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Kommst du mit essen? Danke, ich habe noch keinen Hunger. Aber vielleicht irre ich mich ja!" Als ich das, halb im Scherz, ausgesprochen hatte, sah mich meine Bürokollegin an, als wäre ich nicht ganz richtig im Kopf. "Okay", sagte sie, "ich geh mal in die Kantine" – und verschwand. Zu viel Bewusstseinsphilosophie tut einem womöglich nicht gut. Aber wie, um Himmels willen, hatte der Mann das gemeint? Ich war gerade dabei, das Interview mit dem britischen Neurophilosophen Peter Carruthers zu transkribieren, das Sie ab S. 19 in diesem Heft lesen. Darin führt er aus, wie unser Bewusstsein uns ein…mehr

Produktbeschreibung
Kommst du mit essen? Danke, ich habe noch keinen Hunger. Aber vielleicht irre ich mich ja!" Als ich das, halb im Scherz, ausgesprochen hatte, sah mich meine Bürokollegin an, als wäre ich nicht ganz richtig im Kopf. "Okay", sagte sie, "ich geh mal in die Kantine" – und verschwand. Zu viel Bewusstseinsphilosophie tut einem womöglich nicht gut. Aber wie, um Himmels willen, hatte der Mann das gemeint? Ich war gerade dabei, das Interview mit dem britischen Neurophilosophen Peter Carruthers zu transkribieren, das Sie ab S. 19 in diesem Heft lesen. Darin führt er aus, wie unser Bewusstsein uns ein Gefühl der unmittelbaren Selbst- und Welterfahrung vorgaukelt: Es verleite uns dazu zu glauben, der Akt des Denkens sei identisch mit seinem Inhalt. Kaum meine ich, ich sei hungrig, ist es eben so. Doch ich kann mich sehr wohl täuschen. Sich von den eigenen, scheinbar selbstverständlichen Urteilen zu distanzieren, hält Carruthers für einen Weg, besser zu verstehen, wie unser Geist arbeitet. Als ich mit ihm per Skype sprach, saß der Philosoph eingehüllt in einen Wintermantel in seinem Büro in College Park in Maryland. Es war Mai und ungewöhnlich kalt an der Ostküste der USA – und zu allem Überfluss war am Philosophischen Institut seiner Universität die Heizung ausgefallen. Tage später fiel mir ein, woran mich der Anblick des leicht bibbernden, während langer Pausen um die richtigen Worte ringenden Interviewpartners erinnerte: an jenes Bild, das ich mir vor Jahren davon gemachte hatte, wie der arme René Descartes im Winter 1619 in seiner Kammer in Neuburg an der Donau gesessen haben mag, um über die sichere Methode der Erkenntnis zu meditieren. Klar, der Vergleich ist weit hergeholt. Aber was kümmert es mein Unbewusstes! Es zieht munter Analogien und sieht Zusammenhänge, wie es ihm – also mir – gefällt. Das ist für mich das Faszinierende am Titelthema dieses Heft: Es zeigt, wie sehr wir uns selbst immer wieder überraschen. Laut einer spannenden, neuen Theorie ist Bewusstsein nichts anderes als – Überraschung! Jener Zustand, der sich einstellt, wenn unsere Erwartungen fehlgehen. Im Beitrag ab S. 12 stelle ich diese verblüffende Sichtweise vor. Das letzte Wort in der Sache ist wohl noch lange nicht gesprochen. So, jetzt muss ich dringend etwas essen – ich habe nämlich wirklich Hunger! Eine anregende Lektüre wünscht IhrSteve Ayan.