Studienarbeit aus dem Jahr 2010 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 2,0, Universität Potsdam (Institut für Germanistik), Sprache: Deutsch, Abstract: Georg Büchners Lenz verwirrt. Und das in jeder Hinsicht. Schon die gattungstheoretische Einordnung des Textes bereitet einige Schwierigkeiten. Vor ihrem editionsgeschichtlichen Hintergrund und hinsichtlich ihres abrupten Endes lässt sich die Erzählung, die den Aufenthalt und psychischen Kollaps des Sturm-und-Drang Dichters Jakob Michael Reinhold Lenz bei dem philanthropischer Johann Friedrich Oberlin in Waldersbach thematisiert, als Fragment bezeichnen, obgleich sie doch ebenso jegliche Kriterien einer Novelle erfüllt. Ein weiteres Problem offenbart sich in der Erzählung selbst. Lenz besticht durch inhaltliche wie sprachliche Konfusion. Der Blick des Protagonisten wechselt unaufhaltsam zwischen Wahn und Realität, wird auf sprachstilistischer Ebene getragen von der Ambivalenz zwischen gebrochenen, fragmentarisch anmutenden Satzstrukturen auf der einen, geschliffenen und überaus kunstfertigen Formulierungen auf der anderen Seite. Büchners Entscheidung auf jedwede Art der Einführung oder Erklärung, Personen und Umstände betreffend, zu verzichten, gestaltet ein Verständnis des Textes ohne Hintergrundwissen diffizil. Dabei sind die Quellen, welcher der Erzählung zugrunde liegen vielgestaltig. Sie reichen von der biographischen Abhandlung Daniel Ehrenfried Stöbers über Leben und Wirken des Pfarrers Oberlin bis hin zu Auszügen aus Johann Wolfgang Goethes Autobiographie Dichtung und Wahrheit. Sie umfassen zeitgenössische Abhandlungen zum psychiatrischen Wahnsinnsverständnis ebenso, wie philosophische Diskurse zum ästhetischen Idealismus. Kurzum, Büchners literarische Aufarbeitung des Lenz-Stoffes findet auf der Grundlage einer Vielzahl von Schriften und Dokumenten statt, die sich mehr oder minder explizit um den Dichter Lenz, seine geistige Verfassung, sowie seinen Aufenthalt im Hause Oberlin ranken. Ein besonderer Stellenwert kommt dem von Oberlin unmittelbar nach Lenzens Abreise im Februar 1778 verfassten Bericht, im Jahre 1839 durch August Stöber unter dem Titel Der Dichter Lenz, im Steinthale veröffentlicht, zu.