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Geschichte des Fußballs
Fast könnte man meinen, Herausgeber und Autoren dieses Buches seien darauf bedacht gewesen, das Bonmot zu bestätigen, wonach es beim Fußball nicht um Leben und Tod gehe, sondern um viel wichtigere Dinge. Es ist der Versuch, den Fußball endlich in die ernsthafte Welt der Wissenschaft zu holen. Das ist auch angebracht, denn selbst die größten Verächter des Sports können die "gesellschaftliche" Bedeutung dieses Spiels kaum noch leugnen. Ein großes Lob gebührt also dem Ansinnen. Der Blick ins Produkt lässt Begeisterung freilich nicht auf Anhieb aufkommen. Da ist zum einen das Problem, das so ziemlich allen Tagungsbänden innewohnt: Das, was äußerlich als ein Buch erscheint, ist innen eine ziemlich heterogene Zusammenstellung von Aufsätzen, die unter einen Titel gezwungen werden. Womit das zweite Problem benannt ist. Natürlich kommt in diesem Buch zuweilen die als - auch politisch zu verstehende - "Zäsur" bezeichnete Weltmeisterschaft von 1954 vor. Und auch von außerdeutschen Landen ist die Rede. Aber das Buch ist weder geographisch noch vom behandelten Zeitraum das, was der Titel verspricht.
Der Aufsatz über Fußball und Fernsehen ist im Grunde eine Sozialgeschichte des Fernsehens. Dies wird zwanglos und gar nicht ungeschickt mit dem Fußball verbunden, wobei die nationale Perspektive dominiert. Der Durchbruch in der öffentlichen Wahrnehmung gelang dem Spiel durch die Einführung des Ligasystems. Dadurch war gewährleistet, dass es über einen langen Zeitraum kontinuierlich andauerndes Wettkampfgeschehen gab, bei dem jederzeit ersichtlich war, wer wie erfolgreich war. In diesem Zusammenhang ist es dann nützlich, auf die Anfänge des Ligawesens im Baseball in den Vereinigten Staaten in der Mitte des 19. Jahrhunderts hinzuweisen. Auch Ausflüge in die Konflikte, die die Professionalisierung des Sports nach sich zog, lesen sich gut. Wieso dann aber über viele Seiten eine Geschichte des amerikanischen Baseballs im 19. Jahrhundert ausgebreitet werden muss, erschließt sich nicht. Der Autor scheint selbst Zweifel gehabt zu haben, denn er rechtfertigt sich am Ende seines Beitrags vor dem erschöpften Leser damit, er habe die Fruchtbarkeit einer historischen Soziologie des modernen Wettkampfsports testen wollen. Die Erkenntnisse sind freilich ziemlich naheliegend und hätten keines großen Theoriegebäudes bedurft. Zuweilen reicht eben auch in der Wissenschaft ein Schuss gesunder Menschenverstand.
Von einem Buch mit wissenschaftlichem Anspruch darf man auch wissenschaftliche Genauigkeit erwarten. Wenn dann aber im England des 19. Jahrhunderts Zuschauer in ein Stadion namens Wembley strömen, das doch erst 1923 eröffnet wurde, wachsen die Zweifel. Außerdem heißt der Verein in Münster SC Preußen, nicht FC Preußen, was bei einem Autor, der an der dortigen Universität lehrt, besonders ins Auge fällt. Immer wieder spannend ist auch, wie von Buchverlagen mit der Rechtschreibung umgegangen wird. Dieses Buch ist in traditioneller Schreibung verfertigt, wogegen selbstverständlich nichts spricht. Nur sollte man die dann auch beherrschen. Die Schreibweise "daßelbe" (Seite 89) ist zwar originell, aber in keiner bekannten Rechtschreibung original.
PETER STURM
Wolfram Pyta (Herausgeber): Geschichte des Fußballs in Deutschland und Europa seit 1954. Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 2013. 184 S., 24,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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