Seit über sechs Jahrzehnten knüpft Friederike Mayröcker in ihren Gedichten an einem magischen Sprachteppich. Die Sprachfäden schießen ineinander, entfalten ein filigranes wie weit austreibendes Geflecht, das alle Festlegungen überschreitet. Unermüdlich erprobt die Dichterin die Übersetzbarkeit von Materie in Sprache, wagt sich immer neu durch unerschlossene Schichten. Gesehenes, Erlebtes, Erfundenes, im Geiste Erlebtes und Geträumtes - alles findet Eingang ins Textgewebe. Wortneuschöpfungen stehen neben Fremdzitaten und Selbstverfremdungen, Spuren ihrer Auseinandersetzung mit Werken von Kollegen neben solchen ihres Umgangs mit Malerei und Musik - in allem spricht sich eine ungestüme Wahrnehmungskraft aus, ein Abtasten der Welt, das nichts ausschließt, aufs Ganze geht. Der hier zum 80. Geburtstag der Autorin von ihrem Kollegen Marcel Beyer herausgegebene Band präsentiert neben sämtlichen bislang veröffentlichten Gedichten (in Buchform oder verstreut publiziert) auch alle unveröffentlichten Gedichte, die nach Durchsicht der Manuskripte von der Autorin für »gültig« befunden wurden, und zwar von 1939, als sie mit dem Schreiben begann, bis heute.
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»Es sind, man muss es einmal so sagen, einfach sehr coole Texte, die Friederike Mayröcker hinterlassen hat.« Dirk Hohnsträter WDR 20241204
Perlentaucher-Notiz zur WELT-Rezension
Rezensent Richard Kämmerlings widmet dem vom Schrifsteller Marcel Beyer herausgegebenen Band des lyrischen Spätwerks von Friederike Mayröcker eine hymnische Besprechung. Obwohl Mayröcker ganz und gar keine Chaotin in Bezug auf die Archivierung ihrer Werke war, kann dieser Band nur eine vorläufige Zusammenstellung ihrer späten Gedichte darstellen, meint Kämmerlings, denn so reich war Mayröckers schaffen, so verzweigt und vielgestaltig, dass eine weitere Sichtung des Nachlasses wohl zu vielen weiteren Ergebnissen führen wird. Immer wieder begegnet Kämmerlings Jaques Derrida in den späten Gedichten: "mit entzückten Lidern im Tränenstrom es wuchtet mich gegen die/ Wand die Wintersonne bohrt sich ins Auge die Wunder die Wunden/ der Krankheit (Rebus) die Ruinen des Jacques Derrida der gött-/ liche." Daneben spielt die Natur eine große Rolle, auch religiöse Motive tauchen immer wieder auf. Kämmerlings erscheinen die Gedichte zuweilen wie "schöne, rätselhaft Orakelsprüche", deren Bedeutung er mit Freuden nach und nach auf den Grund geht.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»... eine poetische Offenbarung.« Richard Kämmerlings WELT AM SONNTAG 20241215