Zur Geschichte der Textilherstellung gibt es erstaunlich wenig zusammenfassende Literatur, wenn man bedenkt, dass wir mit diesen Produkten wirklich täglich umgehen. Und das seit Tausenden von Jahren.
Dieter Veit, Mitarbeiter am Institut für Textiltechnik an der RWTH Aachen, hat diese sehr
umfangreiche und breit aufgestellte Monografie zum Thema vorgelegt, die sich auf dem schmalen Grad zwischen…mehrZur Geschichte der Textilherstellung gibt es erstaunlich wenig zusammenfassende Literatur, wenn man bedenkt, dass wir mit diesen Produkten wirklich täglich umgehen. Und das seit Tausenden von Jahren.
Dieter Veit, Mitarbeiter am Institut für Textiltechnik an der RWTH Aachen, hat diese sehr umfangreiche und breit aufgestellte Monografie zum Thema vorgelegt, die sich auf dem schmalen Grad zwischen Allgemeinverständlichkeit und Fachpublikation bewegt. Das ist nicht immer ganz gelungen und stellte mich als Leser öfter vor die Frage nach der eigentlichen Zielgruppe.
Das Buch ist zunächst chronologisch strukturiert, mit Überkapiteln zur Vor- und Frühgeschichte, der Antike, dem Mittelalter, der frühen Neuzeit, gefolgt von Kapiteln zum 18., 19., 20. und 21. Jahrhundert. Schon an dieser Staffelung erkennt man, dass die industrielle Revolution im 18. Jahrhundert die Textilherstellung grundlegend verändert hat. Textilen wurden zunehmend zur Massenware und allgemeinverfügbar, auch für niedere Stände. Die immer neuen Varianten neuer Maschinen optimieren die Prozesse, führen aber nicht nur zu ökonomischen Verbesserungen, sondern auch zu sozialen Verwerfungen.
Bei aller Präzision in den technologischen Kapiteln haben sich in den historisch/archäologischen Passagen zu Beginn des Buches doch einige Ungenauigkeiten und auch Fehler eingeschlichen. Im Grab Alexanders konnte man z. B. keine indigogefärbten Wollstoffe finden, weil Alexanders Grab nie entdeckt wurde und Indigo wird auch nicht durch Sonnenlicht, sondern durch Luftsauerstoff oxidiert. Ebenso konnte man in der europäischen Antike nicht mit Tagetes färben, weil das eine mittelamerikanische Spezies ist. Es gibt einige solcher Ungenauigkeiten, die aber vor allem dann passieren, wenn Veit sein eigentliches technologisches Fachgebiet verlässt.
Einen wissenschaftlichen Ansatz kann man dem Band nicht absprechen. Veit zitiert wissenschaftlich korrekt und seine Referenzlisten sind ausgesprochen umfangreich und mit z. T. sehr aktuellen Quellen.
Große Teile des Buches sind auch für interessierte Laien gut lesbar, nur verwendet Veit in einzelnen Kapiteln ein technisches Fachvokabular, das er voraussetzt und das auch oft nicht über geeignete Abbildungen erklärt wird. Das sehr kurze Glossar beschränkt sich auf wirklich grundlegende Elemente der Garn- und Textilherstellung, ist aber in den Erklärungen aus meiner Sicht nicht anschaulich genug und auch nicht vollständig, so dass es eher selten hilfreich ist.
Oft nutzt Veit rein textliche Beschreibungen mit technischem Fachvokabular, wo eine Abbildung mit Bezeichnung der beschriebenen technischen Elemente deutlich anschaulicher gewesen wäre. Dass nicht alle Abbildungen, die für das Verständnis des technischen Funktionsprinzips nötige Größe haben, kommt erschwerend hinzu. Insgesamt ist das Buch sehr umfangreich illustriert, was grundsätzlich positiv ist, aber es gibt unnötige Dopplungen, während an anderen Stellen wie gesagt größere Abbildungen erforderlich gewesen wären.
Einerseits ist das Buch klar wissenschaftlich-technologisch ausgerichtet, nutzt wissenschaftliche Zitierweise und Fachsprache, andererseits rutscht Veit auch immer wieder in umgangssprachliche Untiefen, die zum Rest nicht richtig passen wollen („Die Kreuzritter waren offenbar nicht die hellsten Kerzen auf der Torte“). Stellenweise machte es auf mich daher einen etwas unausgewogenen Eindruck. Dennoch ein wirklich hochinteressantes Thema, nur diese Monografie ist wohl noch nicht das letzte Wort.
(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)