Denken und Dichten: beide sind sie Kinder der Sprache. Eine sehr lange Zeit hat es gebraucht, bevor sich aus orphischen Gesängen, rhapsodischen Fiktionen und schamanischen Analogien autonomes Denken kristallisierte. Doch so sehr, seit der griechischen Klassik, dieses Denken sich auf Abstraktion zuspitzte ? über Jahrtausende blieb es gebunden an das uralte Erbe der Dichtung: an Rhythmus, Phrasierung, Klangfarbe und Intonation, an rhetorische Figuren, Bilder und Symbole. Eine Sprache der Sinnlichkeit, vibrierend von Bedeutung und innerer Bewegung: das ist die Ausdrucksform der größten Denker von Heraklit über Platon, Descartes und Spinoza, Hegel und Nietzsche hin zu Wittgenstein, Heidegger, Sartre. Umgekehrt drängt es die Dichter immer wieder zum gedanklichen System: Den großen Meistern und Meisterwerken solcher Synthese, der schönen Verschmelzung von Dichtung und Denken gilt Steiners neuer mit poetischem Schwung geschriebene philosophisch-historische Essay.
Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, D, I ausgeliefert werden.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Ganz dem Sog von George Steiners Essay über die Verbindung von Philosophieren und Poesie hat sich Jürgen Trabant hingegeben. Der Autor, Komparatist in Oxford, der ihn bereits mit seinem Buch "Nach Babel" über die Sprache begeistert hat, geht hier in historischer Folge, allerdings mit zahlreichen Assoziationen und Anmerkungen angereichert, dem Zusammenhang von Dichten und Denken bei Philosophen von den Vorsokratikern bis Heidegger nach, erklärt der Rezensent. Besonders begeistert hat Trabant das fünfte Kapitel, das sich Descartes, Hegel und Marx widmet. Er findet, dass vor Steiner noch keiner das "Talmudisch-Buchhafte" im Marx'schen Denken so klar gesehen hat. Dem letzten Kapitel, in dessen Zentrum Heidegger steht, lässt sich berührend der Schmerz darüber ablesen, dass der Philosoph den Nationalsozialisten anhing. Kein Zweifel besteht für Trabant, dass Steiners eigenes Denken zutiefst poetisch ist, was dieses Buch zu einer so überwältigenden Lektüre macht. Allerdings handelt es ich es sich hier um ein Werk für "Hochgebildete", klärt der Rezensent auf, das keine Rücksicht auf eventuelle Bildungslücken seiner Leser nimmt. So wird vor allem der Wissende mit Zugang zu Nachschlagewerken seine Freude an diesem "wirbelnden Durchgang durch die europäische Philosophie- und Literaturgeschichte" haben, so Trabant, der aber kein Problem mit dem "radikal elitären" Anspruch dieses Werks zu haben scheint.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH