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Produktdetails
  • Verlag: Aufbau Verlage GmbH
  • Seitenzahl: 336
  • Erscheinungstermin: 21. Juni 2021
  • Deutsch
  • ISBN-13: 9783841226723
  • Artikelnr.: 60585111
  • Herstellerkennzeichnung
  • Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Autorenporträt
Douglas Coupland wurde 1961 auf einem NATO-Stützpunkt in Deutschland geboren, lebt heute in Vancouver, Kanada. In den späten Achtzigern begann er für lokale Magazine zu schreiben, woraus 1991 sein Roman »Generation X« hervorging, der ihn schlagartig berühmt machte und zum Sprachrohr einer Generation werden ließ. Seitdem hat er 14 Romane und zahlreiche Essaybände veröffentlicht und gilt als Vordenker des Digitalzeitalters.

Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.08.2010

Die Depression der Generation Apparateaffen

Überzuckerter Bienenstich: Douglas Coupland prophezeit zwei Jahrzehnte nach seinem Kultbuch über den Aussteigerjahrgang der neunziger Jahre nun den totalen Niedergang. Aus der Beschleunigung per Tipp-Ex ist kaputte Überschallkommunikation geworden.

Ich sehne den Tag herbei, an dem wir uns zu etwas Besserem verwandeln als die gehypten Schimpansen, die wir im Moment sind, eine Horde von Affen, die Blumenkohlcremesuppe von Knorr essen und so tun, als würden sie nicht mitbekommen, dass die Hälfte des Planeten sich im Krieg befindet, im Krieg um . . . ja, was?" Im Krieg um die Konsistenz! Sämig wie eine Fertigsuppe ist schließlich auch dieser Satz, in dem man vergeblich nach Bröckchen von echtem Gedankengemüse sucht: Komme, lieber Übermensch, weil wir Affen so tun, als würden wir etwas nicht mitbekommen, es also doch mitbekommen, einen unklaren Weltkrieg nämlich, der aber seltsamerweise nur die Hälfte der Weltbevölkerung umfasst. Liegt es da nicht nahe, dass die Vernichtung der anderen Hälfte das Ziel ist?

So ist es dann aber auch nicht gemeint, der Krieg spielt genaugenommen gar keine Rolle. Es geht vielmehr um kollektiven Suizid der gesamten Weltbevölkerung mittels einer - Achtung, State-of-the-Art-Kreativität - Wunderdroge namens Solon, dem "Gegenmittel zu jenem täglichen Trommelfeuer elektronischer Informationen", das die kuriose Eigenschaft hat, den Menschen entspannende Einsamkeit zu verschaffen ("als lese man einen Roman"), ohne dass sie sich dabei einsam fühlen. Das führt natürlich qua Totalisolation zum Untergang des Planeten, wobei noch eine zweite Untergangsabsicherung eingebaut ist, denn falls die verblödeten, lebensunfähigen Einzelgänger aus unerfindlichen Gründen doch noch ihren Nahrungsbedarf zu decken imstande sein sollten, dann macht ihnen der Umstand den Garaus, dass die Herstellung von Solon - man frage nicht, warum - die Bienen hat aussterben lassen.

Unbestäubt taumelt der Planet also seinem würdelosen Ende entgegen. Das aber gilt ohne Abstriche auch für diesen Roman des Generationsromanspezialisten Douglas Coupland: Das "A" in "Generation A" steht kaum, wie das Motto von Kurt Vonnegut andeutet, für den Beginn einer neuen Reihe, sondern einfach für "Apokalypse", genauer: für "affengeile Apokalypse", was man beides, wie Coupland jüngst aufgegangen sein muss, gar nicht mit "x" schreibt.

Einige Bienen existieren dann irgendwie doch - man frage nicht warum -, und sie stechen zeitgleich an verschiedenen Enden der Welt fünf um die Jahrtausendwende geborene Personen, fatalistische Verweigerer der großen Pharmasause. Die Auserwählten werden eingefangen, untersucht - tatsächlich fünf Mal die gesamte Prozedur - und schließlich, obwohl weltweit berühmt, auf eine gut abgeschirmte Insel gebracht. Dort haben sie einzig die Aufgabe, einander Geschichten zu erzählen: wohl die schwachsinnigste Bezugname auf Boccaccios "Decamerone" seit "Generation X", wobei sie diesmal auch explizit gemacht wird, von der Vorgängergeneration aber weit lässiger als Anlehnung an die Treffen der Anonymen Alkoholiker verkauft wurde. Es ist unbestreitbar: Coupland hat seinen 1991 tatsächlich richtungweisenden, jugendenergiegeladenen Kultroman einfach in einen neuen Umschlag eingewickelt. Damals ging es um drei fatalistische Aussteiger, die der großen Konsumparty fern blieben und einander am Wüstenrand "Gute-Nacht-Geschichten" erzählten. Nicht nur die Handlung, auch die flotte Jugendsprache und der Eddie-Murphy-Humor der achtziger Jahre sind in der Neuauflage konserviert ("Draußen schien die Sonne - würg!"), wirken aber heute so wie ein Auftritt von Kiss mit Maske und Flying-V-Gitarre: halb nostalgisch, halb peinlich.

Die fünf Gestochenen, aus deren Perspektive reihum erzählt wird, fühlen sich zueinander hingezogen, es scheint gar, dass ihre "Persönlichkeiten immer mehr verschmolzen". Diese Schwarmexistenzen sind einander in einer Hinsicht tatsächlich ähnlich, denn als kreative Geister stehen sie in Verbindung mit dem großen Web-Universum. Harji aus Sri Lanka etwa verkauft mit seiner "Fake-Internetfirma" als Dr. Murke 3.0 "Promi-Raumklänge", "eine Stunde Stille aus dem Zuhause zahlreicher Prominenter". Selbst die Prominenten entstammen allerdings einer anderen Ära: Mick Jagger, Lou Reed, Garth Brooks. Zack, ein besonders draufgängerischer Zeitgenosse, mäht zum Zeitpunkt des Stiches eben mit Maizie, dem "geilsten Mähdrescher der Welt", einen "vier Hektar großen Schwanz mit Eiern" in den Mais, der per Echtzeit-Google Earth bestaunt werden kann. Zack, dem einzig die hochanaloge Währung "Mörderblowjob" einleuchtet, weiß auch seinen Ruhm in Assistentinnen zu konvertieren: "mein gottloser Harem maisgefütterter Muschis". Diana wiederum, eine Dentalhygienikerin, bekommt vom Autor gleich ein klamaukgarantierendes Tourettesyndrom verpasst, diesmal "im Ernst". Noch zwei weitere Karikaturen kommen hinzu, und prompt sitzt der Autor vor dem Problem, dass seine schöne Apokalypse mit diesem Personal kaum ernst genommen werden dürfte.

Das ist schade, denn aus der von ferne an Salman Rushdies "Mitternachtskinder" erinnernden Grundstruktur der zeitgleichen Stiche wie aus der Idee des Aussterbens der Bienen hätte etwas werden können, ganz zu schweigen davon, dass die Zeit reif ist für einen Roman, der sich klug mit der nahen Zukunft unserer kommunikationssüchtigen Gesellschaft auseinandersetzte. Coupland aber lässt diese Ansätze verkümmern, flüchtet sich ins plump Brachiale. Jetzt werden Gehirne zu Wackelpudding, und eben noch nette Wissenschaftler entpuppen sich als obskure Geheimagenten, die längst die Weltherrschaft übernommen haben. Doch der eigentliche Absturz des Romans steht noch bevor. Ihn bilden jene selbstreflexiven Novellen, welche - nun vollends inkonsistent - die zweite Hälfte des Buchs prägen: allesamt idiotisch-kindische Weltuntergangsszenarien mit Titeln wie "Superman und die Kryptonit-Martinis" oder "Der Prediger und seine heimliche Fickschlampe".

Selbstreflexiv sind sie nicht nur, indem sie locker an die jeweiligen Biographien anschließen, sondern auch im abgenudelt postmodernen Sinn, nämlich auf die kollabierende Welt der Bücher Bezug nehmen. In kläglicheren Lumpen kam Kulturpessimismus selten daher: Immer wieder suchen jetzt Apokalypsen (inklusive außerirdischer Menschenfresser) den liebesentwöhnten Planeten heim, und immer wieder verlernen die Protagonisten, was Zahlen oder Buchstaben sind. Nun hagelt es Botschaften: "Wie grausam, dass die Menschheit genötigt wurde, sich der globalen Vernetzung zu unterwerfen"; "Bartholomew grämte sich wirklich darüber, dass Sprache zu affenartigem Schnattern verkam. Die SMS seiner Kollegen überstiegen oft seine kryptographischen Fähigkeiten"; "Bücher zu lesen gibt den Menschen ein Gefühl von Individualität" (was ihr Fleisch schmackhafter macht für die Außerirdischen); "Mit Hilfe von Finnegans Wake und anderen Büchern ließen die Symptome sich lindern"; "Er las gerne, weil es ihm das Gefühl gab, eine Einzelperson zu sein und nicht das Stück eines Tortendiagramms in einer Power-Point-Präsentation".

Dass ihre Analphabeten-Geschichten nicht viel taugen, geht selbst unseren Dösköppen auf, und sie fragen ihren Meister Serge danach. Der schiebt es auf die modernen Zeiten, in denen "der eigentliche Geschichten produzierende Teil des Gehirns sich verhärtet und abstirbt". Diese These hat Coupland mit seinem Buch offenbar erhärten wollen. So bleiben von "Generation A" lediglich einige lustige Stellen im Wackelpuddinggedächtnis, eine Aussage über die Schweiz etwa, "die elendste Droge der Welt" - "so langweilig . . . wie ein Schlaganfall, der nicht mehr aufhört". Und das ist ziemlich wenig, wenn man in Rechnung stellt, dass dafür die Welt untergehen musste.

OLIVER JUNGEN

Douglas Coupland: "Generation A". Roman. Aus dem Englischen von Clara Drechsler und Harald Hellmann. Tropen Verlag/Klett Cotta Verlag, Stuttgart 2010. 334 S., geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Oliver Jungen lässt kein gutes Haar an dem neuen (alten) Roman von Douglas Coupland. Hat der Autor etwa nur das X in "Generation X" durch ein A ersetzt? Jungen scheint es so, allerdings ist er sich nicht sicher, ob das A für "affengeile Apokalypse" steht. Denn was Coupland hier zu auffährt, entlockt dem Rezensenten nur ein müdes Lächeln: Eine Wunderdroge namens Solon? Die Apokalypse als Bienenstich? Wenn's denn sein soll. Humor und Sprache wirken auf den Rezensenten übrigens "nostalgisch bis peinlich", so überholt wie ein Auftritt von Kiss. Dass Coupland sein Personal nicht einmal ernst nimmt, findet Jungen wirklich bedauerlich. Die Grundstruktur des Plots nämlich hält er für gar nicht so schlecht. So aber bleibt ihm das Buch bloß als klägliches Stück Kulturpessimismus in Erinnerung.

© Perlentaucher Medien GmbH
»[...] statt den Leser mit einem traurigen Abgesang auf die Menschheit zu deprimieren, unterhält Coupland mit sprühendem Sprachwitz, absurden Einfällen und herrlich skurrilen Figuren.« Münchner Merkur 20210824