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Zum 300. Geburtstag Friedrichs des Großen am 24. Januar: die Anfänge moderner Gefühlspolitik im aufgeklärten Absolutismus. Durch Liebe, nicht durch Furcht und Gehorsamszwang sollte der König regieren. So bestimmte es die (früh)moderne Staatstheorie. Schon Friedrich II. von Preußen (1712-1786) wusste, dass es nicht ausreicht, über die Körper der Untertanen zu herrschen. Auch ihre Herzen wollen erobert werden. Doch die Geschichtsschreibung berichtet, dass Friedrich der Große weder mild noch sanft mit seinen Untertanen umging. Ute Frevert analysiert das Herrschaftsverständnis Friedrichs ebenso…mehr

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Produktbeschreibung
Zum 300. Geburtstag Friedrichs des Großen am 24. Januar: die Anfänge moderner Gefühlspolitik im aufgeklärten Absolutismus. Durch Liebe, nicht durch Furcht und Gehorsamszwang sollte der König regieren. So bestimmte es die (früh)moderne Staatstheorie. Schon Friedrich II. von Preußen (1712-1786) wusste, dass es nicht ausreicht, über die Körper der Untertanen zu herrschen. Auch ihre Herzen wollen erobert werden. Doch die Geschichtsschreibung berichtet, dass Friedrich der Große weder mild noch sanft mit seinen Untertanen umging. Ute Frevert analysiert das Herrschaftsverständnis Friedrichs ebenso wie dessen gefühlspolitische Praktiken. Sie zeigt, mit welchen Mitteln der aufgeklärt-absolutistische König die Zustimmung und Zuneigung derjenigen suchte, die seiner Herrschaft unterworfen waren. Dieses Interesse machten sich die Untertanen zunutze: Sie stellten Bedingungen, formulierten Erwartungen und reagierten enttäuscht, wenn der König darauf nicht einging. Die Historikerin zeigt, dass Herrschaftskommunikation in zwei Richtungen verläuft, und das nicht erst in der heutigen Mediengesellschaft. Im 18. Jahrhundert entdeckt Frevert die Ansätze einer Gefühlspolitik, die ihre Spuren in der Moderne hinterlassen haben.

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Autorenporträt
Ute Frevert, geb. 1954, Historikerin. Direktorin des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung, Berlin. Professuren an der Yale University sowie an den Universitäten Bielefeld, Konstanz und Berlin. Veröffentlichungen u.a.: Emotions in History - Lost and Found (2011), Die kasernierte Nation. Militärdienst und Zivilgesellschaft in Deutschland (2001); "Mann und Weib, und Weib und Mann". Geschlechter-Differenzen in der Moderne (1995); Ehrenmänner. Das Duell in der bürgerlichen Gesellschaft (1991). Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina. 1998 erhielt sie den Leibniz-Preis der DFG.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.01.2012

Er wusste seine Rollen wunderbar zu spielen

Ein Feldherr, ein Dichter und ein Landesvater auch: Aus Anlass des dreihundertsten Geburtstags von Friedrich dem Großen widmen sich neue Bücher allen Facetten des Preußenkönigs.

Was hat er nun wirklich gesagt, als seine Soldaten in der Schlacht von Kolin davonliefen - "Hunde, wollt ihr ewig leben?" Oder "Racker"? Oder gar "Kerls"? Johannes Unger und Jan Martin Ogiermann entscheiden sich in ihrem Buch über Friedrich den Großen für "ihr Racker", aber eine Klärung der Zitatfrage bedeutet das natürlich nicht. Sicher ist, dass Friedrich seine Soldaten einerseits verachtete - auf Französisch nannte er sie "bougres", also "Pack", "Gelump" -, andererseits leutselig mit ihnen am Lagerfeuer saß und plauderte. Ein "Königtum der Widersprüche", wie Theodor Schieder es nannte, zeigte sich darin vielleicht noch nicht (schließlich gaben sich auch andere hochgeborene Feldherren volksnah), aber doch eine Herrschaft mit vielen Gesichtern.

Jede Beschäftigung mit Friedrich dem Großen verläuft sich irgendwann im Pulverdampf der Legende. Unger und Ogiermann suchen dieser Gefahr zu entgehen, indem sie sich ganz ans Faktische und Erwiesene halten und ihren Text durch eingeblendete Informationsblöcke - "Exkurse" und "Länderskizzen" - zusätzlich strukturieren. Außerdem erzählen sie fast durchweg im Präsens: "Friedrich will weg." - "Friedrich Wilhelm hasst die Prädestination." - "Der Missetäter versucht zu beschwichtigen." - "Zu Beginn des siebten Kriegsjahres stehen die preußischen Aktien schlecht." Der lagerfeuergemäße Reportageton, bei dem man die Taten und Leiden Preußens gleichsam live serviert bekommt, geht freilich auf Kosten des Charakterbilds. "Friedrich - Ein deutscher König" ist keine Biographie, sondern ein Dossier. Der Lebensweg des Monarchen, vom Kampf mit dem Vater über Reformen und Kriege bis zur mythischen Erstarrung im Alter, wird säuberlich abgearbeitet, aber sein Porträt bleibt verschwommen.

