Die Pandemie namens Corona war auch im zweiten Quartal 2020 das alles beherrschende Thema, und der das Thema beherrschende Tenor war Die elende Sehnsucht nach ‚Normalität‘. Wie wenig die ‚normalen‘, nämlich hier und weltweit alternativlos herrschenden wirtschaftlichen und politischen Zustände irgendeine Anhänglichkeit oder Sehnsucht verdienen, das zeigt nicht zuletzt der pandemische Ausnahmezustand selbst. Die öffentliche Debatte um die Frage „Wer oder was ist systemrelevant?“ angesichts von Lock-down-Verfügungen samt Ausnahmen, Sonderschichten samt eventuellen Extravergütungen und einer Runde gratis Wertschätzung für Pflegekräfte etc. war zwar an verlogener Moral nicht zu überbieten. Aber alle wirklichen Schäden und die praktischen Maßnahmen der Obrigkeit machen umso deutlicher: ‚Relevant‘ oder nicht – das entscheidet sich an der Logik marktwirtschaftlicher Normalität. Und die ist nun einmal eine der kapitalistischen Ausbeutung, entsprechender Reichtumsvermehrung auf der einen, einer massenhaften, teils nützlichen, teils bloß unnützen Armut auf der anderen Seite. Daran ändert sich auch in Zeiten der Seuche nichts. Auch um die Normalität des deutschen Schulbetriebs gibt es seit Corona viele Sorgen. Die drehen sich um regelgerechte Prüfungen, mangelnde Gleichheit und Vergleichbarkeit von home schooling, fehlende Sozialkontakte und zeugen allesamt von einem: von Zweck und Funktionsprinzipien der Schule der Konkurrenz als Vorbereitungs- und Ausleseanstalt für die marktwirtschaftliche Berufshierarchie. Das Wichtigste, was jeder aus der schulischen Konkurrenz, egal wie weit er es in ihr bringt, fürs Leben mitnimmt, ist die Einübung von Konkurrenztugenden samt allen verlogenen Moralismen einer nationalen Werte- und Verantwortungsgemeinschaft. Ganz normal geht auch der Rassismus in den USA seinen Gang. Leider ist auch der werweißwievielte von US-Polizisten zu Tode gebrachte Afroamerikaner samt den folgenden Unruhen und der militärischen Antwort des Staates für die deutsche Öffentlichkeit nur Gelegenheit, das Ideal eines rassismusfreien Amerika zu beschwören, um die rassistische Realität Trump anzulasten. Dabei beweist der umgekehrt mit seinem ganzen Auftritt, wie systemisch der Rassismus einer freien, egalitären Staatsgewalt zum amerikanischen Freiheitsstall gehört. Gar nicht normal findet der französische Patriot und gute Europäer Macron den Zustand von Europa, weil und solange das nicht so ausgreifend und systematisch als Militär- und Kriegsmacht agiert, wie es das seiner atomwaffengestützten Meinung nach gefälligst tun sollte. Mit seiner Parole Die NATO ist „hirntot“ – es lebe die sicherheitspolitische Autonomie Europas unter Frankreichs Führung! irritiert er die deutsche Politik und Öffentlichkeit; die sehen darin den Angriff auf ihre Vision imperialistischer Weltgeltung Europas – unter deutscher Führung nämlich. Der § 18 der Abhandlung über die Konkurrenz der Kapitalisten, der die geistigen Verrenkungen erklärt, mit denen diese Gesellschaft die Konkurrenz der Unternehmen um überlegene Produktivität zum unaufhaltsamen Fortschritt verklärt und an dessen ‚Schattenseiten‘ so unsachlich wie möglich herumproblematisiert.