Studienarbeit aus dem Jahr 2010 im Fachbereich Gräzistik - Literatur, Note: 1,0, Ruhr-Universität Bochum (Seminar für Klassische Philologie), Veranstaltung: Proseminar Griechische Historiographie: Herodot, Sprache: Deutsch, Abstract: „Auf! Beginnen wir nun von den Musen, die droben im Himmel Singend den hehren Sinn des göttlichen Vaters erfreuen; Künden doch alle Vergangnes, die Gegenwart und auch die Zukunft Einig im Lied…“ (Hesiod, Theogonie, 36-39) Die Form, in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eine Einheit bilden, ist das genos. Die Vorstellung, dass die eigene Person in einer Abstammunslinie steht, die auf einen Ahnherrn zurückgeht und die sie selbst fortsetzt, verbindet im Bewusstsein des Individuums Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Alle Zeitstufen sind miteinander verknüpft. Ihren Ausdruck findet diese Vorstellung im Lied der Musen, prosaisch formuliert: in der Genealogie. Betrachtet man die Grobstruktur des herodoteischen Geschichtswerks, fällt auf, dass es nach lydisch-persischen Herrschern aufgebaut ist. Da in einer Sukzession der Sohn dem Vater auf den Thron folgt, insofern die Herrschaft nicht mit Gewalt von einem fremden Gegner übernommen wird, liegt es nahe zu fragen, welche Rolle die Abstammung in den Historien spielt. Dabei soll nicht aufgeklärt werden, ob die Angaben historisch korrekt sind, sondern analysiert werden, welche Leistung die Genealogien in narrativer Hinsicht erbringen. Die Auseinandersetzung mit solchen Abstammungslinien beginnt schon bei Homer: Die homerischen Helden stellen sich vor, indem sie ihre Vorfahren nennen. Exemplarisch sollen hier die Genealogien des Aeneas, des Asteropaios und des Achill untersucht werden. Zudem wird das Blättergleichnis des Glaukos näher besehen. Hesiod wählt sich den Gegenstand zum Hauptthema seines Werks: Er beschreibt die Entstehung der Welt und der drei Göttergenerationen vom Chaos an. Eine zentrale Rolle spielen Genealogien auch bei Hekataios in seinem gleichnamigem Werk. Da diese drei Autoren als literarische Vorläufer Herodots betrachtet werden können, soll in einem ersten Schritt auf Grundlage ihrer Werke ein theoretisches Modell entwickelt werden. Es sollen drei Aspekte untersucht werden: Welche Form haben die Genealogien? Wie sind sie ausgerichtet? Welche narrative Funktion erfüllen sie damit? In einem zweiten Schritt soll dieses Modell auf die Historien des Herodot angewendet werden. Dabei wird der Frage nachgegangen, welche etablierten Anwendungsweisen abgerufen werden, auf welche verzichtet wird und welche Aspekte womöglich neu sind. Eine Sonderstellung nimmt die Genealogie des Kandaules ein, die abschließend analysiert wird.