Dass der König seine jüdischen Untertanen nach Strich und Faden ausnahm und ihnen wie ein Mafia-Patron Schutzgelder abpresste, führen die beiden Autoren - von denen Ogiermann, der die Texte für Unger "recherchiert und vorbereitet" hat, nur als Mitarbeiter firmiert - so meinungsstark wie unhistorisch auf Friedrichs "antisemitische Haltung" zurück. Zu seinem Regierungsstil, seiner Weltwahrnehmung, seiner Politik und Schriftstellerei geben sie dagegen nur wieder, was frühere Historikergenerationen bereits an Erkenntnissen zusammengetragen haben. Dafür aber ist ihre Behandlung des Materials, von Einschüben unverdauter älterer Pathos-Prosa abgesehen - "Friedrichs Angriffe scheitern blutig, aber der Reitergeneral Ziethen (sic!), der den rechten Flügel kommandiert, rettet mit einem letzten Angriff den Tag" - angenehm sachlich in Gliederung und Stil. Oberstufenklassen, die von der gleichnamigen RBB-Dokumentation (F.A.Z. vom 7. Januar) enttäuscht waren, werden bei Unger und Ogiermann die dort vermisste Klarheit finden. Eine souveräne, Wissenschaft und Erzählkunst verbindende Neubewertung Friedrichs des Großen sähe allerdings anders aus.

Wie man es viel schlechter machen kann, zeigt Tom Goellers Buch über den "Alten Fritz". Hier sind die Exkurse in den Text geklöppelt, der so zu einer Art Flickenbild der Goellerschen Recherche wird, an Unübersichtlichkeit mindestens der damaligen Landkarte des Heiligen Römischen Reichs vergleichbar. Alle Nase lang fällt dem Autor zu seinem Thema irgendein Schmankerl ein. Bei Friedrichs Freigeisterei denkt er an die Freimaurer Carlo Schmid und Holger Börner, bei den "preußischen Tugenden" an Statements von Helmut Schmidt und Angela Merkel, und auch die Skandalgeschichte um den Freiherrn von der Trenck wird in aller Breite ausgewalzt - wobei Goeller "aus meiner Erfahrung als langjähriger Politik-Journalist" immer denjenigen Versionen des Geschehens den Vorzug gibt, an denen die Berufshistoriker Zweifel haben. Dieses Herumfuhrwerken an einem "wildfremden, längst vermoderten Menschen" (Goeller), bei dem nebenbei eine Menge sachlicher Schnitzer anfallen - eine "Schlacht bei Schweidnitz" hat es nicht gegeben, und "Prinz Wilhelm" hieß in Wahrheit Heinrich -, könnte man als Hobby-Arbeit abtun, wäre der Band nicht im einst ehrenwerten Verlag Hoffmann und Campe erschienen. So zeugt er vor allem vom Verfall eines Lektorats, das offenbar zur Bedienungsinstanz für Rechtschreibprogramme geschrumpft ist.

Norbert Leithold konnte für seine Stichwortsammlung zu "Friedrich II.", wie er den Helden schmallippig nennt, eine vor kurzem entdeckte diplomatische Geheimkorrespondenz und die neu im Internet publizierten Schatullrechnungen des Königs auswerten. Entsprechend ist Leitholds "kulturgeschichtliches Panorama" immer dort am stärksten, wo es von der Außenpolitik und den Privatangelegenheiten des Monarchen handelt. Unter Begriffen wie "Justiz", "Frauen" oder "Pagen" erfährt man dagegen wenig Neues. Dafür kann man sich an den schön gesetzten Spalten und geschmackvollen Illustrationen erfreuen, die in der "Anderen Bibliothek" zum bon ton gehören.

Vieldeutiger, aber auch unmittelbar berührender als alle späteren Lesarten sind die Originalquellen. In den Briefen und Dokumenten aus Friedrichs Jugend, die Frank Schumann zusammengestellt hat, kann man sich auf den Ton dieses Monarchenlebens einstellen. Hier findet sich auch jene ebenso kluge wie kaltblütige Antwort, die der wegen Hochverrats angeklagte Kronprinz nach seinem gescheiterten Fluchtversuch von 1730 beim Verhör im Gefängnis von Küstrin auf die Frage gegeben hat, ob er bereit sei, auf seinen Anspruch auf den Königsthron zu verzichten, um seinen Kopf zu retten: "Sein Leben wäre ihm so lieb nicht, aber Se(ine) Königl(iche) Maj(estät) würden so sehr ungnädig nicht auf ihn werden."

