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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
Wie unverschämt und unkollegial Männer sind
"Ich habe das Buch geschrieben, damit auch Frauen mit Karriereabsichten sich konkret vor Augen führen können, was auf sie zukommt." Die Autorin bleibt anonym, sie ist, so der Verlag C. H. Beck, Topmanagerin in einem großen deutschen Unternehmen mit Milliardenumsatz. In 28 kurzen Kapiteln räsoniert sie ihre Zeit als kinderlose Führungskraft, die sich in einer männerdominierten Umwelt durchsetzen muss. Diese Kollegen werden fast durchgehend als unverschämt und unkollegial beschrieben. "Ich denke oft darüber nach, ob mein Wille, den dominant und herausfordernd auftretenden Gesprächspartner verstehen zu wollen, typisch weiblich ist oder einfach meine Eigenheit. Ich will nicht zeigen, dass ich stärker bin. Ich will erreichen, dass das Gespräch gut verläuft und wir zu einem Ergebnis kommen, das für beide Seiten akzeptabel ist."
Auch wenn die Geschichten, die von Spesenabrechnungen über Smalltalk-Themen bis zu einsamen Hotelzimmerabenden reichen, klischeebelastet und überzeichnet scheinen, zeigen sie doch eine bittere Wirklichkeit in deutschen Vorstandsetagen. Wenn die Autorin am Sinn des männlichen Dominanzstrebens zweifelt, und Männer mit ihren Beobachtungen konfrontiert, erntet sie ein Achselzucken als Antwort - ein weiteres verachtenswertes Ritual. Dass der aggressive Drang, besser zu sein, nicht nur dem Ego Einzelner, sondern auch dem Arbeitgeber nützt, bleibt ausgeblendet.
So fragt sich der Leser, weshalb die Betroffene nicht einfach das Unternehmen gewechselt hat. Zugleich beschleicht den Leser freilich das Gefühl, dass die beschriebenen Unzulänglichkeiten universell sein könnten. Abhilfe schaffe da, so die Autorin, eine Quote, die sich das einzelne Unternehmen als Selbstverpflichtung auferlegt: "In vielen Bereichen der Unternehmen arbeitet man mit einer Quote; sie gibt zum Beispiel bei Umsatz und Gewinn das Ziel vor." Eine Quote würde immerhin das Vorurteil zur Strecke bringen, Frauen wollten nicht nach oben kommen. Gleichzeitig würde sie Verständnis dafür wecken, dass auch Männer unter den beschriebenen Ritualen leiden.
Man kann das Buch auf verschiedene Weise lesen. Es mag eine traurige Seifenoper über den Alltag im deutschen Topmanagement sein. Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist es eine dramatische Aufklärung darüber, weshalb unglaublich viel Humankapital - das der Frauen - ungenutzt bleibt, obwohl man es durch anständige Umgangsformen aktivieren könnte. Dienlich ist das Buch als Ratgeber für Frauen, die auf dem Weg nach oben sind. Sie können sich auf manche Belästigung besser vorbereiten und diese parieren.
Allerdings legen auch Frauen die von "Anonyma" kritisierten Eigenschaften an den Tag. Und vielleicht ist die Autorin inzwischen schon selbst zu sehr mit der Männerwelt assimiliert, wenn sie fragt: "Und wenn das gesamte Topmanagement zu 98 Prozent aus Frauen bestünde, fände dann der gesellige Teil der Jahrestagung im Wellness- und Spabereich eines Luxushotels statt? Oder gäbe es Yoga für alle unter fachkundiger Anleitung?" So würde doch nur ein Mann über Frauenmanagement schreiben.
JOCHEN ZENTHÖFER.
Anonyma: Ganz oben.
C.H.Beck, München 2013, 159 Seiten, 14,95 Euro
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