Gefährliche Bewusstseinsspiele
Dieser Science-Fiction Roman von Jens Jüttner, der sich streckenweise wie ein Krimi liest, hat es in sich. Das mehrdeutige Titelsignal „Geistertanz“ ist ein wichtiger Hinweis zu seinem Verständnis. „Geistertanz“ nennt der orientierungslose Protagonist seine
Geschichte über die vor einiger Zeit von ihm selbst schmerzhaft miterlebte Ausweisung der indianischen…mehrGefährliche Bewusstseinsspiele
Dieser Science-Fiction Roman von Jens Jüttner, der sich streckenweise wie ein Krimi liest, hat es in sich. Das mehrdeutige Titelsignal „Geistertanz“ ist ein wichtiger Hinweis zu seinem Verständnis. „Geistertanz“ nennt der orientierungslose Protagonist seine Geschichte über die vor einiger Zeit von ihm selbst schmerzhaft miterlebte Ausweisung der indianischen Gastarbeiter. Bei ihnen hatte das Halbblut einen Teil seiner Kindheit verbracht. Dann wurden sie ausgewiesen durch eben den Konzern, bei dem sein weißer Vater angestellt ist und dem auch er seine Ausbildung verdankt.
Doch dieser Versuch, literarisch Klarheit über seine eigene Identität zu bekommen – ein Buch, das als Weg in die Freiheit gedacht war – stürzt ihn in eine lebensgefährliche Verfolgungsjagd. Denn ausgerechnet die Fehlinterpretationen seines Buches in den Medien bringen unvermutet den Konzern in arge Bedrängnis, da dessen Marktmacht auf einer Unterhaltungssoftware namens „Geistertanz“ beruht, ein Produkt zur externen Bewusstseinsgenerierung für jedermann. Ihren Namen verdankt sie den Tanzritualen von Schamanen, aus denen sie zum kommerzialisierbaren Massenprodukt entwickelt wurde, bevor sie im Labor insgeheim längst zu militärischen Zwecken umgerüstet wird, um so Menschen durch die spielerische Ausschaltung des freien Willens in perfekte Kampfmaschinen zu verwandeln.
Als nunmehr der Protagonist auf seiner Flucht vor dem vermeintlichen Zugriff des Konzerns in einen Unfall mit einem außer Kontrolle geratenen Prototypen des Militärprojektes verwickelt wird, steht die Zukunft des Konzerns selbst auf dem Spiel: Teure Beteiligungsansprüche von Seiten indianischer Freiheitskämpfer wären da noch das weitaus kleinere Übel gegenüber dem drohenden Imageschaden wegen Subventionsbetruges.
In dieser Situation des drohenden Gesichtsverlustes schlägt der Konzernchef skrupellos zurück. Dabei bemisst sich seine Rücksichtslosigkeit an den eigenen Möglichkeiten, die öffentliche Meinung und die Vertreter von Politik und Gesellschaft so zu manipulieren, dass der Betrüger als Wohltäter dasteht und seine Opfer als Täter verhöhnt werden. Die Wenigen, die wie auch immer dieser Krakengewalt des Konzerns zu entkommen suchen, finden mühsam nur einen Weg in die Freiheit…
Jens Jüttner ist mit seinem Roman „Geistertanz“ die Inszenierung eines beängstigenden Stückes Zukunft gelungen, eine Zukunft, die allem Anschein nach schon begonnen hat, die hier aber mit humorvoller Distanz beschrieben wird.