krieg und sind auf Leben und Tod engagiert. Damit hatten wir dennoch gesiegt!“
Das aber war, sollte Churchill wirklich so empfunden haben, vorerst nur Wunschdenken, jedenfalls bezogen auf Berlin, wie die beiden Historiker in ihrer minutiösen Studie über fünf Tage in neun Zeitzonen nachweisen können. Was jetzt anbrach, war eine Zeit dramatischer Ungewissheit. Denn die japanische Attacke bedeutete nicht, wie der völlig überraschte Propagandaminister und Hitler-Intimus Goebbels erst annahm, dass Deutschland nun seinerseits den USA den Krieg erklären müsse. Nur bei einem Angriff der USA auf Japan hätte Deutschland dem Dreimächtepakt zufolge Japan durch eine Kriegserklärung beistehen müssen. Und für Churchills Wünsche schienen die Zeichen aus Washington in den ersten Tagen nach Pearl Harbor alles andere als günstig zu sein.
Denn Heer und Marine der USA stellten noch in der Nacht nach dem Angriff sämtliche Rüstungslieferungen nach dem Leih-Pacht-Gesetz ein, um erst einmal selbst genügend Waffen und Material zu haben. Das traf die Sowjetunion, vor allem aber die Briten. Und keineswegs wollten die US-Bürger sofort Krieg auch gegen Deutschland. Die Wut der Amerikaner war gegen Japan gerichtet, eine sofortige Kriegserklärung an das Dritte Reich wäre, schreiben Simms und Laderman, „politisch höchst riskant“ gewesen – trotz Franklin D. Roosevelt ausdauernder Bemühungen, seine Landsleute, von denen nicht wenige einer isolationistischen „America First“-Ideologie anhingen, von Hitlers Gefährlichkeit zu überzeugen. Erst nach dessen Kriegserklärung an die USA war die Meinung im Land eindeutig.
Wie wird sich Amerika entscheiden? Bleiben Churchill und das Empire im Westen auf sich gestellt, während die Japaner im Pazifik vor der malaiischen Halbinsel bereits britische Schlachtschiffe versenken? Und welche Schlüsse zieht Hitler aus dem japanischen Angriff? Fragen wie diese stellt man sich bei der Lektüre des sehr gut übersetzten Buchs von Simms und Laderman, die eine dramatische „globale Nonstop-Erzählung“ unter Verwendung von überwiegend amerikanischen und deutschen amtlichen Akten und diplomatischem Schriftverkehr, aus Tagebüchern, Memoiren und Zeitungsartikeln geschrieben haben. Sie ist äußerst spannend – obwohl der Ausgang der Geschichte ja bekannt ist. Aber eben nicht die vielen politischen Unwägbarkeiten auf amerikanischer Seite, die es, folgt man den beiden Verfassern, nicht zwingend machten, dass die USA endlich der Anti-Hitler Koalition beitraten.
In einer unlängst erschienenen Hitler-Biographie hat Brendan Simms diesem eine Art Fixierung auf das bewunderte, von einer „Herrenrasse“ dominierte „Anglo-Amerika“ unterstellt, was man zumindest als interessante Deutung betrachten kann. Mit diesem Konkurrenzdenken erklären er und Laderman auch Hitlers wahnwitzig erscheinende Kriegserklärung an die USA; die Konfrontation sei nach Hitlers Überzeugung „früher oder später unausweichlich“, Hitlers Reichstagsrede am 11. Dezember der Höhepunkt eines langen verbalen Duells mit Roosevelt seit 1937 gewesen. Anders als 1917 sollte Deutschland diesmal aber nicht den Angriff abwarten, sondern „zuerst offen zuschlagen“. Nicht wenigen Zeitgenossen war sofort klar, dass dies Hitlers größter strategischer Fehler war.
Simms und Laderman zeigen in ihrem so gelehrten wie anregenden Buch, dass Hitler genau wusste, worauf er sich gegen die vielfach überlegenen USA einließ. Nur Ende 1941 sah er, mit den starken Japanern an seiner Seite, die Gelegenheit einen Achsenblock zu schaffen, der nicht siegen, aber widerstehen konnte. Zum Glück täuschte er sich.
CORD ASCHENBRENNER
Die Autoren betonen, dass Hitler
genau wusste, was er tat, als
er den USA den Krieg erklärte
Brendan Simms,
Charlie Laderman:
Fünf Tage im Dezember.
Von Pearl Harbor bis zur Kriegserklärung Hitlers an die USA. . . Aus dem Englischen von Klaus-Dieter Schmidt. DVA, München 2021. 640 Seiten, 32 Euro.
Noch nicht Partner im Kampf gegen Hitler: Der amerikanische Präsident Roosevelt (links) und der britische Premier Churchill im August 1941.
Foto: Scherl/SZ Photo
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