Leidenschaft und Reflexion Nochmals radikaler als in seinen vorangegangenen Büchern geht Uwe Kolbe in seinen neuen Gedichten aufs Ganze unserer Existenz. Dass wir dieses Ganze als Widerspruch, Zweisamkeit als Entzweiung erleben, zeigen vor allem die so leidenschaftlichen wie reflektierten Liebesgedichte des Bandes. In immer neuen Anläufen zielen Kolbes >Gegenreden< auf die Liebe als dem »Rätsel der fremdesten Nähe« und wechseln souverän zwischen hohem Ton und Ausgelassenheit ihre sprachlichen Register. Die Sprache selbst wird dabei zu einer Tür, die Leserinnen und Leser mit dem Zauberwort ihrer eigenen Erfahrung öffnen. Wer sich einlässt und liest, kommt, versprochen, als ein anderer aus diesen Gedichten heraus.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.10.2015Duineser Emulsion
Uwe Kolbes vermischte Liebeslyrik
Der Titel "Gegenreden" lässt es nicht unbedingt erwarten, aber Uwe Kolbe versammelt darunter vornehmlich Liebesgedichte, fast 140 an der Zahl. Er lotet Zustände zwischen Lust und Leid, Autonomie und Abhängigkeit aus und erweist sich einmal mehr als subtiler Animator der antiken Mythologie, etwa in "Pandora" oder "Hekate". Mit Gedichten wie "Duino I" und "Duino II" oder "Knebel" nimmt er auch Traditionslinien der Moderne auf: "Sag, hast du an meinen Knebeln gedreht? / Lauschtest du auf den Ton, Saite um Saite, / bis ich in dieser Stimmung war, oder ließest, / gestimmt, wie du kamst, du deine bei mir?" Es liegt nahe, hierin ein Weiterdichten von Rilkes "Liebeslied" zu vermuten, in dem es heißt: "Doch alles, was uns anrührt, dich und mich, / nimmt uns zusammen wie ein Bogenstrich, / der aus zwei Saiten eine Stimme zieht. / Auf welches Instrument sind wir gespannt? / Und welcher Geiger hat uns in der Hand? / O süßes Lied." Zeit und Zeitlichkeit entfaltet Kolbe in feinsten Schattierungen, sehr deutlich etwa in den sich gegenüberstehenden Gedichten "Diachron" und "Synchron". Der Buchtitel lässt zudem eine Anspielung auf Paul Celan vermuten. Der sah in seiner Büchnerpreis-Rede im "Gegenwort" einen "Akt der Freiheit". So greift "Gegenreden" auch in diesem Sinne die Frage nach den Möglichkeiten eines freien und befreiten dichterischen Sprechens jenseits des Bekannten und bereits Gesagten auf.
btro.
Uwe Kolbe: "Gegenreden". Gedichte.
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2015. 176 S., geb., 18,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Uwe Kolbes vermischte Liebeslyrik
Der Titel "Gegenreden" lässt es nicht unbedingt erwarten, aber Uwe Kolbe versammelt darunter vornehmlich Liebesgedichte, fast 140 an der Zahl. Er lotet Zustände zwischen Lust und Leid, Autonomie und Abhängigkeit aus und erweist sich einmal mehr als subtiler Animator der antiken Mythologie, etwa in "Pandora" oder "Hekate". Mit Gedichten wie "Duino I" und "Duino II" oder "Knebel" nimmt er auch Traditionslinien der Moderne auf: "Sag, hast du an meinen Knebeln gedreht? / Lauschtest du auf den Ton, Saite um Saite, / bis ich in dieser Stimmung war, oder ließest, / gestimmt, wie du kamst, du deine bei mir?" Es liegt nahe, hierin ein Weiterdichten von Rilkes "Liebeslied" zu vermuten, in dem es heißt: "Doch alles, was uns anrührt, dich und mich, / nimmt uns zusammen wie ein Bogenstrich, / der aus zwei Saiten eine Stimme zieht. / Auf welches Instrument sind wir gespannt? / Und welcher Geiger hat uns in der Hand? / O süßes Lied." Zeit und Zeitlichkeit entfaltet Kolbe in feinsten Schattierungen, sehr deutlich etwa in den sich gegenüberstehenden Gedichten "Diachron" und "Synchron". Der Buchtitel lässt zudem eine Anspielung auf Paul Celan vermuten. Der sah in seiner Büchnerpreis-Rede im "Gegenwort" einen "Akt der Freiheit". So greift "Gegenreden" auch in diesem Sinne die Frage nach den Möglichkeiten eines freien und befreiten dichterischen Sprechens jenseits des Bekannten und bereits Gesagten auf.
btro.
Uwe Kolbe: "Gegenreden". Gedichte.
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2015. 176 S., geb., 18,99 [Euro].
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Zeit und Zeitlichkeit entfaltet Kolbe in feinsten Schattierungen. Frankfurter Allgemeine Zeitung 20151021