Er behielt seinen Kopf und erbte den Thron, aber die Unbeschwertheit, mit der er seine musischen und geselligen Neigungen ausgelebt und sich dafür immer wieder bei seinem "lieben Papa" entschuldigt hatte, war dahin. In der Küstriner Kerkerhaft begann Friedrich, regelmäßig Verse zu schreiben. Der Poet wurde, neben dem Philosophen, dem Historiker, Feldherrn und Landesvater, eine der vielen Masken seines Lebens. Dass er in dieser Verkleidung vieles klarer sah als seine Umgebung, zeigen die Gedichte, die Jürgen Overhoff und Vanessa de Senarclens in einer Anthologie versammelt und teilweise neu übersetzt haben. Ein Kriegsherr, dichtet Friedrich 1734 während seines Aufenthalts im Feldlager des Prinzen Eugen am Rhein, der sein Handwerk "sans être farouche et cruel", ohne Feigheit und Grausamkeit betreibe, sei so selten wie ein Bordellkunde, der sich nicht die "chaude-pisse", die Syphilis, zuziehe. Oder, fünfzig Jahre später, über den Tod und den Sinn des Lebens: "Ici l'absurde, et là l'inexplicable." Hier das Absurde, dort das Unerklärliche des Seins. Der Mensch aber muss sich zwischen beiden entscheiden, und Friedrich, obwohl Atheist, wählt das Numinose - "Und überlasse euch den Widersinn."

Dass dieser König ein "Herr über die Herzen" sein wollte, wie Ute Frevert in ihrer anregenden Studie behauptet, mag man zunächst nicht glauben. Aber Frevert zeigt auf anschauliche Weise, wie Friedrich seinen zum Regierungsantritt gefassten Vorsatz der Volkstümlichkeit ("règner les coeurs") trotz seiner tiefen Misanthropie konsequent vorantrieb. Der vom neunzehnten Jahrhundert vergötterte und bis heute unvergessene Alte Fritz, der für jedes Mütterchen ein offenes Ohr hat und vor jedermann seinen staubbedeckten Hut zieht, war insofern eine erfundene Figur; aber Friedrich spielte sie, als wäre sie er selbst. Der englische Gesandte, der ihn als Mann ohne "compassion and remorse", Mitleid und Gewissen, beschrieb, hatte deshalb genauso recht wie die Königsberger Bürger, die über seinen Tod heiße Tränen vergossen. Und auch die Grenadiere von Kolin wussten, wie sie ihren König zu nehmen hatten. Nach der Schlacht, am Lagerfeuer, sah ohnehin alles wieder ganz anders aus.

ANDREAS KILB

Johannes Unger: "Friedrich". Ein deutscher König.

Unter Mitarbeit von Jan Martin Ogiermann. Propyläen Verlag, Berlin 2011. 320 S., Abb., br., 16,99 [Euro].

Ute Frevert: "Gefühlspolitik". Friedrich II. als Herr über die Herzen?

Wallstein Verlag, Göttingen 2012. 152 S., Abb., geb., 16,90 [Euro].

"An meinen Geist: Friedrich der Große in seiner Dichtung". Eine Anthologie.

Herausgegeben von Jürgen Overhoff und Vanessa de Senarclens. Ferdinand Schöningh Verlag, München 2011. 336 S., Abb., geb., 24,90 [Euro].

Tom Goeller: "Der Alte Fritz". Mensch, Monarch, Mythos.

Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2011. 351 S., Abb., geb., 21,99 [Euro].

Norbert Leithold: "Friedrich II. von Preußen". Ein kulturgeschichtliches Panorama von A bis Z.

Eichborn Verlag, Die Andere Bibliothek, Frankfurt am Main 2011. 428 S., geb., 32,- [Euro].

"Allergnädigster Vater". Dokumente aus der Jugendzeit Friedrichs II.

Herausgegeben von Frank Schumann. Verlag Das Neue Berlin, Berlin 2011. 208 S., geb., 14,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Stephan Speicher lässt sich sich von Ute Frevert Gefühlvolles vom Alten Fritz erzählen - und bleibt dabei ganz nüchtern. Denn in ihrem Buch "Gefühlspolitik" erfährt der Rezensent zwar einiges über Wirken und Wirkung Friedrichs II. und in allerhand Anekdoten auch, wie der König sich seinen Spitznamen verdient hat: mit "väterlicher Sorge" und ein wenig Aufklärertum. Ob die Geschichten aber alle stimmen, fragt sich der Rezensent dann doch, und wie viel Propaganda hinter ihnen steckte. Ein wenig Skepsis bringt er dem positiven Bild entgegen, das die Autorin zeichnet und stellt sich Fragen, die bei ihr fehlen: "Lag's an der Wurstigkeit der Berliner", dass sie nicht um den Alten Fritz trauerten? Leider wird nicht immer so klar wie hier, wann der Rezensent das Buch beschreibt und wann er eigenen Denkpfaden folgt.

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