Meinen einzigen offiziellen IQ-Test habe ich kurz nach dem Abitur gemacht. An das Ergebnis kann ich mich allerdings nicht mehr erinnern. Ein klassischer IQ-Wert wurde dabei ohnehin nicht ermittelt; die durchführende Lehrerin meinte, dazu benötigte man mehrere derartige Tests. Ich nehme an, das Ergebnis war für mich zufrieden stellend, aber nicht sensationell, sonst wäre es mir wohl besser im Gedächtnis ge¬blieben. Aber wie aussagekräftig sind derartige Auswertungen und Kategorisierungen über¬haupt? Die Diskussion dazu ist mindestens so alt wie die Intelligenztests selbst. Und oft wurden ihre Ergebnisse zweckentfremdet, um zum Beispiel unterschiedlichen Kulturen eine höhere oder mindere durchschnittliche Intelli¬genz zuzuweisen. Dabei hängt ein hoher IQ auch mit dem Bildungs- und Gesundheitswesen eines Lands zusammen - oder wie gut ernährt ein Individuum ist. Ebenso gibt es unterschiedliche Kriterien, welche Eigenschaften von Menschen in verschiedenen Gesellschaften als intelligent gelten und welche nicht. Kulturfaire IQ-Testverfahren sollen jetzt derartige Unter¬schiede ausgleichen helfen, wie unsere Autorin Claudia Wolf im Titelthema erklärt. Die Diskussionen über den Sinn und Zweck von IQ-Tests und ihren Ergebnissen wird nach einer solchen Überarbeitung aber sicher weiter¬gehen. Ähnlich ist es beim Thema "gendergerechte, inklusive Sprache", über die in den Medien wie im Alltag heftig und leider oft unsach¬lich gestritten wird. Unser Verlagshaus "Springer Nature" hat beschlos¬sen, dass es den Weg zu einer inklusiveren Sprache gehen will. Auch "Spektrum der Wissenschaft" stellt sich dieser Diskussion, bei der innerhalb der Mitarbeiterschaft stark unterschiedliche Sichtweisen zu Tage kamen - und die Meinungen trennen keineswegs einfach nur jung und alt oder weiblich und männlich, wie man vermuten könnte. Da wir möglichst alle Kolleginnen und Kollegen mitnehmen und gleichzeitig die Lesbarkeit unserer Magazine und Artikel optimal gestalten wollen, haben wir uns für eine sanfte Reform entschieden. Wir verzichten auf Sternchen oder Doppelpunkte in Begriffen, ver¬wenden aber nach Möglichkeit neutrale Ausdrücke und benennen es klar, wenn gemischte Teams eine Studie erstellt haben. Eines ist uns aber noch wichtiger als alle sprachlichen Veränderun¬gen: Während wir weiterhin die wissenschaftliche Expertise unserer Autorinnen und Autoren als wichtigstes Kriterium einschätzen, achten wir bei ihrer Auswahl zukünftig noch stärker auf Vielfalt. Letztlich wird das auch unsere Magazine weiter verbessern, davon sind wir überzeugt. Ich bin neugierig, wie Sie den bereits laufenden allmählichen Verände¬rungsprozess über die nächsten "Gehirn&Geist"-Ausgaben konkret wahrnehmen und einschätzen. Daniel Lingenhöhl, Chefredakteur.
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