In "Gegenwärtige Vergangenheit" geht Rainer Nickel der Frage nach, inwieweit unser Bewusstsein von Vorstellungsinhalten geprägt ist, die unentdeckt oder übersehen in antiken Texten wurzeln. Wir verwenden Bilder, Begriffe, Denkfiguren, Lebensregeln, Sentenzen und Metaphern, ohne ihren Background hinreichend wahrzunehmen, und berufen uns auf antike Lebensweisheiten, ignorieren aber ihren ursprünglichen Kontext. Wir zitieren oft unbeabsichtigt oder einseitig, unvollständig oder falsch. Wir verknüpfen, was nicht zusammengehört, und brechen einzelne Schlagworte aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang heraus, um sie für unterschiedliche Zwecke zu verwenden. Wir verzichten darauf, das Aufklärungspotential der Vergangenheit zu nutzen. An der Verringerung dieser kulturellen Distanz mitzuwirken, ist der Zweck der vorliegenden Darstellung, die in Form einer bunten Reihe unterschiedlich ausführlicher Essays versucht, die antiken Subtexte gegenwärtiger Texte sichtbar zu machen.