Studienarbeit aus dem Jahr 1999 im Fachbereich Russistik / Slavistik, Note: 2, Ruhr-Universität Bochum (Slawistik), Veranstaltung: "Rezeptionsgeschichte - Puskin-Konzepte im 19. Jahrhundert", Sprache: Deutsch, Abstract: Der Wandel des Dichterbildes in der russischen Literatur des 20. Jahrhunderts steht im Zeichen der Kultur und Gesellschaft. Die russische Literatur des beginnenden 20. Jahrhunderts ist eine Literatur des Autors, die den Leser zwingt, sich den Idealen und der Weltsicht dieses Autors anzupassen. «Der eigentliche Dichterkult beginnt in Russland nach dem Tod Puškins, dessen Biographie allmählich zum Muster einer Dichter-Vita stilisiert wird. Doch erst im Symbolismus, im «Silbernen Zeitalter», das sich im Selbstverständnis an der «goldenen» Puškinzeit orientiert, entsteht der erwähnte auktoriale Diskurs, in dem das Dichterbild zu einer zentralen Bezugsinstanz in der Literatur zu werden beginnt. *1) Die Literatur und Kunst der Moderne in Russland haben einen gewaltigen Aufschwung in der raschen Abfolge von Stilepochen erlebt. Der Realismus des 19. Jahrhunderts weicht um 1900 dem Symbolismus, dieser wiederum um 1910 von der Avantgarde, vom Akmeismus und Futurismus verdrängt. Die Wende zur Moderne erscheint als eine Abkehr vom Realismus des 19. Jahrhunderts. Die Symbolisten definierten ihre Kunst als Streben zu einer „höheren“ Realität. Die Futuristen vertraten dagegen die Auffassung eines diesseitigen Universums. Sie demonstrierten ihren Bruch mit der Tradition. Die russische Avantgarde war keine einheitliche Bewegung. Sie war in kleinere Gruppen zersplittert, die danach strebten, eine neue Kunst zu schaffen. Im Herbst 1911 konstituierte sich die Petersburger Dichtergilde (Cech poetov), die durch Achmatova, Gorodeckij, Gumilev, Mandel’štam und andere vertreten war. Mit dem Tode Gumilevs (1921) löste sich die Gruppe langsam wieder auf. Aus dieser Gruppe heraus entstand eine Bewegung - der Akmeismus. Der Akmeismus knüpfte an die Errungenschaften des Symbolismus an. Der Symbolismus, so Gumilev, habe „eine Störung des Gleichgewichts in der Poesie bewirkt. Er habe sich dem Symbol unterworfen und sich in der Verschmelzung der poetischen Bilder in einer nubelösen Metaphysik verfangen.“*2) Deshalb wolle man den Vers von den Fesseln des Metrums befreien, alle poetischen Mittel sollten gleich-berechtigt nebeneinander stehen. Das Symbol solle nur ein Mittel unter vielen sein. Der Dichter solle in dieser Welt bleiben und auf alles mystische Streben verzichten. Die Betonung des Diesseits solle den Zustand des Gleichgewichts in der Kunst herstellen. [...]