Für Katholiken erweiterte sich der menschliche Handlungsspielraum im 19. Jahrhundert gegenüber dem göttlichen beträchtlich. Zunächst herrschte ein göttliches Gnadendispositiv vor, das entsprechend eines geringen Handlungsdrucks und geringer Partizipationsmöglichkeiten geringe Handlungsmöglichkeiten bot. Steigender sozialer Handlungsdruck und steigende Partizipationsmöglichkeiten führten zu einem dämonomanischen Exorzismusdispositiv, das von einer agonalen Zuwendung zur Welt geprägt war. Deshalb zielten die katholischen sozialethischen Entwürfe nicht auf soziale Sicherheit, sondern auf die Transformation einer Art von Unsicherheit in eine andere, und zwar von unberechenbarer Gefahr in berechenbares Risiko. Die religionsgeschichtliche Studie analysiert die zeitgenössischen katholischen Diskurse und zeigt, wie sich noch während der Vorherrschaft des Ultramontanismus ein normalisierendes Regeldispositiv entwickelte, in dem sich der den Naturgesetzen unterworfene Mensch gegenüber transzendenten Mächten emanzipierte. PD Dr. Johann Kirchinger ist als Profanhistoriker Assistent am Lehrstuhl für Mittlere und Neue Kirchengeschichte an der Fakultät für Katholische Theologie der Universität Regensburg und Lehrbeauftragter an der Abteilung Neuere Geschichte der Universität Stuttgart.
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