Fragestellung und Grundlagen werden zunächst anhand des von Luc Ciompi aus den modernen Emotions- und Evolutionswissenschaften entwickelten Konzepts der Affektlogik erklärt. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie sich kollektive Emotionen auf das allgemeine Denken und Handeln auswirken. Anhand von Beispielen wie dem Aufstieg Hitlers und des Nationalsozialismus, dem Israel-Palästina-Konflikt und den aktuellen Spannungen zwischen der islamischen und westlichen Welt wird überzeugend erklärt, wie Wir-Gefühle den Lauf der Geschichte beeinflussen. Auch bei der Wahl von Barack Obama zum amerikanischen Präsidenten 2008 spielten kollektive Emotionen eine zentrale Rolle. Ähnliche Wechselwirkungen zwischen Fühlen, Denken und Verhalten lassen sich den Autoren zufolge ebenfalls in unzähligen Alltagssituationen, in der Werbung, im Verkauf und in der Entwicklung von familien- oder gruppenspezifischen »Eigenwelten« beobachten. Als Schlussfolgerung ergibt sich, dass offene oder verdeckte Emotionen die entscheidenden Motoren und Organisatoren allen mikro- und makrosozialen Geschehens sind. Abschließend diskutieren Luc Ciompi und Elke Endert die praktischen und theoretischen Implikationen dieser Erkenntnis für unser allgemeines Menschenbild sowie für moderne Techniken der Krisenintervention, der Mediation und der Bewältigung von kollektiven Traumata.
Der interdisziplinäre Ansatz der kollektiven Affektlogik ist ausgesprochen innovativ und sowohl praktisch wie konzeptuell von erheblichem Allgemeininteresse. Er wirft ein neues Licht sowohl auf großräumige politische und gesellschaftliche Prozesse wie auch auf scheinbar selbstverständliche Alltagsphänomene.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
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